Auf dem Weg nach Europa

Den Beginn eines neuen Jahres mit geschliffener Rhetorik und wohlgesetzten Reden zu begleiten, stellt für Politiker in der ganzen Welt oft nicht viel mehr als eine Fingerübung mit geringfügigen Variationen dar. In diesem Jahr glichen sich jedoch die Neujahrsbotschaften noch etwas mehr als sonst üblich.

Aus gutem Grund.

Denn auch, wenn sich die Apostrophierung eines Ereignisses als historisch oft verfrüht oder schlicht falsch herausstellt; die Einführung der Gemeinsamen Europäischen Währung stellt sicherlich nichts weniger als eine Epochenscheide in der Geschichte unseres Kontinents dar.

Und wieder einmal wurden alle professionellen Schwarzseher Lügen gestraft: Anstatt des vorhergesagten, unmittelbar danach eintretenden Chaos war der Empfang, den die Luxemburger und mit ihnen elf andere Nationen ihrem neuen, gemeinsamen Geld bereiteten, überwältigend.

In kurzer Zeit werden sich 300 Millionen Menschen an das neue Geld gewöhnt haben, jetzt schon stellt der Euro in einigen Balkan-Ländern das einzige gesetzliche Zahlungsmittel dar, und in absehbarer Zeit werden auch Dänemark, Schweden und Großbritannien ihre Euro-Skepsis überwunden haben.

Das Abenteuer Europa hat nun endlich begonnen und es wird unserem Kontinent für lange Zeit Frieden, Wohlstand und Sicherheit garantieren. Die Aufgabe einst so argwöhnisch gehüteter Souveränitätsrechte wie die der Geldprägung und der Zinssteuerung läutet dem Nationalismus, der im letzten Jahrhundert so viel Unglück über die Völker Europas brachte, leise aber unüberhörbar die Totenglocke.

Natürlich sollte man bei aller Freude über hinzugewonnene Gemeinsamkeiten niemals vergessen, was unsere luxemburgische Einzigartigkeit ausmacht.

Besonders ein Volk, das erst im letzten Jahrhundert zu sich gefunden hat, darf niemals vergessen was eine Nation eigentlich ausmacht: das Gefühl eine gemeinsame Vergangenheit und eine gemeinsame Zukunft zu haben (Johannes Paul II).

Nur wer seine Herkunft kennt und liebt, vermag auch Respekt vor dem Fremden zu haben, also ein echter Europäer zu sein. Gott sei Dank mangelt es uns in dieser Hinsicht nicht an guten Beispielen.

Denn schliesslich war es ein Luxemburger, der schon vor 30 Jahren die Währungsunion einleiten wollte.

Damals scheiterte diese grossartige Vision an der Ölkrise und Zauderern aus Politik und Wirtschaft.

Pierre Werner jedoch sicherte sich mit dem nach ihm benannten Plan einen Platz in der Ruhmeshalle der Europäischen Einigung neben Staatsmännern wie Coudenhove-Kalergi, Briand, Schuman und Schmidt.

Und auch die Ost-Erweiterung, das nächste spannende und folgerichtige Kapitel in dieser Geschichte, wäre heute nicht so weit ohne einen Luxemburger.

Jacques Santer war es zwar nicht vergönnt, diesen Prozess bis zum Ende zu begleiten – ohne ihn wäre er aber vielleicht nie so weit gediehen.

Diese Erweiterung wird nämlich einhergehen müssen mit einer grundlegenden Erneuerung der Union.

Ein Europa der 25 bedarf notwendigerweise anderer Institutionen als die Gemeinschaft der Römischen Verträge.

Die Begeisterung der Bevölkerung, die mit der Einführung des neuen Geldes einherging, könnte der europäischen Idee endlich neues Leben einhauchen. Und frischer Elan wird gebraucht.

So hat unter luxemburgischer Präsidentschaft Premier Jean-Claude Juncker die Arbeitslosigkeit zu einem europäischen Thema gemacht.

Das soziale Europa ist noch eine Utopie, an die – besonders in Zeiten des wirtschaftlichen Rückgangs – keiner so recht glauben will.

Nun ist aber gerade das soziale Netz der Schutz vor der Willkür eines ungehemmten Kapitalismus, mithin ein Stück europäischer Unternehmenskultur, die es auch in dem erweiterten Europa auszubauen gilt.

Und da ist nicht nur die Politik gefordert.

Erna Hennicot-Schoepges Parteipräsidentin