Ein Mehr an Menschlichkeit

Ein Mehr an Menschlichkeit

Luxemburger Wort-Interview mit Familienministerin Marie-Josée Jacobs über Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Tätigkeiten

2001: das internationale Jahr des Ehrenamtes.

Ziel: Motivieren sich aktiv in der Gesellschaft engagieren, ehrenamtlichen Einsatz für den Nächsten Das Luxemburger Wort befragte Ministerin Marie-Josée Jacobs. Hier einige Ausschnitte

Luxemburger Wort: Was bedeutet für Sie das Wort Solidarität, das unmittelbar mit dem Ehrenamt verbunden zu sein scheint?

Marie-Josée Jacobs: In Luxemburg geschieht noch sehr viel im Bereich des Ehrenamtes, dies impliziert Solidarität. Viele Menschen sind entweder in Vereinigungen aktiv oder engagieren sich Zuhause in den Familien. Letzteres wird als “Bénévolat relationnel” bezeichnet. Meiner Einschätzung nach ist es nicht so, dass keiner mehr etwas mit dem anderen zu tun haben will. Aber die Bereitschaft, als Vorsitzender jede Woche drei- oder viermal zusammenzukommen, um sich um die Vereinsverwaltung zu kümmern, nimmt schon ab. Zugleich wollen die Menschen gezielter handeln. Limitiert in der Zeit und im Objekt begrenzt. Des Weiteren fordern viele ein Mitspracherecht und absolvieren Ausbildungskurse.

LW: Definitionen des Ehrenamtes gibt es viele. Unterschieden wird zwischen verschiedenen Typen wie “Bénévolat associatif” und “Bénévolat relationnel”. Worauf kommt es bei diesen Definitionsversuchen letztlich an?

Marie-Josée Jacobs: Im Gegensatz zum ehrenamtlichen Einsatz im Verein lässt sich das “Bénévolat relationnel” allerdings nur schwer darstellen. Dabei ist diese Form des Ehrenamtes wenigstens genauso wichtig wie die andere, weil sie ein Stück Menschlichkeit erhält, die man nicht bezahlen kann. In diesem Jahr geht es vor allem darum darzustellen, was “Bénévolat” überhaupt meint, ohne dabei ehrenamtlich Tätige als billige Arbeitskräfte misszuverstehen. Es ist wichtig, eine positive Botschaft zu vermitteln: Man gibt viel, erhält aber auch viel zurück.

LW: Laut einer CEPS-Studie aus dem Jahr 1997, ist jeder vierte Luxemburger ehrenamtlich engagiert.

Im europäischen Vergleich ein gutes Ergebnis?

Marie-Josée Jacobs: Diese Quote von 25 Prozent findet man auch in anderen europäischen Ländern wieder. Wir denken aber, dass wir noch zusätzliche Bemühungen machen können, zum einen bei älteren Menschen, zum anderen bei Jugendlichen. Viele Menschen, die mit 55 oder 57 Jahren in den Ruhestand eintreten, haben in ihrem Leben ein gewaltiges Wissen erarbeitet, das es stärker zu nutzen gilt. Daneben ist natürlich die Jugend ein Ansprechpartner. Wer die Jugendbewegungen, -vereine und – häuser sieht, kann nicht behaupten, dass Jugendliche nicht ehrenamtlich aktiv wären, aber hier kann man sicher noch mehr machen. Auch bei den Nicht-Luxemburgern sind weitere Anstrengungen erforderlich.

LW: Das internationale Jahr des Ehrenamtes setzt vier Schwerpunkte: die Anerkennung des Ehrenamtes, der leichtere Zugang, die Vernetzung und die Förderung. Wo liegen die Hauptakzente in Luxemburg?

Marie-Josée Jacobs: Wir haben zehn Arbeitsgruppen eingesetzt, die zurzeit beraten, was in den einzelnen Bereichen getan werden kann und welche Aktivitäten durchführbar sind, um zunächst zu zeigen, was Ehrenamt überhaupt ist und wie man es darstellen kann. Wir sind in der Regierung überein gekommen, nicht den Weg einzuschlagen, das Ehrenamt zu bezahlen. Von Zeit zu Zeit gibt es aber Diskussionen, um diese oder jene Kosten zu erstatten. Wichtig sind vor allem jedoch Versicherungen, damit die Ehrenamtlichen während ihrer Aktivität abgesichert sind. Kosten werden eher über die Vereinigungen rückerstattet als an Einzelpersonen, dies geschieht über Konventionen oder Subsidien.

Eine Arbeitsgruppe untersucht, wie und was man im Umfeld der Vereinigungen verbessern kann. Wir müssen eine unterstützende Funktion für die Organisationen darstellen.

Das Interview führte Roger Nilles / in seiner Gesamtheit nach zu lesen unter www.wort.lu