Dünn und durchsichtig

Dünn und durchsichtig

Artikel von Fraktionssekretär Marc Glesener im “Lëtzebuerger Land” in der Rubrik: Zu Gast im Land

Zwischen Theorie und Praxis liegen meist Welten. Das gilt übrigens auch für die Politik.

Wohlwissend, dass es in keiner anderen Domäne als eben in der Politik wichtiger ist, theoretisch und inhaltlich gefestigt zu sein. Denn wer sich ohne solides programmatisches Fundament in die politische Arena wagt, wird rasch zum Spielball geübter Lobbyisten und entwickelt sich somit unweigerlich zum Verteidiger von Partikularinteressen. Ein Umstand, den nicht zuletzt bestimmte Episoden aus der jüngsten luxemburgischen Vergangenheit klar dokumentieren.

Parteien brauchen nun mal Grundsätze, die ein klares Profil widerspiegeln, die unverwechselbar und somit identitätsgebend sind. Die eigentlichen Unterschiede zwischen politischen Gruppierungen erkennt man gerade in grundsätzlichen Fragen. Leider werden aber genau diese Fragen in den Hintergrund gerückt. Sie werden regelrecht vom politischen Tagesgeschäft und den Zwängen der Aktualität überrollt.

Es bleibt wenig Zeit fürs Grundsätzliches. Und doch. Einige können es nicht lassen und wagen sich in regelmäßigen Abständen in die Niederungen (in Wirklichkeit sind es wohl eher die hohen Sphären) der politischen Grundsatzdebatte hinunter. So auch der ehemalige Vorsitzende der Sozialistischen Arbeiterpartei, der sich vor geraumer Zeit in einem vergleichenden Aufsatz in der Zeitschrift ,,forum” mit den Absichten der politischen Rechten hierzulande auseinander setzte und dabei mehr oder weniger geschickt (meist zwischen den Zeilen) eine ideologische und konzeptuelle Nähe zwischen den Koalitionspartnern CSV und DP mit dem ADR herstellte.

Ein interessanter (wenn auch von vornherein zum Scheitern verurteilter) Versuch des LSAP-Denkers, dessen Griff in die politische Trickkiste ach so typisch für die rezenten Irrungen und Wirrungen der sozialistischen Leader ist. Er dokumentiert die Hilflosigkeit einer Partei, der die 99er Wahlniederlage und der darauffolgende Führungsstreit immer noch schwer zu schaffen macht. Dieser Missmut ist es letztlich auch, der den aktuellen Vorsitzenden der Arbeiterpartei immer wieder zu betont heftigen und herzhaften Auftritten im Parlament oder in den Spalten der Hauszeitung bewegt. Auftritte und verbale Attacken deren Ziel vornehmlich die Christlich-Sozialen sind, die Partei also, mit der 15 Jahre lang einhellig regiert wurde.

Derweil der Parteipräsident – wie beschrieben – fürs Grobe zuständig ist, soll der Amtsvorgänger es auf die intellektuelle Art richten. Mit der Akribie eines Gelehrten hat er allerlei programmatische Vorgaben aufgelistet, die vor allem die CSV in den populistischen Dunstkreis des ADR hinein treiben sollen. Die CSV wird konsequent rechts von der Mitte angesiedelt. Eine pauschale Beschreibung, die meilenweit von dem entfernt ist, was Sache ist.

Doch diese Darstellungsweise entspricht dem strategischen Konzept der LSAP. Fast gebetsmühlenartig wird die CSV als das zu bekämpfende politische Übel an den Pranger gestellt. Die CSV wird als alles umfassende Krake dargestellt, die Luxemburg und die Luxemburger fest im Griff hat.

Machterhalt um jeden Preis, das ist es, was den Christlich-Sozialen vorgeworfen wird. Ein Vorwurf ausgerechnet an die Adresse einer Partei, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg mehr als 30 Prozent Wählerzuspruch erhalten hat und allein aus diesem Zuspruch der Wähler die Präsenz in der Regierung ableitet. Einer Partei, die mit Abstand die erste politische Kraft im Land ist, wird gewissermaßen das Recht abgesprochen, Regierungsverantwortung zu tragen. Das ist – mit Verlaub – ein starkes Stück und zeugt von einem besonders ausgeprägten Demokratieverständnis (!).

Mit der intellektuellen Ehrlichkeit nimmt man es offenbar in verschiedenen Kreisen und Zirkeln ohnehin nicht so genau. Nämlich dann, wenn es um die Auseinadersetzung mit politisch Andersdenkenden geht. Dann spielen vornehmlich Parteiräson und Egoismus.

Von einer überlegten, nuancierten und kritischen Betrachtungsweise bleibt in solche Fällen wenig übrig.

Was bleibt ist die triste Schwarz-Weiß-Malerei: dünn und durchsichtig.

Marc Glesener Fraktionssekretär