Den CSV-Nationalpresident Frank Engel am “Zu Gast im Land”
2021 naht, und man hätte sich gewünscht, wir würden dieses Coronavirus, das uns 2020 gründlich vermiest hat, endlich loswerden. Das wird nicht so sein, das Virus wird sich nicht am 1. Januar 2021 verabschieden, und auch nicht am Jahrestag der ersten Infizierung in Luxemburg, irgendwann im März. Wir werden es noch länger zu Gast haben. Und solche Gäste muss man pfleglich behandeln.
Die Frage für die nächsten Monate wird tatsächlich sein : wie wollen wir längerfristig mit dem Virus umgehen? Von ihrer Beantwortung werden nicht nur Infektions- und Todeszahlen abhängen, sondern vor allem auch, wie wir in unserer Gesellschaft leben und miteinander umgehen.
Es wird eine Impfung geben, doch diese wird nicht binnen ein paar Wochen an alle Einwohner verteilt sein, und es werden Menschen sie nicht haben wollen. Es wird weitere Infektionen geben, auch weitere schwere Krankheitsverläufe, mit allem an intensivmedizinischer Betreuung, was diese verlangen. Die medizinische Versorgung im Land muss sich jedoch dringend wieder normalisieren: der reguläre Spitalbetrieb, mit geplanten Operationen und halbwegs normalen Dienstzeiten des Personals, muss zurückkehren. Das müsste eigentlich bedeuten, dass man erstens die Kapazitäten so ausweitet, dass sie bis ans “Ende” dieser Pandemie stets ausreichend sein werden, und zweitens eine räumliche Trennung vollzogen wird zwischen Covid-Medizin und nicht-Covid-Medizin. So etwas hätte im übrigen längst passieren müssen. Es ist aber nicht passiert. Deshalb muss es jetzt passieren.
Infektionsketten sind nicht nachvollziehbar, wenn es zu viele Infektionen gibt. Mit informatischer Hilfe wären sie allerdings sehr viel nachvollziehbarer, als durch rein manuelles Vorgehen. Eine Corona-App, die ein effektives Tracing erlaubt, bleibt nötig, und es müsste endlich eine positive Kommunikation zu einer solchen App beginnen, die dazu führt, dass ein solches Hilfsmittel von der Bevölkerung angenommen und genutzt wird. Dies ist in weiten Teilen der Welt der Fall, auch in einigen Ländern Europas, wo die Akzeptanz quasi einmütig ist, und die Nutzung bei zwei Dritteln der Bevölkerung liegt. So etwas würde bei auch bei uns helfen. Es war von der Regierung nie gewollt. Es solle jetzt gewollt werden. Gerade jetzt, wo wir einfach wissen, dass angesichts astronomischer Infektionszahlen in den letzten beiden Monaten definitiv kein manuelles Tracing mehr möglich war.
Es werden Pläne gebraucht. Stufenpläne zur Einführung progressiver Massnahmen, ab dem Erreichen von bestimmten Grenzwerten – Infektionen, intensiv behandelte Patienten, Sterbefälle, R-Zahl, was auch immer: es soll bloss endlich passieren. Pläne für Alters- und Pflegeheime, für die Schule, für die Kultur, für den Sport. Diese Pläne müssten auch zu einer wesentlich besseren Massnahmenkohärenz führen. Wenn wir im ersten Lockdown im Frühjahr keine Ausgangssperre gebraucht haben, wieso brauchen wir dann jetzt eine, wobei alle Begegnungsstätten geschlossen und Versammlungen verboten sind? Wieso konnten Restaurants geschlossen werden, während noch wochenlang regelrechte Shoppingorgien stattfanden? Die Akzeptanz von Regeln in einer demokratischen Gesellschaft hängt immer davon ab, ob sie als nützlich, verständlich und angebracht empfunden werden. Da ist noch viel Luft nach oben.
Wir können als Gesellschaft mit dem Virus leben, ohne uns jeden Monat mit neuen Regeln zu plagen. Das setzt etwas Planung, etwas Entschlossenheit und etwas Bereitschaft voraus, nun endlich alle Optionen auf einen Tisch zu legen, und gemeinsam jenen Cocktail daraus zu mixen, der die Präsenz des Virus längerfristig erträglich macht. Die Gesellschaft als Ganzes wäre dafür dankbar. Und sie würde der Politik mehr vertrauen.
Frank Engel, CSV-Nationalpräsident
Source: Lëtzebuerger Land, 24. Dezember 2020