„Große Lust Strukturreformen anzugehen“

3 Fragen an François Biltgen:

In der Presse geht öfters die Rede vom amtsmüden François Biltgen, der den Gedanken hegt aus der Regierung auszutreten. Trifft das zu?


Nein! Ich habe aufgrund gesundheitlicher Rückschläge in den letzten 10 Jahren meine Lebensweise angepasst. Man sieht mich daher heute auch weniger in der Öffentlichkeit als früher.  Ich aber nach wie vor große Lust die anstehenden bedeutenden Strukturreformen durchzuziehen und ich konzentriere mich auf diese Aufgabe.
Diese Vorgehensweise ist nicht unbedingt popularitätsfördernd. Man muss aber immer damit leben können, nicht mehr in der Politik zu sein. Hauptsache: man hat seine Aufgaben im Sinne von Land und Leuten gemacht. Ich will das umzusetzen, was im CSV-Programm und im Regierungsabkommen steht, wie z.B. die Strafvollzugreform, die ich auf den Instanzenweg gebracht habe oder die Vorbeugung der Konkurse, die ich im Frühling vorstellen werde.


Als da wäre ja dann auch die Reform im öffentlichen Dienst.


Ich habe 2009 als Parteipräsident das CSV-Wahlprogramm verteidigt, in dem eine Reform des öffentlichen Dienstes angekündigt wurde. Die nun ausgearbeitete Reform, die nicht gegen den Staatsbeamten gerichtet ist, soll den öffentlichen Dienst am Bürger verbessern.
In einem kleinen Land wie Luxemburg ist ein effizienter öffentlicher Dienst extrem wichtig.  Das Statut des öffentlichen Dienstes bietet dem Beamten  eine gut bezahlte Lebensstellung und garantiert ihm eine angemessene Karriere. Das ist allerdings kein Selbstzweck. Es geht darum, dass der Staat, dass der öffentliche Dienst neutral ist und bleibt sowie ohne politische Einflussnahme dem Bürger optimale Dienste bieten  kann. Das ist wichtig! Den Frisör oder Anwalt kann man wechseln, wenn man unzufrieden ist, beim Steuerbeamten, Lehrer oder Richter hat man diese Möglichkeit als Bürger nicht.
Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass jeder Staatsbeamte optimal arbeiten kann und arbeiten will. Es ist daher vorgesehen  im öffentlichen Dienst nicht mehr nur Schuldiplom und Dienstjahre zu beachten, sondern mehr Wert legen auf persönlichen Einsatz und Verantwortung. Auch wollen wir Anerkennung, internen Aufstieg, auswärtige Erfahrung und Weiterbildung stärker fördern.
Wir haben in diesem Sinne letztes Jahr ein gutes Abkommen mit der CGFP ausgearbeitet. Allerdings ist  die einzig national repräsentative Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst jetzt  unter den massiven Druck von anderen Gewerkschaften geraten. Ich hoffe trotzdem im Dialog  eine gemeinschaftliche Umsetzung des Abkommens erreichen zu können.


Ein anderes aktuelles Thema sind die Studienbörsen. Da gibt es eine Klagedrohung von Seiten der Europäischen Kommission. Was werden Sie unternehmen?


Die Studienbörsen sind  Teil der Luxemburger Hochschulpolitik und nicht der Sozialpolitik. Deshalb werde ich gegenüber der Kommission nicht nachgeben können.
Dies erstens, weil ein Urteil  im Sinne der EU-Kommission allein aus Kostengründen bedeuten würde, dass wir es unseren Studenten nicht mehr ermöglichen könnten überall auf der Welt das zu studieren was sie wollen. Die Alternative zu den Vorbehalten der Kommission wäre natürlich, dass wir wie – fast alle! – anderen EU-Staaten nur Beihilfen vorsehen würden um in Luxemburg zu studieren! Das wäre ein Rückschritt.
Zweitens sind wir mit unserem System der Mobilitätsförderung Bolognakonform. In den meisten anderen EU-Ländern ist es nicht nur so, dass man auch im Land wohnen muss um in den Genuss der Beihilfen zu kommen, sondern dass es auch äußerst schwierig ist diese Studienbörse mit ins Ausland zu nehmen.
Hinzu kommt, dass es nach wie vor in Europa direkte und indirekte Zugangsbegrenzungen gibt für Studenten, die ihren festen Wohnsitz nicht in dem Land haben in dem sie studieren oder dessen Nationalität sie nicht haben.
Wenn wir der Europäischen Kommission nachgeben würden, dann könnte z.B. der in Arlon lebende belgische Student, dessen Vater im Großherzogtum arbeitet,  vom Luxemburger Staat Beihilfen bekommen, um in Lüttich Krankengymnastik zu studieren. Ein belgischer Student aber, der in Steinfort  lebt, würde wegen der Numerus clausus Regelung  nicht in Lüttich zugelassen. Wäre dies gerecht?