Einstieg in den Ausstieg

Die Energieeffizienz und die Nutzung der erneuerbaren Energien im Fokus

Dr.- Ing. Marcel Oberweis

Die langfristige, sichere und nachhaltige Energieversorgung sowie die Folgen des Klimawandels für den Menschen und die Biodiversität stehen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen und politischen Diskussionen, dies in einem verstärkten Maß nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Die Anpassung an den Klimawandel, die Verringerung bezüglich der Gefahren für die Ökosysteme und die Gesundheit der Menschen sowie die Unterstützung der Wirtschaft stellen die Kernelemente der aktuellen Politik dar.

Der Ausstieg aus der Atomenergie und die Schließung der Kernkraftwerke in unserer Grossregion werden gefordert. Wissend, dass im luxemburgischen Energiemix die Atomenergie mit etwa 27 Prozent beteiligt ist, drängt sich die Frage auf, ob denn die Menschen ihren Verbrauch an elektrischer Energie um diesen Betrag verringern werden. Es geht hier um Glaubwürdigkeit, der Nimby-Effekt gilt nicht. Wir werden nunmehr mit der Aussage konfrontiert:„Du lebst in einer Scheinwelt, in der du die Energie ohne Verantwortung hemmungslos vergeudest. Mit der von dir pro Jahr verschwendeten Energiemenge könnten die Bewohner einer kleinen Siedlung in Afrika ein Jahr lang leben.“ Allein das Wissen, dass durch die Verringerung des Energieverbrauchs um 1 Prozent in der Europäischen Union auf die Kohleverbrennung in 50 Großkraftwerken verzichtet werden kann, müsste uns doch zum Handeln anspornen.

Es wurde bereits des Öfteren darauf hingewiesen, dass etwa 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu den modernen Energieformen haben, und nun, wo auch diese ihren gerechten Anteil am Energiekuchen einfordern, beginnen die weltweiten Spannungen angesichts der sich leerenden „Energietöpfe“. Noch schwieriger wiegen die Hinweise des rasch steigenden Meeresspiegels, die nicht geklärte Frage der Endlagerung des atomaren Abfalls, die quälende Wasserknappheit und die um sich greifende Verwüstung riesiger Landstriche. Die Lebensqualität von Hunderten Millionen Menschen verringert sich zusehnd..

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage erlaubt, ob wir uns bewusst sind, dass sich der weltweite Verbrauch an Erdöl auf nahezu 89 Millionen Barrel pro Tag erhöht hat, davon allein 14 Millionen für die Europäische Union mit ihren 500 Millionen Einwohnern. Mittlerweile nähert sich der Preis pro Barrel Erdöl der 130 $ – Marke und noch erkennt man nicht das Ende der Fahnenstange. Bei näherer Betrachtung lässt sich unschwer unter Berücksichtigung der nachgewiesenen weltweiten Erdölreserven ausrechnen, dass die statische Reichweite für das Erdöl nur noch 40 Jahre beträgt, der „oil peak“ liegt den Aussagen der Experten bereits hinter uns. Beim Erdgas werden etwa 65 Jahre veranschlagt, ebenfalls eine überschaubare Zeitspanne. Man möge sich darüber hinaus bewusst werden, dass die OPEC knapp 45 Prozent zur Welterdölproduktion beisteuert und über 80 Prozent der Erdölreserven verfügt.

Nicht nur die Industrieunternehmen, die Klein- & Mittelunternehmen, der Verkehrsbereich, der Dienstleistungsbereich, sondern auch die Haushallte stehen hier in der Pflicht. Gerade im Bereich der Wohnungen erkennt man ein hohes Energiesparpotenzial. Der nun vorgelegte „Paquet Logement“ beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen zur Verringerung des spezifischen Energieverbrauchs u.a. durch den Bau von Niedrigenergie- und Passivhäusern. Darüber hinaus werden neue Akzente im Verkehrsbereich gefordert, dies nach dem Motto:„Die Zeit der billigen Energie ist nun endgültig vorbei“.

Die Europäische Kommission hat des Öfteren darauf hingewiesen, dass die europäische Energieversorgung heute zu rund 83 Prozent auf den fossilen Energieträgern beruht, zu 10 Prozent auf den erneuerbaren Energien und zu 7 Prozent auf der Kernkraft. Sie zeigt auch in vielen Studien auf die Tatsache hin, dass wir hinsichtlich des Erdölverbrauchs im Jahr 2030 zu 90 Prozent von Importen abhängig werden. Beim Erdgas sieht die Lage nicht weniger rosig aus, dessen Abhängigkeit wird auf 80 Prozent steigen. Es wird auch verlangt, die Treibhausgasmissionen bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu verringern, bis 2050 sogar um 85 bis 90 Prozent, fürwahr eine gigantische Herausforderung.

Wissend, dass die Erzeugung der elektrischen Energie immer stärker dezentral erfolgt, werden die Großkraftwerke, beruhend auf den fossilen Energien und die Krankraftwerke immer mehr aus dem Energiepark verdrängt. Den Energieerzeugern mittlerer und kleiner Leistung gehört die Zukunft, sie erzeugen die geforderte elektrische Energie bedarfsgerecht. Dazu gehören auch die off-shore Windenergieanlagen, die Biomasseanlagen und die Solarkraftwerke, welche in das Europa umspannende Hochspannungsnetz einspeisen. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass die erneuerbaren Energien nicht ständig nutzbar sind. Wenn das Braunkohlekraftwerk etwa 8300 Stunden unter Volllast gefahren werden kann, beträgt dieser Wert für die Windenergieanlage nur 2000 Stunden und für die Photovoltaikanlage nur 1000 Stunden. Der mögliche Ausfall eines Großkraftwerkes erforderte bisher die Reservehaltung in gleicher Größenordnung; mit dem neuen Konzept der dezentralen Energieeinspeisung mit Erzeugern geringer Leistung stellt sich dieser Aspekt neu. Die Schwankungen und die möglichen Ausfälle der dezentralen Erzeugereinheiten ausgleichen, bedingt dezentral installierte Energiespeicher, die  die nötige Reserve anbieten. Es handelt sich demzufolge um ein europäisches nachhaltiges Investitionsprojekt, welches von Portugal bis nach Estland und von Zypern bis nach Irland reicht. Neben der sicheren Energieversorgung aus heimischen Energieträgern darf nicht vergessen werden, dass es durch  die Nutzung der erneuerbaren Energien und des effizienten Energieverbrauchs zur Schaffung von Arbeitsplätzen kommt sowie zur erhöhten Wertschöpfung in Luxemburg und in der Grossregion.

Das Zeitalter der tief greifenden Änderungen in der Energiewirtschaft ist angebrochen und das Motto:„Die Ressourcen ausräubern, nur um den eigenen Wohlstand zu steigern.“ gehört nunmehr der Vergangenheit an. Bedenkt man, dass der Klimawandel globale Ausmaße annimmt und die Auswirkungen an jedem Punkt der Welt spürbar werden, lässt den Schluss zu, dass alle Menschen für dieses Dilemma bezahlen müssen. Und wer trägt die Verantwortung? Die reichen 20 Prozent dieser Erde verbrauchen mehr als die restlichen 80 Prozent der Weltbevölkerung, hier versteckt sich die tickende soziale Bombe.

Der „Ausstieg aus der Atomenergie“ hin zum „Zeitalter der erneuerbaren Energien und der Energiesuffizienz“ wird nicht einfach werden. Allein der Umstand, dass die Deckungslücke an elektrischer Energie durch den Bau von Erdgaskraftwerken und dem Wiederanfahren eingemotteter Kohlekraftwerkle geschlossen wird, bedingt die Erhöhung der Treibhausgasemissionen. Dies wird eine negative Rückkopplung auf den Klimawandel haben. Damit wir nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, bedarf es des nachhaltigen Ausstiegs – auch in unseren Köpfen und gerade hier liegt die Kraft des Wechsels. Hoffentlich erkennen wir unsere Chance?