Es steht außer Zweifel: Die dramatische Lage in den japanischen Atomkraftwerken – ausgelöst durch die verheerenden Erdbeben und die Tsunamikatastrophe – lässt die Politik nicht kalt und gleichgültig. Im Gegenteil, eine tiefe Unruhe ist spürbar. Gegner sowie Befürworter von Kernenergie können nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Die Ereignisse in Japan haben eine längst notwendige Debatte über die Atomenergie im Allgemeinen und die Sicherheit von Kraftwerken im Besonderen ausgelöst. Eine Diskussion, die auch in Luxemburg zu führen ist: Stichwort Cattenom.
Ein Kernkraftwerk, vor dem Hintergrund permanent auftretender Störfälle, das unbedingt einer umfassenden Sicherheitsprüfung zu unterziehen ist. Ein Kraftwerk, dessen Betreiber zwar Informationen liefert, allerdings oft unbekümmert diese erst Tage nach Problemfällen bekannt gibt. Es ist demnach eine berechtigte Sorge der Luxemburger hier nachzuhaken. Ein Kraftwerk das, infolge einer leider weit verbreiteten Unart, direkt an der Landesgrenze steht, was zur Konsequenz hätte, dass bei einem ernsten Störfall zwei Drittel der Luxemburger Bevölkerung evakuiert werden müssten.
Die gesamte internationale Energiepolitik steht auf dem Prüfstand, aus Gesundheits- und Umweltgründen, jedoch nicht nur! Auch Konsequenzen auf Wirtschaft und Gesellschaft werden nicht ausbleiben. Und diese sind auch nur vage abzuschätzen; bereits heute stehen Aktienkurse und Rohstoffpreise weltweit unter Druck. Politik und Wirtschaft sind zum Handeln aufgerufen. Vieles muss hinterfragt und revidiert werden.
Klare Konzepte
In diesen Tagen steht primär die Katastrophe im Blickpunkt, und wir alle hoffen, dass nun wirklich das Schlimmste verhindert werden kann. Doch wir können uns drehen und wenden wie wir wollen: Kernkraftwerke sind keinesfalls absolut sicher. Die Technikbeherrschung stößt an Grenzen. Nicht alle Risikofaktoren sind abzuschätzen, und es bedarf nicht immer einer Naturkatastrophe: dies war der Fall in Tschernobyl, als der Reaktor bei vollem Betreib durch Instabilitäten eine unkontrollierte Kettenreaktion auslöste. Dies war auch der Fall im amerikanischen Three Miles Island, als der Reaktor sich automatisch abschaltete, in der Folge Kühlmittel verloren ging und durch Nachzerfallswärme ein Teil des Reaktorkerns schmolz. Beides Unfälle, die zu einer massiven Gefährdung von Mensch, Umgebung und Umwelt führten.
Noch vor wenigen Monaten schien die Kernenergiebranche im Aufwind zu sein, besonders weil die Technologie im Hinblick auf ihre CO2-Bilanzen Vorteile auf andere Kraftwerke aufweisen kann. Nunmehr sind die alten Ängste und Sorgen wieder zu neuem Leben geweckt worden; Ängste und Sorgen, die noch vor 30 Jahren eine ganze Generation auf die Straßen brachte. Das Nachdenken über eine Trendwende, über notwendige Alternativen und über neue energiepolitische Wege rücken in allen Staaten in den Mittelpunkt; wenn gleich auch einige Länder an der Kernkraftnutzung scheinbar unbeirrt festhalten wollen.
Panikreaktionen sind sicherlich nicht angebracht. Dennoch besteht Handlungsbedarf. Als sich vor 20 Jahren das Tschernobyl-Szenario abspielte, machte der Ruf nach einem raschen Austritt die Runde. Doch bereits nach wenigen Monaten verstummte der laute Ruf. Die apokalyptischen Szenarien und die Atomangst ebbten ab. Die Atomlobby setzte zu einem Siegeszug an. Heute darf die Frage erlaubt sein, ob damals die richtigen Konsequenzen gezogen wurden?
Bis zu 15 Prozent der weltweiten Energieerzeugung werden aus über 400 Atomanlagen bereit gestellt! Wie auch immer, fossile und alternative Energieträger werden nicht von heute auf morgen Ersatz bieten. Die Entwicklung alternativer Energieträger ist jedoch in den letzten Jahren zu sehr vernachlässigt worden: Schließlich kommt der Strom immer noch aus der Steckdose und die wenigsten Menschen stellten sich bis letztes Wochenende die richtigen Fragen. Der Weg der Zukunft muss daher lauten: Sonnen- und Windenergie sowie die effizientere Nutzung von Gas, Kohle und Öl. Damit dieser Weg auch konsequent beschritten werden kann, braucht es Innovation und Forschung, klare Konzepte und den Willen, sich zur alternativen Energie zu bekennen. In diesem Punkt sind wir alle gefordert: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ja, und auch jeder Einzelne von uns.
Dr. Martine Mergen
CSV-Abgeordnete