von Dr.-Ing. Marcel Oberweis
Heute lebt mehr als die Hälfte der 7 Milliarden Menschen in den Städten. Bedingt durch die prekäre Lage haben viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gegenden der Schwellen- und Entwicklungsländer nur ein Ziel vor Augen: In die Städte wandern. Im Jahr 1950 lebten erst 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten und im Jahr 2030 werden es, laut den Schätzungen der Vereinten Nationen, bereits 60 Prozent sein.
Die Folgen dieser Landflucht sind eindeutig: die ältere Generation bleibt zurück und fristet ein karges Leben, die Jugendlichen vergrößern die Elendsviertel in den Megastädten. Dort herrschen teilweise katastrophale Lebensbedingungen, es gibt weder sauberes Wasser noch sanitäre Einrichtungen und die elektrische Energie ist nicht vorhanden. Während der Zeitspanne 2000 bis 2009 wuchs die Zahl der Bewohner von etwa 770 Millionen auf etwa 830 Millionen Menschen in den Elendsquartieren.
Die Megastädte u.a. Kairo, Mumbai, Lagos, New Delhi, Sao Paulo, Djakarta, Beijing und Mexiko-City sehen sich, angesichts der auf sie zuströmenden Menschenmassen, außerstande, die notwendigen Infrastrukturen bereitzustellen. Besonders in Afrika ist der Trend zur Urbanisierung sehr deutlich ausgeprägt. In einigen Gebieten der Welt leben 50 Prozent, in Afrika südlich der Sahara über 70 Prozent der Stadtbevölkerung in den Elendsquartieren.
Man versteht unter Megastädte dicht besiedelte städtische Zentren mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Es gibt bereits Ballungsräume, angeführt vom Raum Tokio-Yokohama mit etwa 37 Millionen, New Delhi mit 25 Millionen, Seoul mit 23 Millionen und Mexiko-City mir 20 Millionen Einwohnern, die diese Zahl überschreiten. Von den größten Megastädten liegen 20 im asiatischen Raum und in Lateinamerika. Man erwartet, dass die Megastädte der Schwellen- und Entwicklungsländer den Motor für das Anwachsen der Weltbevölkerung in den kommenden Jahrzehnten darstellen.
Die sich verschärfenden Probleme und die Konzentration von Armut bergen zahlreiche soziale, ökologische sowie wirtschaftliche Risiken; die nachhaltige Entwicklung der Megastädte kommt zum Erliegen. Die ungenügende Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die überlasteten Verkehrswege, die gravierende Umweltverschmutzung, die unzureichende Versorgung mit gesunden Lebensmitteln, das prekäre Gesundheitswesen sowie die steigende Arbeitslosigkeit und die Bereitstellung von würdigem Wohnungsangebot stellen die Verantwortlichen vor schier unüberwindbare Hürden. Neben diesen fast unlösbaren Problemen untergräbt die hohe Kriminalität praktisch jede Hoffnung auf Besserung. In einem verheerenden Maß trifft es die Jugendlichen, die ohne Arbeit und Erwerb in den Elendsvierteln leben.
Die hohe Bevölkerungsdichte ruft die unkontrollierte Flächenexpansion hervor, immer stärker „fressen“ sich die Megastädte in ihr Umland hinein. Aufgrund der ungenügenden Nahrungsmittelproduktion in den kargen Landstrichen um die Ballungsräume bleiben die Verteilungskonflikte nicht aus und die Übernutzung der Wasserreserven wird diese noch verschärfen. Bedingt durch den wachsenden Reichtum der Mittelschicht sowie der globalisierten Wirtschaft kommt es durch den Straßenverkehr und die Industrieunternehmen zu einer teilweise extremen hohen Luftverschmutzung in den Megastädten. Hinsichtlich der Kohlenmonoxid-, der Schwefeldioxid- und der Bleiemissionen sowie der Staubbelastung überschreiten die Emissionswerte diejenigen der Großstädte in den industrialisierten Ländern um ein Mehrfaches.
Ein weiteres Problem, mit dem sich die Megastädte schwer tun, stellt die Beseitigung der anfallenden Müllmengen dar. In den meisten Fällen stehen weder gesicherte Deponien noch adäquate Verbrennungsanlagen zur Verfügung, sodass der Abfall in den Slums liegen bleibt, resp. über die Abwässerkanäle in die Flüsse und das Meer gelangt. Die Folgen sind verheerend, die Biodiversität wird vernichtet und die Lebensqualität der Menschen nimmt dramatische Züge an: Eine Zukunft ohne Hoffnung.
Bei näherer Betrachtung wird die trostlose Lage der Menschen in den Megastädten noch deutlicher, der tiefe soziale Graben zwischen den Reichen und den Armen weitet sich beständig aus. Die hohen Investitionen u.a. im Straßenbau, für die Abwasserversorgung sowie die Reinigung der Flüsse in den Schwellen- und Entwicklungsländern, werden sie denn getan, nutzen vielfach nur der reichen Minderheit.
Führen uns nicht die verheerenden Zustände angesichts der Flutkatastrophe in Pakistan vor Augen, mit welch gigantischen Problemen sogar die aufstrebenden Entwicklungsländer zu kämpfen haben? Es stellt sich nunmehr die Frage, wie die in die Metropolen geflüchteten Menschen wieder in die ländlichen Gegenden zurückgebracht werden sollen, dort, wo das Land verwüstet und die Zukunft wenig Hoffnung verspricht.
Die gleichen Chancen für alle Menschen einfordern, dies gemäß den geforderten Millenniumsentwicklungszielen, muss aus ethischen Gründen das erste Gebot werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur langfristigen Friedenssicherung – dafür benötigen wir aber das Engagement aller Menschen auf dem Planeten.