Dr.- Ing. Marcel Oberweis
Der Klimawandel ist bereits so weit fortgeschritten, dass die Menschheit es nicht mehr schaffen wird, die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität in ihrer vollen Breite zu verhindern. Die rezenten verheerenden Überschwemmungen in Asien, die riesigen Wald- und Buschbrände in Australien, in Russland, in Kanada und der Europäischen Union lassen erahnen, wohin sich unser Klima bewegen wird.
Die wissenschaftliche Debatte um die Ursachen der globalen Erwärmung ist beendet, die Forschungsergebnisse liefern die erdrückende Beweislage dafür, dass der Mensch hauptverantwortlich für den gegenwärtigen Klimawandel ist. Durch die Verbrennung der fossilen Energieträger wurden etwa 30 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr 2009 in die Atmosphäre eingebracht. Man schätzt, dass etwa 2000 Milliarden Tonnen CO2 seit dem Beginn des industriellen Zeitalters im Jahr 1769 emittiert wurden und dies zu über 90 Prozent in den Industrieländern. Es möge aber nicht verschwiegen werden, dass laut der Internationalen Energieagentur in Paris, das aufstrebende Schwellenland China den Spitzenplatz bezüglich der Treibhausgasemissionen mit 2265 Millionen Tonnen vor den USA mit 2169 Millionen Tonnen im Jahr 2009 eingenommen hat. Sich dieser Tatsache bewusst, wird China 738 Milliarden $ in den Ausbau der erneuerbaren Energien in den kommenden 10 Jahren investieren, um die Lebensqualität seiner Einwohner zu verbessern.
Es ist unbestritten, dass sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 280 ppm zu Beginn der Industrialisierung auf mittlerweile 390 ppm hochgeschraubt hat; die global gemittelte Lufttemperatur hat sich in den letzten hundert Jahren um 0,8 ºC erhöht. Auf den unterschiedlichen Konferenzen wird ständig verlangt, die Erdatmosphäre nicht mehr als maximal 2 Grad C über das vorindustrielle Temperaturniveau zu erhöhen. Zur Einhaltung dieser geforderten Leitplanke wird verlangt, dass eine Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um etwa 50 % gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 erforderlich ist. Es leuchtet ein, dass die Industrie- und die aufstrebenden Schwellenländer einen höheren Beitrag einbringen müssen als die Entwicklungsländer.
Der ungebremste Klimawandel wird den Alltag von Milliarden Menschen in den Industrie-, den Schwellen- und den Entwicklungsländern erheblich verändern und zur Destabilisierung beitragen. Ströme von Migranten, aus ihrer Heimat vertrieben, werden sich nach anderen Landstrichen hin bewegen und dort soziale Spannungen entfachen.
Da der Klimawandel eine direkte Konsequenz des Verbrauchs von Kohle, Erdgas sowie Erdöl ist, wird verlangt, weltweit immer weniger fossile Energie zu nutzen und vermehrt auf die erneuerbaren Energien zu setzen. Das Umdenken hat begonnen, noch zaghaft, aber die Eigendynamik wächst stetig und bringt das gesamte Energieversorgungssystem ins Wanken. In den vor uns liegenden 40 Jahren soll die umweltfreundliche Energieversorgung auf Basis der erneuerbaren Energien aufgebaut und die rationelle Energieverwendung gesteigert werden.
Die Energieversorgung auf Nachhaltigkeit trimmen
Die zukünftige Energieversorgung gestaltet sich sicherlich komplexer als die aktuelle, hauptsächlich auf dem Einsatz von Großkraftwerken und einem ausgedehnten Energieverteilungsnetz beruhend. Es werden zukünftig unterschiedliche Energiequellen genutzt und eine Vielzahl von Einspeisepunkten an das Stromverteilungsnetz angeschlossen, die Energiewirtschaftler sprechen von „smart grids“ resp. der dezentralen Energieversorgung.
Da sich die Europäische Union dazu ausgesprochen hat, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Energieversorgung auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen, wird auch unser Land sich an diesem Prozess beteiligen. Auf dem geforderten nachhaltigen Weg hat sich die Regierung eine Reihe von politischen Instrumenten in die Hand gegeben u.a. das Umweltgesetz vom 18. Februar 2010, mittels welchem die Investitionen in Umwelttechnologien seitens der Unternehmen unterstützt sowie die Energieerzeugung auf der Basis der erneuerbaren Energien gefördert werden.
Während einem rezenten Ministerrat hat die Regierung ein weiteres ambitiöses Paket hinsichtlich der Nutzung von erneuerbaren Energien verabschiedet. Mittels des Aktionsplans soll der Anteil der „Umweltenergien“ in der Energieversorgung auf 11 Prozent bis 2020 angehoben werden. Es sollen etwa 830 Millionen Euro in diesem aufstrebenden Wirtschafsbereich investiert und fast 2000 neue Arbeitsplätze bis 2020 geschaffen werden.
Um die 11 Prozentanteile, immerhin 465 GWh, zu erreichen, werden die einzelnen Umweltenergien „angezapft“. Das Aufstellen von zusätzlichen Windkraftparks auf ausgewählten Berghügeln und von Photovoltaikanlagen auf den Gebäuden und Häusern sowie auf Freiflächen erlauben die Erzeugung elektrischer Energie und Leistung. Mittels der Solarkollektoren und der Wärmepumpen wird die benötigte Wärmeenergie aus der Sonne und der Umwelt gewonnen; dies wird die Kyoto-Bilanz nachhaltig verbessern.
Die dezentral aufgestellten Biomasseanlagen werden sowohl elektrische Energie und Leistung als auch Wärmeenergie bereitstellen. Werden erstere in das Niederspannungsverteilungsnetz eingespeist, so wird letztere zum Teil am Ort der Erzeugung verbraucht, aber auch in die aufzubauenden Nahwärmenetze resp. in als Erdgasnetz eingespeist. Als ein gravierender Nachteil darf nicht verkannt werden, dass die erzeugte Energie und Leistung in variabler Menge anfallen. Um diesen auszugleichen, werden verstärkt dezentrale Speichereinheiten in die unterschiedlichen Netze eingebracht.
So soll z.B. durch den Bau der 11. Pumpturbineneinheit von 200 MW im Pumpspeicherkraftwerk Vianden die Möglichkeit geschaffen werden, den „überschüssigen Windstrom“ im Fall von geringerer Nachfrage im Netz oder beim Auftauchen einer starken Windbö auf dem Meer, als überschüssige Energie kurzzeitig zu speichern.
Die Nutzung der erneuerbaren Energien wird ohne Zweifel einen Paradigmenwechsel bei den Mitbürgern in unserem Land hervorrufen. Angesichts der Tatsache, dass von den fast 200000 Haushalten, die elektrische Energie beziehen, sich bisher weniger als 10000 für die Nutzung von „grüner“ Energie entschlossen haben, spricht Bände, wohlwissend, dass dies nur eine Mehrausgabe von 25 Euro im Jahr für einen Vierpersonenhaushalt bedeutet. Mittels dieser Mehrausgabe werden die erneuerbaren Energien in der Europäischen Union ausgebaut.
Wo werden wir die Bergkoppen vorfinden, um die geforderten Windkraftanlagen aufzustellen, wo die Biomasseanlagen im ländlichen Raum errichten, wo die unzähligen Photovoltaikanlagen errichten? Sicher werden wir uns an einigen offshore-Windenergieparks in der Ost- und der Nordmeer beteiligen. Dies macht Sinn, aber wir müssen ebenfalls einen nationalen Kraftakt durchführen. Immerhin liegt eine Studie des Fraunhofer Institut aus dem Jahr 2006, laut welcher das Ausbeutungspotenzial an erneuerbaren Energien vielfach höher ausfällt.
Der Beimischung von Biokraftstoff in Höhe von 10 Prozent kann ich nicht beistimmen, auch wenn vermerkt wird, dieser trage ein nachhaltiges Herkunftszertifikat. Ein realistischer Blick über die europäischen Grenzen hinweg zu den riesigen Rodungsflächen, wo Millionen Palmölpflanzen gesetzt werden, um später als „grüner“ Biosprit in die Europäische Union verschifft zu werden, sollte uns die Augen öffnen und diesen Weg als nicht nachhaltig ansehen lassen.
Auch wenn ich in den CDM ein wichtiges Instrument des Kyoto-Protokolls als eine Zusatzmöglichkeit erkenne, so darf dies nicht dazu verleiten, zaghaft in Luxemburg handeln. Nur mit der Geldbörse winken, darf und kann nicht angehen, diese Handlung wäre unangebracht, wäre auch wirtschaftlich wie nachhaltig eindeutig der falsche Weg.
Im weiteren Gefolge dieses technologischen Umbruchs werden die bisher voneinander losgelösten Teile der Energieversorgung künftig mehr und mehr zusammenwachsen. Die dezentrale Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien und die dezentralen Speicher, die Elektrofahrzeuge sowie die Kontroll- und Messgeräte werden durch ein intelligentes Netz zusammengeführt und schaffen eine vollkommen neue Energiewelt.
Die Elektroflotte als nachhaltiger „Puffer“
Eine weitere Absicht der Regierung stellt der Aufbau einer Elektroflotte von 20000 Elektroautos im nationalen Fuhrpark bis 2020 dar. Ein mit Lithium-Ionen-Akkumulator bestücktes Fahrzeug soll nicht nur mit elektrischer Energie fahren, sondern ihn auch speichern können. Bei Stromüberschuss im Verteilungsnetz wird der Akkumulator zu niedrigen Preisen aufgeladen, in Zeiten großen Bedarfs im Netz kann die gespeicherte Energie zum höheren Preis wieder abgegeben werden. Es tut sich hier ein weit gefächertes Feld der Nutzung der erneuerbaren Energien auf und ein gigantischer Bereich in der nachhaltigen Mobilität auf.
Vor dem Hintergrund der neuesten technologischen Entwicklung wird demzufolge immer deutlicher, dass die erneuerbaren Energien langfristig das Potenzial haben, die gesamte globale Energieversorgung zu gewährleisten. Während einer Übergangszeit von mehreren zig Jahren müssen wir wohl weiterhin die fossilen Energieträger nutzen; die Gewinne der schon abgeschriebenen Kernkraftwerke müssen hingegen unverzüglich für den Ausbau der erneuerbaren Energien bereitgestellt werden.
Es leuchtet demzufolge ein, dass es eine vernetzte Stromübertragung und einen deutlichen Ausbau der Energiespeicher geben muss, wenn die Europäische Union die 20 Prozent-Marke und Luxemburg die 11 Prozent-Marke erreichen wollen. Noch schneller werden wir diese Ziele erreichen, wenn die überschüssige elektrische Energie aus der Sahara nach Norden mittels der Hochspannungsgleichstromleitungen transportiert wird. Eine wirtschaftliche win-win-Situation für die Europäische Union als auch für die Maghreb-Staaten sowie die Anrainerstaaten der Sahelzone wird die Konsequenz dieses mutigen Schrittes sein.