Keine Alternative

Gewerkschaften, Patronat und vor allem die Politik haben in den vergangenen Wochen kein gutes Bild abgegeben. Tugenden, die einmal die Stärke des luxemburgischen Sozialmodells ausgemacht haben, sind unter die Räder einer zugespitzten Konfrontationslogik geraten.

Die Folge: Das aktuelle sozialpolitische Klima wird nicht mehr von Gesprächsbereitschaft bestimmt, sondern zunehmend von Klischees geprägt: Das Klischee des Unternehmers, der für möglichst hohe Profite bereit ist, über (soziale) Leichen zu gehen, das Klischee des Gewerkschaftlers, der alle Probleme leugnet und ein Maximum an Forderungen durchsetzen will, das Klischee des Politikers, der es jedem und allem Recht machen will.

Es ist jetzt Zeit, damit aufzuhören, diese Klischees zu pflegen. Wir müssen die Kraft aufbringen, aus der Konfrontationslogik, die riskiert, uns geradewegs in die Sackgasse zu führen, auszusteigen. Wir müssen uns wieder auf die traditionellen Stärken des luxemburger Modells besinnen: Gesprächswille, Verständnis für die Anliegen des Verhandlungspartners und besonders Kompromissbereitschaft.

Wir haben zusammen – und dazu gehören auch die nicht-luxemburgischen Mitbürger und die Grenzgänger – viel erreicht. Wer vor wenigen Jahrzehnten vorhergesagt hätte, dass unser Land eines Tages weltweit mit das dichteste Sozialnetz und den höchsten Wohlstand aufweisen würde, wäre als Utopist verlacht worden.

Wir haben dies erreicht, weil wir als Kollektivität die Köpfe zusammengestreckt haben, um Chancen konsequent zu nutzen. Weil wir eben nicht an Klischees geglaubt haben, sondern davon überzeugt waren, dass jede wirtschaftliche und soziale Herausforderung am besten zu meistern sei mit der konsequenten Suche nach einem gemeinsamen Lösungsansatz.

Das ist der Ausgangspunkt zu dem wir zügig zurückkommen müssen. Rekordarbeitslosigkeit, Defizit der öffentlichen Finanzen, abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, zukünftige Finanzierung der sozialen Leistungen, wir sind mit einer Reihe von drängenden Problemen konfrontiert. Der Versuch sie dadurch zu lösen, dass Konflikte zugespitzt werden und zwischen langjährige Partner ein Keil getrieben wird, ist keine Alternative. Polarisierung ist keine Option. Zuspitzung und Polarisierung führen geradewegs in die soziale und wirtschaftliche Abwärtsspirale.

Vor dem Hintergrund einer Weltwirtschaft, die sich nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise neu ordnet und in der Europa riskiert, dauerhaft zurückzufallen, gilt es in unserem Land, über alle unterschiedlichen Interessengrenzen hinweg, gemeinsam zu handeln. Denn Chancen und Möglichkeiten gibt es weiterhin, auch wenn sie im Gegensatz zu früher, schwieriger zu erschließen sind und eine Reihe von Voraussetzungen optimal erfüllt sein müssen (Stichwort: Wissensgesellschaft). Nur gemeinsam können wir diese Voraussetzungen schaffen, zu denen sozialer Frieden, gesunde Staatsfinanzen und ein wirtschaftsfreundliches Umfeld gehören.

„Mateneen“ ist das Gebot der Stunde. Zu diesem Gebot gibt es keine Alternative.

Michel Wolter
Parteipräsident

CSV Profil, 10. Juli 2010