CSV-Präsident Michel Wolter im LW-Interview über Index-Debatte und die Hausaufgaben für diesen Herbst
INTERVIEW: MARC SCHLAMMES UND LAURENT ZEIMET
Die Tripartite ist gescheitert, die Rede zur Lage des Landes gehalten, das Spar- und Steuerpaket von Schwarz-Rot analysiert. Für Michel Wolter ist mit der angestrebten Sanierung der Staatsfinanzen ein Drittel der Hausaufgaben erledigt. Bis Ende des Jahres müssen nach Dafürhalten des CSV-Vorsitzenden auch die Kapitel Arbeitsmarkt und Wettbewerbsfähigkeit geschrieben sein.
Wort: Wie bilanziert der CSV-Präsident die zurückliegenden Wochen?
Michel Wolter: Traditionell dient die Tripartite dazu, dass Regierung und Sozialpartner sich auf Lösungen zur Gestaltung der Zukunft des Landes verständigen. Diesmal bleibt der Eindruck zurück, dass dieser Gestaltungswille nicht bei allen Akteuren vorhanden war. Hinzu kommt, dass die Kommunikationspolitik der Regierung kein Meisterwerk darstellte. Im Nachhinein bleibt die Feststellung, dass manche Aufregung, die es um die Maßnahmen gab, diese überzogenen Reaktion nicht wert war.
Wort: Der LSAP-Parteichef unterstellt der CSV, sauer zu sein, weil sie sich nicht durchgesetzt habe. Liegt ein Hauch von Revanche in der Luft?
Michel Wolter: Ich erkenne keine Revanchegelüste, weil ich nicht erkenne, wo sich die CSV nicht durchgesetzt hat. Tatsache ist, dass weder Tripartite noch Parlament Antworten bei der Kompetitivität und der Arbeitslosigkeit gegeben haben. Demnach bleiben alle Vorschläge, die bis dato gemacht wurden, in der Diskussion.
Wort: Ihr Fraktionschef Jean-Louis Schiltz beanstandete im Parlament, der Maßnahmenkatalog verbessere die Wettbewerbsfähigkeit nicht. Wieso kann die CSV die Regierungsvorschläge dennoch tragen?
Michel Wolter: Mit dem vorliegenden Paket sollen die öffentlichen Finanzen bis 2011/12 saniert werden. Damit ist ein Drittel der Hausaufgaben erledigt. Sollten wir nun etwa dieses Teilstück, das in die richtige Richtung geht, ablehnen, nur weil der restliche Weg noch nicht vorgezeichnet ist?
Wort: Wie hoch sind denn die Chancen, diesen Weg zu Ende zu gehen?
Michel Wolter: Beim Etat de la nation hat der Premierminister deutlich zu verstehen gegeben, dass die schwarz-rote Mehrheit bis zum Ende des Jahres zu Lösungen gelangen soll. Damit hat er seiner eigenen Regierung ein Ultimatum gestellt. Es geht doch darum, langfristige Mittel und Wege zu finden, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen und die Kompetitivität zu erhalten. Regierung und Sozialpartner stehen also in der Pflicht, bis Jahresende Lösungen zu formulieren – wobei ich mich frage, ob es dann nicht schon zu spät ist. Die CSV erkennt angesichts der Lage, in der sich Teile der Wirtschaft befinden, soliden Handlungsbedarf.
Wort: Was macht Sie so skeptisch?
Michel Wolter: Nehmen Sie die Industrie, die in direkter Konkurrenz zum Ausland steht. Im Juni erfällt eine Index-Tranche. Aufgrund der durch das Erdöl provozierten Preissteigerung kann es Anfang 2011 zu einer weiteren Tranche kommen, zusätzlich zur 2,5-prozentigen Anpassung der Mindestlöhne. Damit wären viele Firmen innerhalb von sechs Monaten mit 7,5 Prozent an Mehrkosten konfrontiert, ohne pasende Gegenmaßnahmen. Dieses Szenario kann den Todesstoß für Teile der Wirtschaft darstellen. Wir haben es also mit einem reellen Problem zu tun, dem sich Regierung und Sozialpartner stellen müssen. Da darf es keine Verweigerungstaktik geben.
Wort: Um gegenzusteuern, gibt es die 65 Ideen des Wirtschaftsministers …
Michel Wolter: … für die es heute aber keine Zeittafel zur Umsetzung gibt. Es liegt nun am Wirtschaftsminister, bis Herbst seine Hausaufgaben zu machen – die er eigentlich schon im Vorjahr zu erledigen hatte – und der Regierung eine Verhandlungsbasis bei der Kompetitivität vorzulegen.
Wort: Sie haben den Index zitiert. Der Premierminister macht zwei Alternativ-Vorschläge, Sie schlagen den sozialen Index vor: Sendet die CSV hier nicht eine konfuse Botschaft?
Michel Wolter: Die CSV hat stets betont, dass der Index als Teil der Wettbewerbs- und Arbeitsmarktdiskussion zu verstehen ist. Wir sind der Meinung, dass eine Kombination aus gedeckeltem Index und Anpassung der Erdölprodukte im Warenkorb dazu beiträgt, Unternehmen am Leben zu halten und sozial verträglich sind. Zwei bis drei Index-Tranchen, bedingt durch hohe Erdölpreise und niedrigen Euro-Stand, sind der Wirtschaft nicht zumutbar. Also schlagen wir eine Abbremsung der Preissteigerung vor. Und den sozialen Index. Bei automatischer Lohnanpassung bis zweimal den Mindestlohn spielt der Index für die Hälfte aller Haushalte. Der soziale Index kommt zudem in erster Linie jenen Arbeitnehmern zugute, die ansonsten keine Lohnanpassungen, z. B. via Kollektivverträge, kennen. Schließlich sorgt der soziale Index für einen sozialen Ausgleich, da höhere Gehaltsklassen ausgeklammert werden.
Wort: Nimmt man die Tripartite zum Maßstab, ist es schwer vorstellbar, wie die Koalition andere heiße Eisen schmieden will: Rentenreform, Gesundung der Gesundheitskasse, Gehälterreform im öffentlichen Dienst.
Michel Wolter: Ich wiederhole nochmals: Diese Koalition hat den Auftrag, Lösungen für die Zukunft Luxemburgs zu finden – und nicht, vor dem ersten großen Problem zu kapitulieren. Bei den von Ihnen angesprochenen Themen müssen die Dossiers detaillierter durchdiskutiert und vorbereitet werden, um neuerliche Missverständnisse zu vermeiden. Es braucht eine präzise Arbeitsmethode. Ich weise als Beispiel auf das exzellente Arbeitspapier von Ressortminister François Biltgen als Diskussionsgrundlage für die Fonction publique hin. Um Verhandlungen jedoch erfolgreich zu bestreiten, müssen beide Seiten die Bereitschaft dazu aufbringen.
Wort: War es eine Option, im Falle des Scheitern mit der DP …
Michel Wolter: … es ist keine Option, eine Koalition scheitern zu lassen, bis zu dem Punkt, wo man erkennen muss, dass es nicht mehr geht. Dem ist aber nicht so, denn der LSAP-Kongress hat nicht festgehalten, dass in Sachen Kompetitivität mit den Sozialisten gar nichts machbar ist. Ich stelle auch fest, dass außer von seiten der CSV wenige Ideen formuliert wurden. Auch die Parlamentsdebatte ergab herzlich wenig, wenn man einmal von der alten Kamelle der ökologischen Steuerreform, absieht, die Déi Gréng immerzu ankündigen.
Wort: Darf man 18 Monate vor Gemeindewahlen noch Reformen erwarten?
Michel Wolter: Die Zukunft des Landes darf nicht von Kommunalwahlen abhängen. Wer jetzt meint, er müsse sich um Gemeindepolitik kümmern, der sollte besser mit der Politik aufhören. Wir können mit den Reformen nicht bis nach 2011 warten.
Quelle: Luxemburger Wort, 15. Mai 2010