Landraub in den Entwicklungsländern und wir sehen teilnehmungslos zu

Wenig beachtet von der Weltöffentlichkeit haben finanzstarke Investoren Millionen ha an Ackerflächen in den ärmsten Ländern aufgekauft resp. für Jahre gepachtet.







Landraub in den Entwicklungsländern und wir sehen teilnehmungslos zu

Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Wenig beachtet von der Weltöffentlichkeit haben finanzstarke Investoren Millionen ha an Ackerflächen in den ärmsten Ländern aufgekauft resp. für Jahre gepachtet. Die aufstrebenden Schwellenländer und die wasserarmen erdölreichen Staaten tätigen diese Einkaufstour in Afrika, in Asien, in Lateinamerika und in Osteuropa. Als Ursachen für diesen Landraub wird angeführt, dass der Nahrungsmittelanbau in diesen wohlhabenden Ländern nicht mehr für die Ernährung der eigenen Bevölkerung ausreicht resp. für den Anbau von Biotreibstoffen. Für die Menschen in den reichen Ländern bedeutet dies weiterhin einen vollen Magen resp. uneingeschränkte Mobilität, für die Menschen in den Entwicklungsländern hingegen eine prekäre Ernährungssicherheit und ein Aushöhlen ihrer über Jahrhunderte gewachsenen Landwirtschaft. Die Lebensmittelkrisen in den Jahren 2008-2009 haben diesen weltweiten Ansturm noch beschleunigt und die Spannungen entluden sich in Massendemonstrationen u.a. in Madagaskar und Mexiko.

Der Aufkauf von landwirtschaftlichen Flächen destabilisiert die Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern in einem erhöhten Maß und die Nahrungsmittelproduktion verringert sich für die dort lebenden lokalen Gemeinschaften. Bedingt durch das Anlegen von riesigen industriellen Farmen werden die Menschen aus ihrer angestammten Heimat in die überfüllten Elendsviertel der Großstädte vertrieben. Die unweigerliche Folge stellt das Verschwinden der kleinbäuerlichen Produzenten dar und die gewährten Mikrokredite können nicht mehr zurückgezahlt werden. Das wirkt sich insbesondere für die Frauen verhängnisvoll aus, die immerhin 70 Prozent der tätigen Bevölkerung in den Entwicklungsländern stellen. Weit schlimmer wirkt sich der Anbau von GMO in diesen Landstrichen aus, denn die Böden werden auf Jahrzehnte hinaus ausgelaugt und die Verödung wird steigen.           

Der Agrarkolonialismus – der Ankauf von Millionen ha Ackerfläche

Bedingt durch den wirtschaftlichen Boom in den asiatischen Schwellenländern sowie der Tatsache, dass bereits 95 Prozent der Ackerflächen in Asien genutzt werden, sieht man Lateinamerika und Afrika als die Weltregionen an, in denen finanzkräftige Investoren nach bebaubarer Ackerfläche für die Ernährung ihrer Bevölkerung Ausschau halten. Die aktuelle Liste der wichtigsten Käufer von landwirtschaftlichen Flächen, um die Nahrungsmittelsicherheit zu garantieren, ist beeindruckend. Neben China und Indien agieren u.a. auch Südkorea, Ägypten, Libyen, Bahrain, Quatar, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

In den letzten Jahren wurden etwa 20 Millionen ha Ackerland in den Entwicklungsländern, davon 2,5 Millionen ha in fünf afrikanischen Ländern südlich der Sahelzone, gekauft oder gepachtet und dies im Gegenwert von annähernd 1000 Millionen $. Weitere Agrarflächen wurden in Madagaskar, Tansania, Kenia und Sudan für die Produktion von Agrarerzeugnissen und Biokraftstoffen verpachtet.

Saudi-Arabien hat sich jeweils 500.000 ha Land für die Produktion von Reis und Weizen in Tansania und in Pakistan gesichert. Das aufstrebende Schwellenland China kauft resp. pachtet Agrarflächen mit über 1 Million ha zum Anbau von Palmöl, Zucker und Maniok in Indonesien, in Laos, in Kambodscha, auf den Philippinen, in Myanmar (Burma), in Kamerun und in Uganda. Südkorea hat sich bereit erklärt, hohe finanzielle Zuwendungen für den Anbau von Weizen in Russland zu investieren, um diesen nach Südkorea zu bringen.  

Derzeit läuft der große Ausverkauf an Agrarfläche u.a. auch im krisengeschüttelten Sudan. Hier sichern sich einerseits die Vereinigten Arabischen Emirate, China sowie Südkorea Hunderttausende ha an Ackerland und andererseits werden der hungernden Bevölkerung enorme Hilfeleistungen aus den angesammelten Überschüssen der reichen Länder zugeführt. Fürwahr: ein ungleicher Wettlauf um die Sicherung von Nahrungsquellen ist entbrannt und für die Armen bleiben nur die Brotkrummen.

Man kann davon ausgehen, dass der große Verlierer in diesem weltumspannenden Kampf für Agrarflächen bereits feststeht, der hungernde Kontinent Afrika, der über rund die Hälfte der weltweiten Agrarlandreserven von 1560 Millionen ha verfügt. Bedingt durch das Anwachsen der Weltbevölkerung von derzeit 6,9 Milliarden auf 9 Milliarden Menschen bis 2050, dies bei abnehmender Agrarfläche durch die Versiegelung und den Klimawandel, wird die Ernährungslage immer prekärer. 

Die Menschheit muss sich die Frage stellen, wie und wo wir die Nahrungsmittel produzieren und sie gerecht verteilt werden. Es kann nicht angehen, dass sich die reichen Länder wohl der Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung annehmen und sogar in anderen Nationen die Hungersnot in kauf nehmen. Dies führt unweigerlich zu kriegerischen Handlungen mit offenem Ende und dies angesichts der vereinbarten Millenniumsziele der solidarischen Entwicklung .