Justizminister François Biltgen im Profil-Interview
Profil: „Sie haben vergangene Woche eine Reform des Gefängniswesens in Aussicht gestellt. Was sind dabei die wichtigsten Grundzüge?“
François Biltgen: „Durch das Absitzen einer Freiheitsstrafe allein wird man nicht unbedingt zum „besseren Menschen“. Deshalb wollen wir die eigentlichen Freiheitsstrafen auf die Täter reduzieren, bei denen sie wirklich angebracht sind, und auf der anderen Seite eine Erweiterung der Alternativen zu Gefängnisstrafen wie gemeinnützige Arbeit oder eine elektronische Überwachung fördern. Wo es aus Gründen der öffentlichen Ordnung zu einer Gefängnisstrafe kommen muss, geht es darum, frühzeitig den Sträfling vorzubereiten und aktiv seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft voranzutreiben, um Rückfällen vorzubeugen. Da gut die Hälfte der Häftlinge drogengefährdet war, besteht bei ihnen eine besondere Rückfälligkeitsgefahr, wenn sie nicht konsequent auf ein neues Leben vorbereitet werden.“
Profil: „Der Akzent wird zukünftig verstärkt auf die Resozialisierung gelegt. Welche Maßnahmen schweben Ihnen konkret vor?“
François Biltgen: „Sicherheit im Gefängnis ist eine Sache, Sicherheit nach dem Gefängnis und somit Sicherheit für die Gesellschaft ist eine andere. Meine Philosophie ist es daher, vorrangig Politiken zu verfolgen, welche eine reelle Chance haben, die Rückfallquote zu senken. So sieht das eigentliche Resozialisierungskonzept vor, den Vollzugshäftlingen auf freiwilliger Basis einen Wiedereingliederungsvertrag mit Rechten und Pflichten anzubieten. Dieser proaktive Vertrag hat, neben einer eigenverantwortlichen Einbindung des Häftlings, sowie Ausbildungs- und Arbeitsangeboten, aber auch psychologischer und gesundheitlicher Betreuung im Gefängnis, das vorrangige Ziel, die soziale Kompetenz des Häftlings zu stärken. Er soll vor allem auch nach seiner Freilassung konsequent und ausdauernd begleitet werden. Hierbei sollen sämtliche Bereiche des alltäglichen Lebens betroffen sein wie z.B. Arbeit, Wohnen und soziale bzw. familiäre Kontakte. Wichtig ist aber auch eine Aussöhnung mit dem Opfer und der Gesellschaft.“
Profil: „Welche Rolle spielt in Ihrem Konzept der geplante Bau der neuen Strafanstalt „Ueschterhaff“?
François Biltgen: „Das Gefängnis in Schrassig ist zurzeit mit rund einhundert Personen überbelegt. Dies stellt eine unzumutbare Situation dar. Zudem sind in Schrassig Untersuchungshäftlinge (326), Vollzugshäftlinge (283), Abschiebungshäftlinge (28) und straffällig gewordene Jugendliche (8) untergebracht (Situation 16. März 2010). Deshalb warten wir seit langem schon auf die Fertigstellung des Abschiebegefängnisses auf „Findel“ und der geschlossenen Anstalt für straffällige Jugendliche in Dreiborn. Vor allem letztere gehören nicht in ein Gefängnis und brauchen spezifische Betreuung. Bis dass dieses Zentrum 2011 fertiggestellt ist, wollen und müssen wir uns natürlich so gut wie möglich, wenngleich unter nicht angepassten Bedingungen, um diese Jugendlichen kümmern. Aber auch wenn keine Jugendliche und Abschiebehäftlinge mehr in Schrassig sein werden, wird das Gefängnis überbevölkert sein. Mit einer florierenden Wirtschaft steigt auch die Zahl der Kriminellen. Das Untersuchungsgefängnis „Ueschterhaff“, welches für 400 Personen ausgelegt ist, soll hier eine spürbare Entlastung bringen. Wir brauchen „Ueschterhaff“ auch, um das neue Gesamtgefängniskonzept umzusetzen. Neben dem Untersuchungsgefängnis, bleibt Schrassig die eigentliche Vollzugsanstalt und Givenich wird sich wie bisher auf den offenen Strafvollzug konzentrieren.“