Kopenhagen und die unausgesprochenen umweltpolitischen Herausforderungen

Während der UN-Klimakonferenz, die im Dezember 2009 in Kopenhagen stattfand, wurde viel über Klimaerwärmung und Reduzierung der CO2-Ausstöße gesprochen. Es wurde sogar eine Vereinbarung getroffen…

Der rechtlich nicht bindende Minimalkonsens auf den man sich einigte, sieht vor, die Erderwärmung auf weniger als 2° Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Wert zu begrenzen. Erstaunlicherweise aber kamen, während des Klimagipfels, keine der anderen wesentlichen Umwelt-Herausforderungen zur Sprache, obwohl auch sie eine Gefahr darstellen. Die besorgniserregende Frage der Erschöpfung der Rohstoffe und der natürlichen Bodenschätze, sowie die Fragen der Erosion der Ackerböden, die Verwüstung des Bodens, die Umweltverschmutzung durch die Industrie oder die Verringerung der Biodiversität, wurden nicht diskutiert.

Dies ist umso mehr erstaunlich, da die Knappheit der Brenn- und der anderen Rohstoffe bereits zahlreiche geopolitische Konflikte verursacht hat beziehungsweise weiterhin verursachen wird. Die Kontrolle der Wasserressourcen erklärt – zum Teil – den andauernden Konflikt zwischen Palästina und Israel. Als Resultat des Sechs-Tage-Krieges änderte sich die Lage im Jordanbecken grundlegend. Durch die Besetzung des Westjordanlandes erlangte Israel die Kontrolle über sämtliche Jordanquellen und somit die Kontrolle über die Wasserressourcen der ganzen Region. Die Wasserfrage spielt seitdem im Nahostkonflikt eine zentrale Rolle und beeinflusst die Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarn, insbesondere die Beziehungen zu Palästina. Im seit 2003 andauernde Konflikt in Darfur, der bis jetzt mehr als 200 000 Menschenleben forderte und mehr als 2,5 Millionen Leute vertrieb, geht es nicht ums Wasser, sondern um die Kontrolle der Ölvorräte.

Geopolitische Spannungen

Wenn die Konflikte rund um die Nutzung der Bodenschätze früher eher selten waren, gehen Experten davon aus, dass sie sich in Zukunft in dramatischer Weise vermehren werden. Schon in den 80er-Jahren hatte die CIA, der Auslandsnachrichtendienst der Vereinigten Staaten, eine Reihe von potentiellen hydrologischen Krisengebieten ausgemacht. Darunter befanden sich das Jordanbecken, die Becken des Syrdarja in Usbekistan und die des Nils. Bereits im Jahr 1995 hatte der damalige Vizepräsident der Weltbank, Ismaël Serageldin, davor gewarnt, dass die nächsten Kriege ums Wasser geführt werden würden. Man kann diese Aussage auf nahezu alle anderen Bodenschätze ausweiten, denn sie werden, bis auf wenige Ausnahmen, alle immer knapper.

Neben der Knappheit der Rohstoffe und Bodenschätze hat in Kopenhagen eine weitere brisante Frage kaum eine Rolle gespielt, und zwar die der demografischen Entwicklung unseres Planeten. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sollen im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Dies ist eine eher optimistische Einschätzung. Einige Experten gehen von mehr als elf Milliarden aus. Diese demografische Entwicklung stellt, in jedem dieser beiden Szenarien, nicht nur eine enorme lebensmitteltechnische Herausforderung dar, sondern auch eine ökologische. Das Wachstum der Weltbevölkerung hat nämlich auch einen Einfluss auf das Klima. Mehr Lebensmittel müssen produziert, mehr Energie angeschafft, mehr Müll abgebaut, mehr Lebensraum zur Verfügung gestellt.

Ohne das Problem der Treibhausgase und deren verhängnisvollen Konsequenzen abzustreiten oder herunterspielen zu wollen, ist es zu einfach, die Debatte nur auf die Klimaerwärmung zu zentrieren ohne die Grundprobleme anzuschneiden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dies erfordert als Maßnahme natürlich weit mehr als nur eine Begrenzung der CO2-Ausstöße.

Das Konzept der internationalen Beziehungen muss überdacht werden. Fragen, wie der Zugang zu den Wasserquellen und weiteren Ressourcen, müssen in Zukunft verstärkt in die internationalen Beziehungen einfließen. Die Wirtschaft muss neu überdacht werden, ihre soziale Dimension und Umweltkomponente anerkannt werden. Die Produktionssysteme, aber auch unser Konsumverhalten gehören auf den Prüfstand. Wir brauchen Produktions- und Konsumsysteme, die nachhaltig ausgerichtet sind, nur so werden wir in der Lage sein, kurzfristig die internationalen geopolitischen Spannungen, die sich aus dem Kampf um die Kontrolle der Bodenschätze ergeben, zu verhindern und uns langfristig den Umweltherausforderungen zu stellen. Für viele Beobachter und Experten war der Klimagipfel in Kopenhagen eine Enttäuschung. Der nächste Gipfel findet im Dezember statt. Die Tatsache, dass in Cancun Ende des Jahres weiter diskutiert und verhandelt wird, zeugt aber immerhin von einem stetig größer werdenden Handlungsbewusstsein in Sachen Klimaschutz. Hoffentlich wird sich die Diskussion dieses Mal nicht allein auf die Begrenzung der CO2-Ausstöße reduzieren. Wie heißt es gleich nochmal? Die Hoffnung stirbt zuletzt.