Justizminister François Biltgen über die Folgen einer Gesetzesreform im Interesse der Opfer von Straftaten
Télécran: Was bringt das neue Gesetz, das am 1. Januar 2010 in Kraft trat, den Opfern einer Straftat?
François Biltgen: Aufgrund der neuen Rechtslage wird das Statut des Opfers offiziell anerkannt. Dieses erhält man, indem man schriftlich Klage führt. Inhalt der Klage ist, dass durch eine Tat dem Opfer ein Schaden entstanden ist. Dieses verfügte bereits vorher über eine Reihe von Rechtsmöglichkeiten, aber jetzt erhält es neue Rechte. Diese betreffen vor allem die Information. Das Opfer erhält eine Kopie der Anzeige, wird über seine Rechte aufgeklärt und muss spätestens 18 Monate nach Einreichen der Klage über den Stand der Ermittlungen informiert werden. Neu ist auch, dass das Opfer beim Generalstaatsanwalt Widerspruch einlegen kann, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt. Jeder Betroffene kann sich von Anfang an durch einen Rechtsanwalt begleiten lassen. Ist der Täter unauffindbar oder zahlungsunfähig, springt, wie seit 1984 festgelegt, weiterhin der Staat ein. 2009 wurden so für 22 Fälle insgesamt 400.000 Euro gezahlt. Auch diese Prozedur wurde verbessert und ausgedehnt, im Interesse des Opfers.
Télécran: Warum fand die Politik es nötig, die Rechtslage des Opfers zu verbessern?
François Biltgen: Im Ausland wie in Luxemburg kommt sich ein Opfer angesichts der staatlich organisierten Strafverfolgung schon mal wie eine verwaltete Sache vor. Durch das neue Gesetz wird das Opfer zum aktiven Teilnehmer im Justizverfahren, wobei sich wohlgemerkt nichts an der Tatsache ändert, dass die Justiz aufgrund von Beweislast zu urteilen hat und die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen neutral zu führen hat. Das neue Opferschutzgesetz soll auch das Verständnis für diese Rechtsprozeduren stärken. Unterstreichen möchte ich noch eine Neuerung im Fall minderjähriger Opfer, die besonders bei Sexualstrafdelikten wichtig ist, über die viele Opfer, wenn überhaupt, erst spät sprechen können. Die Verjährungsfrist läuft jetzt bei Sexualdelikten erst ab der Volljährigkeit des Opfers an.
Télécran: Was sagen Sie zu den Bedenken der Justiz, die sich vor einer Flut von Anfragen und Anträgen fürchtet?
François Biltgen: Generalstaatsanwalt Roby Biever schätzt, dass rund 2.000 Fälle pro Jahr auftreten könnten, bei denen das Opferschutzgesetz spielt, und befürchtet, ein paar Querulanten könnten mit einer Brieflawine für Ärger sorgen. Das wäre sicherlich nicht im Sinn der Sache. Der Gesetzgeber muss sich daher vielleicht prinzipiell in Zukunft besser überlegen, bei welchen Fällen er überhaupt mit strafrechtlicher Verfolgung in Gesetzestexten drohen soll und wo zivilrechtliche Klagemöglichkeiten besser angebracht wären. Das wollen wir im Justizministerium ankurbeln.
Quelle: Télécran, 20. Januar 2010, Uli Botzler