Der konstruktive Europakritiker

Die neuen Abgeordneten im Europaparlament : Georges Bach will sich selber treu bleiben

VON LAURENT ZEIMET 

Vor einem Jahr hätte sich Georges Bach nicht träumen lassen, dass er als einer von sechs Luxemburger Europaabgeordneten die Interessen des Landes in Straßburg und Brüssel vertreten wird. So langsam gewöhnt er sich an seine neue Aufgabe. „Ich will mir selber treu bleiben“, mit diesem Vorsatz macht sich der Eisenbahner an die Arbeit.

„Mach dich vom Acker“, riet ihm sein Vater Anfang der Siebziger Jahre, als sich die Stahlkrise anbahnte. Damals arbeitete Georges Bach noch bei der Arbed, wie sein Vater auch. Er befolgte dessen Ratschlag und ging zur Bahn. Dort sollte er bis zum 7. Juni 2009 bleiben. Gegen alle Erwartungen verteidigten die Christlich-Sozialen ihr drittes Europamandat, und Georges Bach konnte sich als Viertgewählter ausrechnen, dass er nach der angekündigten Nominierung von Viviane Reding zur EU-Kommissarin ins Europaparlament nachrücken könnte.

Vor einem Jahr hat Bach nicht einmal im Traum daran gedacht, eine politische Karriere in Europa einzuschlagen. Als Vorsitzender der Eisenbahnergewerkschaft Syprolux hatte er sich zwar bereits auf kommunaler Ebene politisch betätigt, Anfragen, für die CSV in die Kammerwahlen zu ziehen, hatte er aber stets abgelehnt. Die doppelte Belastung als Gewerkschafter und Abgeordneter wollte er sich nicht zumuten. Anfang dieses Jahres war die Volkspartei auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für ihre Europaliste. Zum ersten Mal seit 1979 wurden die Listen zur Europa- und zur Landeswahl getrennt. Auf dieses politische Abenteuer wollten sich aber nur die wenigsten erfahrenen Politiker einlassen. Im Februar tritt die Partei erneut an Georges Bach heran. Wenn schon nicht die Kammer, wie wäre es denn mit dem Europaparlament? Die Herausforderung reizt den Gewerkschafter. „Ich habe Europa oft kritisiert. Meine Haltung wird sich auch nicht ändern. Das Europaparlament soll schließlich auch seiner kritisch-konstruktiven Rolle gerecht werden. Die Debatte um den europäischen Verfassungsvertrag brachte mich aber zum Umdenken“, gesteht er.

Kritisch musste sich der Syprolux-Chef vor allem immer mit der Bahn-Liberalisierung auseinandersetzen. Rückblickend meint Bach aber, „dass wir im Rahmen der CFL-Tripartite manches haben bewahren können.“ Obwohl die Eisenbahner „Federn lassen mussten“. Für Deregulierung und Liberalisierung nach Brüsseler Vorgaben kann er sich immer noch nicht wirklich begeistern. Als Mitglied des Europaparlaments glaubt Bach, dieser Entwicklung entgegenwirken zu können. „Ich will mich für soziale Regeln einsetzen, damit Sozialabbau und eine wilde Deregulierung keine Chance mehr haben.“ So fiel ihm der Entschluss für das Europaparlament zu kandidieren leichter. Er sah es als eine Fortsetzung seines sozialpolitischen Engagements, nur auf einer anderen Ebene. Bach machte sich also mitnichten ein zweites Mal vom Acker.

Im Gegenteil, er wagt sich in die Höhle des Löwen. „Es ist keine Flucht. Ich will weiter für meine Leute da sein. Es ist mir sehr wichtig, den Kontakt aufrechtzuerhalten.“ Aber einer von 736 kann natürlich nicht alleine etwas bewegen. Dessen ist sich der CSV-Abgeordnete wohl bewusst. Gemeinsam mit Astrid Lulling und Frank Engel ist Bach in die große und bunte EVP-Fraktion eingebettet. Und dass dort nicht immer alle einer Ansicht und Meinung sind, ist kein Geheimnis. Was für Georges Bach sozial ist, verteufeln einige seiner neuen Fraktionskollegen eher als Sozialismus der schlimmsten Sorte. „Mit dem Abschied der britischen Konservativen aus unserer Fraktion dürfte manches einfacher werden“, hofft Bach insgeheim.

Erste Gehversuche

Mit freundlicher Unterstützung und gekonntem Strippenziehen von Erna Hennicot-Schoepges und Astrid Lulling schaffte es der Nachzügler Georges Bach in den Transportausschuss des Parlaments. „Alles andere wäre hier zuhause schwer zu vermitteln gewesen“, gibt er sich überzeugt. Immerhin hat die CSV im Wahlkampf mit der Sachkompetenz ihrer Kandidaten geworben. „Über Milchquoten weiß ich schließlich kaum Bescheid.“ Eine erste Sitzung des Ausschusses hat Bach schon hinter sich. Der belgische Christlich-Soziale Mathieu Grosch wurde zum EVP-Sprecher im Transportausschuss bestimmt und der ist Georges Bach schon einmal auf Anhieb sympathisch. Ehe es zu einer weiteren Liberalisierungswelle kommt, will er sich dafür einsetzen, dass über die bisherigen Pakete eine Bilanz gezogen wird. Die Themen seines Ausschusses sind breitgefächert und reichen von den Problemen mit Piraten vor der Küste Somalias bis zu den Schwarzen Listen unberechenbarer Luftfahrtgesellschaften. Zuerst stehen aber die Haushaltsdebatten an. Hier dürfe auf keinen Fall auf Kosten der Sicherheit oder der Umwelt gespart werden, meint Bach. Für den Christlich-Sozialen steht die Union auch in der Pflicht, endlich menschenwürdige Bedingungen für die Kraftfahrer auf den Rastplätzen der europäischen Autobahnen zu erkämpfen. Dafür will er sich starkmachen. Als Ersatzmitglied gehört der Gewerkschafter dem Sozialausschuss an.

Ehe er mit seiner legislativen Arbeit beginnen kann, muss sich der neue Abgeordnete in seinen Büros einrichten und einen Mitarbeiterstab zusammenstellen. Mit Bewerbungen wurde er nach der Wahl überschwemmt. Wiederum war es Erna Hennicot-Schoepges, die ihm durch das Dickicht half.

Gut die Hälfte der Abgeordneten sind zum ersten Mal dabei und so ist Bach nicht der einzige, der sich in diesem „überwältigenden Apparat“ seinen Weg und seinen Platz suchen muss. Europaabgeordnete sind gefragte Leute. Vor allem Lobbyisten aller Art versuchen die Gesetzgeber für ihre Sache zu gewinnen. Georges Bach ist bereits auf der Hut. „Ich will mir selber treu bleiben und mich nicht beeinflussen lassen. Ich werde mein Engagement der letzten 30 Jahre nicht verraten“, gibt er sich standhaft. Die drei CSV-Abgeordneten wollen in den nächsten fünf Jahren eng zusammenarbeiten und die erfahrene Astrid Lulling hat dafür gesorgt, dass ihre Arbeitsräume nahe beieinander liegen. Auch mit den übrigen Luxemburger Vertretern will man sich im Interesse des Landes austauschen. Das bereitet Georges Bach keine Probleme. In seiner Jugend hat er sich für Volley-Ball entschieden, weil „dies ein Mannschaftssport ist, wo es keinen direkten Kontakt zum Gegner gibt“. „Ich bin ziemlich harmoniebedürftig und kompromissbereit“, sagt er über sich selbst. Wenn es aber sein muss, sei er hart in der Sache. Bach ist sich bewusst, dass alle gute Arbeit wenig bringt, wenn sie daheim nicht vermittelt wird. Das Interesse an Europa will er durch eine offensive Kommunikationsbereitschaft stärken. Regelmäßig wird Bach in den Gewerkschaftszeitungen über seine Arbeit informieren. Freunde bescheinigen ihm, gut und lange zuhören zu können. Vielleicht keine schlechte Eigenschaft für einen neuen Europapolitiker.

Quelle: Luxemburger Wort, 28. August 2009