Der innovative Nachfolger

Die neuen Abgeordneten auf Krautmarkt: Marc Lies will lokale und nationale Interessen vertreten

VON LAURENT ZEIMET 

Man könnte fast meinen, der Bürgermeister von Hesperingen hätte von Amts wegen einen Anspruch auf ein Mandat im Parlament. Marc Lies (40) übernahm die Nachfolge der CSV-Politiker Marie-Therese Gantenbein und Alphonse Theis. 

Die Gemeinde Hesperingen gehört zu den Ortschaften, die wohl eher neidvoll – als Speckgürtel der Hauptstadt bezeichnet werden. Die Kommunalpolitiker verstanden es, die Nähe zum Nabel des Großherzogtums auch finanziell zu nutzen und diese Mittel zu investieren. Das imposante Gemeindehaus zeugt noch vom unbeschwerten Leben in den Neunziger Jahren. Im Innern des Gebäudes glaubt man sich allerdings eher in einer diskreten Privatbank, als in einer bürgernahen Verwaltung. Das Büro des Bürgermeisters überrascht durch seine Bescheidenheit. Es ist klein und übersichtlich. Mit Marc Lies kam im Januar ein neuer Schwung in die Gemeinde, sagen die Leute. 

Nahezu symbolisch für diesen neuen Schwung verordnete der neue Amtsinhaber seinem Büro einen Tapetenwechsel. Neues Mobiliar wurde angeschafft und demnächst werden neue Bilder die Wand schmücken. Doch der Eindruck soll nicht täuschen. Ein anderer Stil verheißt noch lange keinen Bruch mit der Vergangenheit. In Hesperingen setzen die Christlich-Sozialen eher auf einen Wechsel in der Kontinuität. Marc Lies macht dort weiter, wo Marie-Therese Gantenbein am Anfang des Jahres aufgehört hat. 

Mit seinen 40 Jahren geht Marc Lies in der Politik noch als ziemlich junger Bürgermeister durch. Vor zehn Jahren wurde er auf Anhieb für die CSV in den Gemeinderat gewählt. "Politik hat mich immer interessiert, aber ich war damals noch nicht so parteipolitisch gebunden." Als Fußballer und Mitglied des Jugendclubs war Lies ein "interessanter Kandidat" nicht nur für die Volkspartei. Die politische Konkurrenz hatte bereits vorher angeklopft, konnte den jungen Marc Lies aber nicht überzeugen. 

An den Christlich-Sozialen gefiel Lies in erster Linie das Selbstverständnis, eine Volkspartei zu sein. Den Ausschlag zum Beitritt und zur Kandidatur gab aber das christlich-soziale Personal vor Ort: Der damalige Bürgermeister Alphonse Theis und Sektionspräsident Theo Zeimes, den Marc Lies als "meinen lokalpolitischen Mentor" beschreibt. 

Denn Familie Lies kommt aus der Gegend von Echternach und kann nicht zu den Alteingesessenen gezählt werden. Erst ab dem zweiten Schuljahr wuchs Marc Lies in Itzig auf. Seinen kommunalpolitischen Erfolg musste er sich selbst erarbeiten. Nach den Gemeinderatswahlen 2005 kündigt Theis-Nachfolgerin Marie-Therese Gantenbein an, dass sie die Mandatsperiode nicht zu Ende führen will, mit 70 Jahren will sie aus der aktiven Politik ausscheiden. Lies wird in den Schöffenrat berufen und kann sich auf die Nachfolge vorbereiten. Anfang 2009 ist es soweit. Marie-Therese Gantenbein zieht sich zurück, am 27. Januar wird Marc Lies als neuer Bürgermeister vereidigt. Doch damit nicht genug. "Mir war schon klar, dass man als Bürgermeister von Hesperingen auch bei den Landeswahlen antreten muss." Das gehört sozusagen dazu. Ein Bürgermeister von Hesperingen hat ohnehin – sozusagen traditionsgemäß – nicht die schlechtesten Aussichten ins Hohe Haus einziehen zu können. 

Ein Deputee-maire kann mehr 

Ein Depute-maire kann dann eben doch mehr bewirken für seine Einwohner. "Es ist wichtig für die Gemeinde, dass man einen direkten Draht zu den nationalen Entscheidungsträgern hat", weiß Lies, und so stürzte er sich, kaum in lokalen Amt und Würden, bereits in den nationalen Wahlkampf. Die Kampagne nennt er rückblickend eine "interessante Erfahrung". Man habe seine Mitstreiter als "Menschen besser kennengelernt". Auf der Zielgeraden sei der Nervositätspegel bei manchen merklich angestiegen, erinnert er sich. Mit seinem persönlichen Wahlergebnis kann der Neuling ganz zufrieden sein. In seiner Gemeinde landete er gleich hinter Spitzenkandidat Luc Frieden, und im Wahlbezirk kam er auf einen ehrenvollen elften Platz. 

Nach der Regierungsbildung konnte Marc Lies auf der CSV-Bank im Parlament Platz nehmen. Innerhalb von fünf Monaten avancierte er so vom Schöffen zum Depute-maire. Aber Lies bleibt gelassen. Als "Ehre und eine Herausforderung" empfindet er seine neuen Aufgaben. 

Dem neuen Abgeordneten ist bewusst, dass es keine leichten Jahre werden. "Die Einnahmen des Staates sprudeln nicht mehr. Es kommt nun darauf an, so solidarisch zu sein, wie in den Jahren der Stahlkrise." In seinem Beruf als Bankangestellter konnte Lies das Geschehen an den Finanzmärkten in den letzten Jahren mitverfolgen. Die Jahre bei der Sparkasse seien eine "gute Schule gewesen". 

In der Kammer wird er die christlich-soziale Fraktion im Wirtschafts- und Außenhandelsausschuss vertreten. Die langfristige Absicherung des Finanzplatzes steht für Marc Lies ganz oben auf der Prioritätenliste. Mit der Regierungserklärung für die kommenden fünf Jahre ist er ganz zufrieden. Die "gesellschaftspolitischen Akzente" und die Modernisierung der Infrastrukturen hält er neben der Krisenbekämpfung für die Schwerpunkte der Legislaturperiode. Auf Krautmarkt will Marc Lies aber jetzt auch den "direkten Draht" zu den Entscheidungsträgern im Interesse seiner Gemeinde nutzen. Als Bürgermeister will er die "Lebensqualität" in den Ortschaften seiner Kommune erhalten und verbessern. Belastend sei für Hesperingen vor allem das hohe Verkehrsaufkommen. Die Nähe zur Hauptstadt hat eben nicht nur Vorteile. 

Die Gemeinde Hesperingen wünscht sich eine Umgehungsstraße, um den Ortskern vom Durchgangsverkehr zu entlasten. In Zeiten knapper Kassen könnte dies ein frommer Wunsch bleiben, das ahnt Marc Lies. Dennoch will er den "Druck" aufrecht erhalten. Immerhin haben es die Hesperinger Gemeindeväter bereits geschafft, "ihre" Umgehungsstraße im sektoriellen Leitplan Transport zu verankern. Neben diesen lokalpatriotischen Anliegen setzt der Depute-maire auf den Bau neuer Bahnhöfe in den Vororten der Hauptstadt. Nur durch ein besseres Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln lasse sich der individuelle Berufsverkehr reduzieren, meint Lies zuversichtlich. Eine Haltestelle in Howald sei besonders sinnvoll, wenn demnächst die Aktivitätszone Gasperich/Howald ausgeweitet werden soll. 

Eine interessante und spannende Zeit erwartet sich der neue Depute-maire. Das Land kannte schon leichtere Jahre, um in der Politik Verantwortung zu tragen. 

Steckbrief: Marc Lies 
Im Parlament: Seit dem 28. Juli 2009. 
Wahlbezirk: Zentrum. Wohnt in: Itzig.
Geboren: Am 30. Dezember 1968 in Echternach. 
Beruf: Bankangestellter.
Sonstige politische Mandate: Gemeinderat von Hesperingen seit 1999, Schöffe von 2005 bis 2009, Bürgermeister seit dem 27. Januar 2009.
Parlamentarische Kommissionen: Wohnungsbau, Sport, Wirtschaft und internationaler Handel, Verfahrensordnung, Konten.

Quelle: Luxemburger Wort, 12. August 2009