Der Familienmensch

Die neuen Abgeordneten auf Krautmarkt: Mill Majerus vor einer neuen Herausforderung

VON LAURENT ZEIMET

Mill Majerus gehört zu den Neulingen auf Krautmarkt. Am 7. Juni schaffte der Regierungsrat als Neuntgewählter der CSV-Zentrumsliste den Sprung ins Parlament. Mit 59 Jahren eine politische Karriere zu starten, ist ungewöhnlich. Mill Majerus geht die Herausforderung gelassen an. "Für mich ist Arbeit eine Art Lebensbestätigung", sagt er über sich selbst.

Für einen Politiker kann es durchaus von Vorteil sein, unterschätzt zu werden. Helmut Kohl, langjähriger deutscher Bundeskanzler, könnte von dieser Lebenserfahrung berichten. Mill Majerus wurde auch unterschätzt. Als sich der 59-jährige Regierungsrat zu einer Kandidatur auf der CSV-Liste bereit erklärte, glaubten nur wenige, dass er den direkten Sprung ins Parlament schaffen könnte. Doch Majerus schaffte es. Als Neunter von neun Direktgewählten ging er am Wahlsonntag durchs Ziel. 

Mill Majerus war sicherlich kein Unbekannter. Neben der Hausherrin Marie-Josée Jacobs verkörperte der Regierungsrat das Familienministerium. Zuletzt tüftelte er das Konzept für Dienstleistungsschecks aus, das den Weg zu einer Gratis-Kinderbetreuung ebnen soll. Aber dazu später mehr. 

Die Wähler, denen der Mann mit der Fliege vielleicht doch nicht so bekannt vorkam, dürften bei der Berufsangabe des Kandidaten auf den CSV- Wahlprospekten gestutzt haben: Mill Majerus, Sexologe, stand dort zu lesen. Neben all den Anwälten, Juristen und Medizinern dann doch ein eher ungewohnter Titel. 

Ein Beruf, der provoziert 

"Wenn auf den Wahlversammlungen darüber geschmunzelt wurde, habe ich mit geschmunzelt", erinnert sich Majerus, "ich bin mir bewusst, dass es provoziert. Ich habe mich aber immer mit meinem Beruf als Familien- und Sexualwissenschaftler identifiziert und stehe dazu." Dieses Fachgebiet beschränke sich nicht nur auf das miteinander Schlafen. Eine Kultur der Sexualität gehe weiter, umfasse den Anspruch des Menschen auf Zuwendung und Geborgenheit. Auch im Alter oder bei einer Behinderung. Dies sei ein Stück Lebensqualität, das oft vernachlässigt werde. Majerus würde sich als Abgeordneter gerne mit diesen Fragen beschäftigen, eigentlich dort anknüpfen, wo er als Regierungsrat aufgehört hat. "Von Familienpolitik verstehe ich ja etwas."

Dennoch will er dem Willen der Fraktion nicht vorgreifen. "Ich werde die Aufgaben übernehmen, die mir meine Kollegen anvertrauen", gibt sich Majerus bescheiden. Die Behauptung, der CSV-Abgeordnete verstehe "etwas" von Familie, wäre durchaus keine Übertreibung. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Simone hat Mill Majerus sechs Kinder großgezogen. Seit seiner Wahl wurde er noch zweimal Großvater, was die Anzahl der Enkelkinder auf fünf erhöhte. 

Die Rollenverteilung im jungen Haushalt Majerus würde man heute als "klassisch" bezeichnen. "Die Familienarbeit wurde zum großen Teil von meiner Frau übernommen, sonst wäre das nicht möglich gewesen", gesteht Mill Majerus. Beide Partner haben sich eine Großfamilie gewünscht. "Ich kann mir das gar nicht mehr anders vorstellen." Bei sechs Kindern müsse der Nachwuchs allerdings auch ziemlich schnell Verantwortung tragen und bei der Hausarbeit mitanpacken.
 
Kann ein Vater von sechs Kindern denn nachvollziehen, wenn Eltern eines Kindes heute nach mehr Betreuungsplätzen verlangen? "Ich wollte nie Familienpolitik aus meiner persönlichen Erfahrung heraus gestalten. Man macht das ja nicht für sich selbst", wehrt Majerus ab. Die Sorgen und Probleme von jungen Eltern kennt der fünffache Großvater aus nächster Nähe und er weiß auch, dass man "mit den Referenzen der Opas keine Politik für die Enkel machen kann". 

Das Konzept der Dienstleistungsgutscheine hat Majerus noch im Familienministerium mit vorangetrieben. Die Kritik daran, kann er zum Teil nachvollziehen. "Ich kann verstehen, dass einige befürchten, die Politik würde sich zu sehr in das Privatleben einmischen. Ich sehe auch das Risiko, dass Eltern versucht sein könnten, ihre Erziehungsverantwortung an den Staat abzugeben, wenn die Betreuung einmal gratis angeboten wird." Majerus ist skeptisch, dass ein Gratisangebot wirklich der Weisheit letzter Schluss sein soll. Wichtig sei, dass die Kinderbetreuung so attraktiv wie möglich sei. "Attraktiv" meint nach dem Verständnis von Mill Majerus vor allem flexibel, den Bedürfnissen der Familien entsprechend.
Die alte Streitfrage Erziehung zu Hause versus Erziehung in Tagesstätten sollte endlich zu den Akten gelegt werden, findet der CSV-Politiker. "Es ist an der Zeit, diese Schwarz-Weiß-Diskussion zu beenden." Mill Majerus will sich in den kommenden fünf Jahren dafür einsetzen, dass der Staat jenen entgegen kommt, die sich zu Hause um ihre Kinder oder Pflegefälle kümmern. Zumindest müsse eine Sozialversicherung für diese Menschen gewährleistet werden. Seine politischen Überzeugungen schöpft der neue Abgeordnete aus dem Glauben, daraus macht Mill Majerus keinen Hehl. "Ech sinn e Paf", sagt er standhaft. "Mein Glauben schenkt mir einen gewissen Grundoptimismus." 

Für ein radikales C 

Der Glauben gibt mir die Gewissheit, dass selbst Misserfolge im Alltag nicht das Ende bedeuten." Für Mill Majerus hat das "C" der CSV eine besondere Bedeutung. "Die Partei könnte sich ruhig öfter an der Botschaft der Evangelien inspirieren. Das Christentum hat doch im Grunde einen radikalen Anspruch." Er mag das "christlich" nicht mit den Adjektiven "konservativ" und "klerikal" verwechselt sehen. Die Ansicht, überzeugte Christen in der Politik würden "Befehle" vom Bistum empfangen, könne man fast als Affront gegenüber der Intelligenz und Redlichkeit des Bischofs verstehen. Nein, der Glauben bremse nicht, er belebe. "Das Närrische, das Verrückte, finde ich in meiner christlichen Überzeugung", so Majerus.

Die Volkspartei bringe einen ohnehin wieder schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch besonders in Zeiten knapper Kassen, wenn die Politik gezwungen ist, Prioritäten zu setzen, komme es darauf an, einen inneren Kompass zu haben, der einem bei der Entscheidungsfindung behilflich sei. Den Charakter der CSV als Volkspartei hat Mill Majerus bei der Ausarbeitung des Wahlprogramms miterlebt. Für ihn die prägendste Zeit des Wahlkampfs. Die CSV sei eine Partei, die in der Sache konstruktiv und lebendig streiten könne. 

Nun versucht der langjährige Beamte, sich in seiner neuen Rolle als Volksvertreter einzurichten. Eine erste Enttäuschung erlebte er bereits. In den Räumlichkeiten der CSV-Fraktion ließ sich bisher noch kein Büro für den Neuankömmling finden. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Mill Majerus lässt sich auf jeden Fall so schnell nicht entmutigen. 

Steckbrief: Mill Majerus 

Im Parlament:
Seit dem 8. Juli 2009. 

Wahlbezirk:
Zentrum. 

Wohnt in:
Schoos. 

Geboren:
Am 7. März 1950 in Clervaux. 

Familienstand:
Verheiratet, Vater von sechs Kindern und Großvater von fünf Enkelkindern. 

Beruf:
Majerus begann als Lehrer, nahm eine Ausbildung zum Familien- und Sexualwissenschaftler nach und baute das Familienzenter der Kirche auf. Zuletzt war er Regierungsrat im Familienministerium. 

Andere Aufgaben: Mill Majerus leitete 19 Jahre den Verwaltungsrat der Jugenderziehungsanstalt von Dreiborn, er stand der Fondation Pescatore vor, koordinierte die nationale Ethikkommission und die sogenannte Psy-Gruppe, die Opfer von Großschäden psychologisch betreut. Als Lehrbeauftragter gab er Kurse an der Universität Luxemburg. Der Katholik engagiert sich bei der Kommission "Justice et Paix".

Quelle: Luxemburger Wort, 20. Juli 2009