„Ein beherzter Sprung in die Zukunft“

Sieben Wochen nach den Landeswahlen und neun Tage nach Unterzeichnung des Koalitionsabkommens trug Premierminister Jean-Claude Juncker gestern im Parlament die Regierungserklärung vor, in der er einen Überblick über die Schwerpunkte gab, die das CSV/LSAP-Kabinett in den kommenden fünf Jahren setzen möchte.

VON JOELLE MERGES 

Exakt eine Stunde brauchte der Regierungschef, um zu erklären, dass die Wirtschaftskrise das Regieren in der nahen Zukunft nicht gerade einfacher machen werde, dass die Neuauflage des Juncker/Asselborn-Kabinetts sich aber nicht so leicht entmutigen lasse, ganz im Gegenteil: „Wir müssen heute die Voraussetzungen schaffen, damit wir in ein paar Jahren besser aufgestellt sind“. Reformen seien weiter notwendig, denn: Nicht reformieren bedeutet Stillstand. Und wer stillsteht, fällt um, so Juncker.

Zwar hätten die Christlich-Sozialen und die Sozialisten die Geschicke des Landes schon in den vergangenen fünf Jahren gut gemeistert, und nicht umsonst hätten die Wähler den Mehrheitsparteien am 7. Juni ihr Vertrauen ausgesprochen. Doch die Krise schließe ein einfaches „Weiter so“ aus. „Die Lage, in der unser Land sich befindet, erfordert ein energischeres, nachhaltigeres und mutigeres Regieren. Von der Politik – das heißt, von der Regierung wie von der Opposition – erwarten die Menschen eine maximale Einsatzbereitschaft“.

Wohin dieser Einsatz das Land in den kommenden fünf Jahren führen soll, zeichnete der Premierminister ebenfalls vor: Eine mutige und gut überlegte nachhaltige Entwicklung in allen Lebensbereichen soll über das Regierungsprogramm erzielt werden, das sich aus der Regierungserklärung und dem Koalitionsabkommen zusammensetzt. Dieses Dokument, das bereits am vergangenen Montag den einzelnen Fraktionen zugeteilt wurde, ist 132 Seiten dick und enthält zudem eine Handreichung aus der Feder von hochrangigen Finanzbeamten.

Die Perspektiven, die diese Experten aufzeichnen, sind alles andere als rosig, und so war es auch kein Zufall, dass Jean-Claude Juncker den „beherzten Sprung in die Zukunft“, zu dem er mit seiner Ansprache anregen wollte, von der Entwicklung der Staatsfinanzen abhängig machte. Die sehr knappe öffentliche Haushaltslage lasse in der ersten Hälfte der Legislaturperiode keine Entscheidungen zu, die „substanzielle Ausgabenerhöhungen“ beinhalten würden. „Neue Politikgestaltung – sofern sie Geld kostet –, also auch die Gehälterreform im öffentlichen Dienst oder die Gratis-Kinderbetreuuung – stehen unter einem grundsätzlichen Finanzierungsvorbehalt. Jegliche andere Vorgehensweise wäre angesichts der öffentlichen Finanzlage unverantwortlich“.

Gleichwohl räumte der Premierminister ein, dass die Entwicklung der Staatsfinanzen derzeit alles andere als vorhersehbar sei. Denn die Finanzexperten seien sich in der Einschätzung einig, dass exakte Prognosen derzeit nicht möglich seien. Dem Worst-Case-Szenario zufolge, das diese Fachleute ausgearbeitet haben, müsste der Staat bis ins Jahr 2014 zwölf Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, um seine Aufgaben weiterhin wahrnehmen zu können. Die Folge davon wäre, dass die Schuldenlast des Gesamtstaats fast 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen würde und dass die Zinslast von derzeit 14 Millionen Euro auf 427 Millionen Euro im Jahr 2014 ansteigen würde, was in etwa einem Prozent des BIP entsprechen würde.

Weder Steuererleichterungen noch Steuererhöhungen

Noch stehe nicht fest, ob diese Vorhersage eintreten werde, beschwichtigte Jean-Claude Juncker. Keinen Zweifel ließ er aber an der Einschätzung aufkommen, wonach die kommenden Jahre „extrem schwierig“ würden. Eine „unkontrollierte Staatsverschuldung“ werde die Regierung aber nicht zulassen, versprach der Premierminister. „Die Regierung ist fest entschlossen, die Gesamtstaatsfinanzen rechtzeitig ins Lot zu bringen.“ Das im Frühjahr verabschiedete Konjunkturprogramm werde zwar ohne Abstriche umgesetzt. Doch bereits im öffentlichen Haushalt 2010 soll „jedes mögliche Einsparpotenzial genutzt werden“. Steuererleichterungen sind auf absehbare Zeit ausgeschlossen – Steuererhöhungen aber ebenso. Und die derzeit noch sehr hohen Investitionen sollen ab dem Jahr 2011 wieder dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum angepasst werden.

Den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht hatten die Abgeordneten Zeit, sich ihre Meinung über Regierungserklärung und Koalitionsabkommen zu bilden. Den ganzen Tag über werden sie heute im Parlament Stellung beziehen können. Den Anfang macht der Fraktionschef der Christlich-Sozialen, Jean-Louis Schiltz.

Quelle: Luxemburger Wort, 30. Juli 2009