Verhalten ändern um der Wohlstandsfalle zu entrinnen

Freie Tribüne von Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Mit der Millenniumserklärung hatten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September 2000 verpflichtet, die weltweite Armut zu bekämpfen und den Frieden zu sichern. Darüber hinaus standen der Schutz der Umwelt und die nachhaltige Entwicklung im Fokus der Diskussionen. Die acht Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 sind u.a die Halbierung des Anteils der extrem Armen und Hungernden, die Ausweitung der Grundschulbildung, die deutliche Verringerung der Kinder- und Müttersterblichkeit sowie die Verbesserung des Umweltschutzes. Es macht Sinn, trotz der Wirtschaftskrise, den nahezu zwei Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern in einem verstärkten Maß Hilfe anzubieten. 

Anlässlich des rezenten G8-Gipfels in Italien standen neben der Bekämpfung der Wirtschaftskrise und dem Klimawandel ebenfalls die aktuelle Bestandsaufnahme der Millenniumsentwicklungsziele im Mittelpunkt. Auch wenn für den ersten Punkt Erfolg versprechende Vorschläge unterbreitet wurden, so sieht die Lage für die beiden letzteren recht ernüchternd aus, denn in kaum einem Entwicklungsland ist die Umsetzung bis 2015 zu erwarten. Die dramatische Zuspitzung der Ernährungskrise, welche 2008 begonnen hat, gilt als eine der Ursachen dieses Rückschritts, sodass am Ende 2009 etwa 1 Milliarde Menschen in tiefster Armut leben müssen. Beim Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitärer Grundversorgung liegen die meisten Entwicklungsländer, insbesondere in den Ländern der Sahelzone, weit hinter den gesteckten Zielen zurück. 

Bei der Betrachtung der Weltkarte kann man eine Reihe von Klimabrennpunkten erkennen u.a. in den Maghreb-Staaten, der Sahelzone, im südlichen Afrika und in Zentralasien. Den Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration zufolge, sind der Klimawandel und dessen schleichende Konsequenzen die Ursache für die wachsende Zahl von Klimaflüchtlingen, im Jahr 2008 haben etwa 20 Millionen Menschen deswegen ihre Heimat verloren und die Zahl der Umweltflüchtlinge wird auf mehrere Hundert Millionen Menschen bis 2050 ansteigen. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat es kürzlich in Genf mit treffenden Worten gesagt: „Die internationale Gemeinschaft hat die Armen und Schwachen allein gelassen“. 

Diese Aussagen treffen indes in Luxemburg nicht auf taube Ohren, denn die bisherige luxemburgische Entwicklungspolitik war auch immer Friedenspolitik und beruhte auf der Erkenntnis, dass die Welt sich immer stärker zu einem „Dorf“ entwickelt, in welchem fairer Dialog und gegenseitiger Respekt sich begegnen müssen. 

Eine sinnvolle Antwort als Lösung zu den aktuellen Krisen kann nur diejenige sein, die einerseits mittelfristig den Gegenwartsproblemen und andererseits langfristig den Bedürfnissen der künftigen Generationen Rechnung trägt. Wir werden nicht umhin kommen, mittelfristig in den Industrieländern um der Gerechtigkeit willen die Wende im Ressourcenverbrauch einzuläuten. Langfristig ist ein energie- und umweltpolitischer Strukturwandel erforderlich, der uns zwingt, die Belange von Mensch und Umwelt viel stärker in Betracht zu ziehen. Die Welt kann sich auf Dauer nicht erlauben, dass 30 Prozent der reichsten Länder 86 Prozent des „allumfassenden Verbrauchs“ für sich beanspruchen, derweil 20 Prozent der ärmsten Länder mit 1,5 Prozent abgespeist werden. 

Als Damoklesschwert über diesen Überlegungen schwebt jedoch der Wunsch von nahezu fünf Milliarden Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, den ökologisch katastrophalen Wirtschaftsstil der Industrieländer zu kopieren. Dies kann aber nicht angehen, denn die Erde verfügt nicht über die benötigten natürlichen Ressourcen. Und jetzt schon neigen sich die nicht erneuerbaren Energieressourcen ihrem Ende zu.

Aufbruch zu einer neuen Genügsamkeit 

Die Globalisierung bedingt Kontinent überspannende Güterströme mit einer zu hohen Nutzung der Naturressourcen; darüber hinaus führt die wachsende Weltbevölkerung von heute 6,4 Milliarden Menschen auf 9,1 Milliarden im Jahr 2050 zu einem schnellen Ende der fossilen Energieträger sowie der Belastung der drei Lebensressourcen Wasser, Luft und Boden. Ohne verbindliche Reduktionsverpflichtungen der größten Volkswirtschaften, ihre Treibhausgasemissionen um 50 und sogar um 80 Prozent bis 2050 zu reduzieren, kann das von den UN-Wissenschaftlern empfohlene Ziel, die mittlere Erwärmung der Atmosphäre bis 2100 auf durchschnittlich zwei Grad zu begrenzen, niemals erreicht werden. An dieser Herausforderung werden die Resultate der im Dezember 2009 stattfindenden Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen gemessen. 

Den Klimaexperten zufolge brauchen wir 100 Milliarden Euro jährlich, um den Klimawandel zu verlangsamen und die gröbsten Schäden an der Umwelt zu beheben. Der gute „Wille“ wurde so oft bemüht, es heißt nun auch den „Weg“ aufzusuchen. Ein wichtiges Glied dieses Weges stellen ohne Zweifel die erhöhte Energieeffizienz und die Nutzung der erneuerbaren Energien dar, leider greifen diese beiden Ansätze in Luxemburg noch nicht. Als Hintergrundinformation mögen folgende rezenten Fakten dienen. Während der Zeitspanne 2000 bis 2008 wurden weltweit 57 Milliarden Euro in die Nutzung der erneuerbaren Energie investiert, davon allein 53 Prozent in die Windkraft. Als Beispiel mag hier der Windpark London Array, etwa 20 km vor der Themsemündung, mit einem Fertigausbau von 1000 MW erwähnt werden oder die Rinnen-Parabol-Kraftwerke Andasol in Spanien mit 150 MW. Laut dem Unternehmen Siemens wird geschätzt, dass weltweit bis 2030 etwa 300 Milliarden Euro verbaut werden und davon 54 Prozent in die Windkraft und 30 Prozent in die Solarenergie. 

Es bedarf umgehend des Mentalitätswandel mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung, die Lebensweise in den Industrieländern muss wieder tragfähig werden, andernfalls vernichten wir die Grundlage für die kommenden Generationen, nicht nur im Bereich der Finanzen und der Renten, sondern vielmehr im Bereich des Klimas. Jeder vernunftbegabte Mensch muss anerkennen, dass seine eigene Handlungsweise als Beitrag zum Erhalt der Umwelt zu rechtfertigen ist. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist, angesichts der Beweislast, zur Überzeugung gekommen, dass tatsächlich ein Klimawandel stattfindet und noch größere Gefahren von ihm ausgehen werden. 

Die Menschen in den reichen Ländern müssen deshalb zur Erkenntnis gelangen, dass das Ende des Zeitalters der Gier und des kurzfristigen Erfolgsdenkens gekommen ist. Es mag ja sein, dass in der aktuellen Krise, die Haut näher als das Hemd ist, und der Gedanke an den Andern zu kurz kommt, aber den Kampf gegen die Armut sowie den Klimawandel werden wir nur dann gewinnen, auch wenn dies beschwerlich sein wird, wenn wir einerseits zur einer neuen Genügsamkeit kommen und andererseits die globale Solidarität zwischen allen Menschen als oberstes Ziel unserer Handlungen anpeilen und dies gemäß der unterschriebenen Millenniumserklärung von 2000. 

Wenn die derzeitige Plünderung unseres Planeten noch zwei oder drei Jahrzehnte wie bisher anhält, werden wir die Lebensgrundlagen so verändert haben, dass ein Zurückrudern keinen Sinn mehr ergibt. Wir benötigen deshalb die Vision eines ausgewogenen und verantwortungsvollen Fortschritts aber mit ökologischem verantwortbarem Antlitz um der Wohlstandsfalle noch zu entrinnen. 

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter