Mobilität und Verkehr – gefordert – die nachhaltige Entwicklung

Freie Tribüne von Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Ohne Zweifel gehören der globalisierte Markt, die Logistik, die Kontinente überspannenden Verkehrsströme und die individuelle Mobilität zu den wichtigsten Handlungsfeldern beim Aufbau der nachhaltigen Entwicklung. Die negativen Konsequenzen des ausufernden Verkehrs auf das Klima und die Gesundheit stehen mittlerweile im Fokus vieler Konferenzen. Bedingt durch die mehrschichtigen Probleme, welche sich durch den hohen Anteil des Motorisiertem Individualverkehrs einstellen, steht die Politik in der Pflicht, das Leitbild der integrierten Verkehrspolitik neu auszurichten. 

Die Verknüpfung der bis heute oft weitgehend getrennt agierenden Verkehrsträger muss nach den Regeln der nachhaltigen Entwicklung grundlegend überdacht werden. Der gewünschte Erfolg kann sich jedoch erst dann einstellen, wenn dem schienengebundenen Verkehr der erste Platz eingeräumt wird, denn die Eisenbahn stellt das Rückgrat des Öffentlichen Personennahverkehrs dar. In der Klimadebatte stellt die umweltfreundliche Schiene das wichtigste Element bezüglich der Bewegung von Personen und Gütern dar. 

Die Eisenbahn muss jedoch für die Benutzung der Schiene eine Maut bezahlen, ihr schärfster und weniger umweltfreundliche Konkurrent, der LKW-Verkehr, zahlt indes weniger und dies nur auf den meist befahrenen Autobahnen sowie in der Regel nur ab 12 t. Der LKW-Verkehr zahlt somit nicht im vollen Umfang die entstehenden externen Kosten. Hier kann die Schweiz als Paradebeispiel dienen, sie hat eine viel höhere Maut für den LKW-Verkehr eingeführt, sodass der Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene umgeleitet wurde, mit dem Resultat, dass mittlerweile 70 Prozent von letzterer befördert werden. 

Die vergangenen Jahre waren von hohen Investitionen in die Eisenbahnstruktur gezeichnet, sodass der moderne und umweltfreundliche Schienenverkehr in Luxemburg und darüber hinaus in der Großregion seine vielfältigen Aufgaben übernehmen kann. Insbesondere werden die Grenzpendler eingeladen, den Schienenverkehr im stärkeren Maß zu nutzen, dies in Verbindung mit dem durchdachten Anlegen von Parkanlagen im Grenzbereich. Weist Luxemburg derzeit ein Modal-Split von 14:86 auf, so sollen die in die Wege unterschiedlichen geleiteten Aktivitäten diesen auf 25:75 bis 2020 erhöhen. 

Der Aufschwung nach der aktuellen Wirtschaftskrise und der sich einstellende verstärkte Güterverkehr können jedoch nur gelingen, wenn die Eisenbahn als performantes und wettbewerbsfähiges System diese Arbeit übernehmen kann. Dies angesichts der Tatsache, dass das Güterverkehrsvolumen über lange Entfernungen in Europa zwischen 1995 und 2008 um nahezu 40 Prozent anstieg und die Europäische Kommission eine weitere Zunahme um bis 60 Prozent am Horizont 2030 erwartet. 

Leider weist die Eisenbahn nur einen verschwindend geringen Anteil an der Bewegung der Güter auf, der Großsteil wird mit der LKW-flotte abgewickelt, mit der Konsequenz, dass dieser für 22 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union verantwortlich zeichnet. 

Wenn die Verkehrspreise jedoch die gesamten sozialen und ökologischen Kosten des Verkehrs widerspiegeln werden, die Internalisierung der externen Kosten, dann ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. Das Verkehrschaos auf den Strassen in Europa abwenden und die Treibhausgasemissionen verringern, bedeutet Innovationen für die Zukunftsgestaltung von Mobilität und Verkehr. 

Die größte Herausforderung besteht ohne Zweifel darin, dass der LKW-Verkehr seine Kosten, die externen Kosten, nur teilweise deckt und deshalb vielfach im Wettbewerb gegenüber der Eisenbahn überlegen ist. Dies führt zu einem LKW-Verkehrswachstum und zu ökologischen Schäden, zu einem hohen Flächenverbrauch, zu Ausfällen in Milliardenhöhe durch die Staus und zu erheblichen Gesundheitsschäden. Die externen Kosten werden derzeit nicht integral dem Verursacher, dem PKW resp. dem LKW zugeordnet, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die Internalisierung der externen Kosten führt kurz- und mittelfristig zur höheren Akzeptanz des Verursacherprinzips und langfristig zur Verringerung der externen Kosten. 

Neues Denken für die Gestaltung der Verkehrsströme ist gefragt, um den Weg für die globale Mobilität zu ebnen, denn nur durch die resolute Anwendung des Verursacherprinzips wird die aktuelle erhebliche Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern reduziert. Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene wird gefördert, denn sie ist die einzige Transportinfrastruktur, die die wachsenden Verkehrsströme in ökonomischer und ökologischer Hinsicht bewältigen kann. 

Die nachhaltige Verkehrspolitik bedeutet demzufolge auch einen Ausgleich von divergierenden Interessen u.a. zwischen den umweltschützerischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen. Die wirkliche Chancengleichheit und die Vernetzung der verschiedenen Verkehrssysteme bewirken die nachhaltige Mobilität, die Gestaltung des Raumes und das leben in zukunftsfähigen Städten. Wenn uns dieses Unterfangen in den kommenden Jahren gelingt, dann werden wir im Verkehrsbereich auch den „green deal“ verwirklichen. Die aktuelle Wirtschaftskrise bietet uns die Chance, unser Mobilitätsverhalten der vergangenen Jahre zu überdenken und den Weg für die innovative Verkehrspolitik vorzuzeichnen. 

Dr-Ing. Marcel Oberweis, 4. Juni 2009