Auftakt der „Juncker on Tour“-Reihe in Differdingen
VON NATHALIE ROVATTI, Luxembureger Wort
Mit tosendem Applaus am Ende der etwas mehr als einstündigen Rede von Jean-Claude Juncker am Freitagabend in der Halle „La Chiers“ in Differdingen stimmten die gut 400 Zuhörer im Saal den Worten des Staatsministers zu. Ohne die aktuell angeschlagene wirtschaftliche Lage im Land zu beschönigen, gelang es dem CSV-Spitzenkandidaten mit unverblümten Aussagen darüber, wie er und seine Partei die Krise zu meistern gedenken, eine positive Stimmung herbeizuführen.
Die Botschaft des Spitzenkandidaten der christlich-sozialen Volkspartei war klar und unmissverständlich: Er selbst habe kein Patentrezept parat, um Luxemburg schnell und unverzüglich aus der Krise zu führen. „Ich weiß im Moment nicht, welche Politik langfristig die richtige sein wird, um der aktuellen Wirtschaftsflaute Herr zu werden. Aber was ich sicher weiß, ist, was der falsche Weg wäre“, so Jean-Claude Juncker in Anspielung auf die Wahlprogramme der politischen Gegenparteien.
Dass die CSV zum Auftakt der „Juncker on Tour“-Reihe Differdingen gewählt hatte – die Stadt, in der seit mehr als 100 Jahren die weltberühmten Grey-Träger vom Band laufen und in der bis heute das Herz der einheimischen Stahlindustrie schlägt –, bekam angesichts der aktuellen Lage irgendwie auch Symbolcharakter.
Zwei harte Jahre stehen bevor
Dem Land stünden noch mindestens zwei harte Jahre bevor, ehe es wieder bergauf gehe, so der Staatsminister. „Es sind aber schon jetzt deutliche Zeichen von Stabilisierung und Konsolidierung erkennbar. Ab 2011 sehe ich Luxemburg als Gesamtwirtschaft wieder wachsen“, prognostizierte Juncker. Er schwor seine Zuhörer aber auch auf die wenig erbauliche Perspektive ein, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten wohl weiter ansteigen werde. Bis der ersehnte Aufschwung einsetze, gelte es, mit der richtigen Politik auf dieses Ziel hinzuarbeiten. „Es existiert derzeit die völlig falsche Vorstellung, dass eine solche Krise mit Entlassungen zu bewältigen sei. Was wir aber wirklich brauchen, ist dass so viele Menschen wie möglich in Beschäftigung sind und bleiben. Um das zu gewährleisten, muss der Staat einspringen und vor allem den kleinen und mittelständischen Betrieben unter die Arme greifen. Sie sind in Zeiten wie diesen die schwächsten Glieder in der Kette, dabei sind gerade die kleinen Betriebe mit ihren 150 000 Angestellten die größten Arbeitgeber im Land“, erläuterte er die Sachlage und betonte dabei ausdrücklich, dass der Staat dafür zu sorgen habe, dass die Lebensqualität seiner Bürger erhalten bleibt. „Aus dieser Überzeugung heraus war ich auch nie ein Anhänger der Meinung, dass der Staat sich heraushalten und die Märkte sich selbst überlassen solle“, meinte Jean-Claude Juncker mit Nachdruck. Auch in der kruzialen Frage der Steuerpolitik nahm Juncker kein Blatt vor den Mund. „So, wie sich die Lage im Moment darstellt, ist es nicht möglich, die Steuern in den kommenden drei Jahren weiter zu senken. Wir dürfen jetzt nicht die Schuldenberge anwachsen lassen und damit künftige Generationen belasten. Schulden und Krisen bekämpft man nämlich nicht durch neue Schulden, die dann neue Krisen nach sich ziehen“, verdeutlichte er seinen Standpunkt. Jean-Claude Juncker wies aber auch auf die Steuererleichterungen hin, die in der laufenden Legislaturperiode von der CSV-LSAP-Regierung durchgesetzt wurden. „Eine Anpassung der Steuertabelle an die Inflation von sechs, bzw. neun Prozent in den Jahren 2008 und 2009, um die Kaufkraft in Luxemburg zu stärken, oder der neu eingeführte Kinderbonus, um nur diese zu nennen, stehen für eine Steuerpolitik, die vorrangig dem so genanten ‘kleinen Mann’ zugute kommt. Denn auch im reichen Luxemburg gibt es noch viele Menschen, die einen Überschuss von 40 oder 50 Euro in ihrer Geldbörse am Ende des Monats zu würdigen wissen“, erklärte der Premier.
Die Welt nach der Krise werde eine andere sein, und Luxemburg dürfe den Anschluss nicht verpassen. Es gelte, zu innovieren und den Sprung in die Zukunft zu wagen. Zum Beispiel, indem Luxemburg seine Bemühungen verstärke, zukünftig nicht nur Banken, sondern vor allem auch Technologiebetriebe anzuziehen und weiter auf den Ausbau von Logistik- und Datenzentren zu setzen. Im Hinblick auf die Klimapolitik plädierte er für verstärkte staatliche Unterstützung bei Altbausanierungen und bei gezielten energiesparenden Baumaßnahmen.
Des Weiteren gelte es, dafür zu sorgen, dass die Lohnnebenkosten nicht überhand nehmen würden. „Ich spreche mich sicher nicht für Rentenkürzungen aus. Langfristig muss sich aber überlegt werden, wie dieses Rechnungssystem gestaffelt werden soll, um die Rentensicherheit zu garantieren“, meinte Jean-Claude Juncker.
Als „Drama“ bezeichnete er, dass es einfach nicht gelinge, die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen: „Es ist aber so, dass es nicht der Staat ist, der die Baulandpreise vorschreibt. Hier müssen zukünftig die Hebel noch verstärkt angesetzt werden“. Das CSV-Motto der kommenden Wahlen – „Zesummen wuessen“ – beinhalte Lösungen, um Familie und Beruf unter einem Hut zu vereinen. „Es soll und muss die freie Wahl eines jeden bleiben, wie er seine Familienplanung organisiert. Es ist aber auch Aufgabe des Staates, berufstätigen Eltern Betreuungsstrukturen für ihre Kinder zur Verfügung zu stellen. Ob diese genutzt werden, bleibt die freie Wahl jedes Einzelnen“, erklärte der Premierminister. Neue Wege gelte es besonders auch in Sachen Bildung zu gehen. Die nicht unumstrittene neue Schulpolitik finde die volle Zustimmung der CSV, so Jean-Claude Juncker. Im Laufe des Abends sparte der Premierminister auch nicht mit Lob für „seine“ Minister, von denen François Biltgen und Jean-Marie Halsdorf im Saal waren, und für die CSV-Abgeordneten mit an ihrer Spitze Fraktionspräsident Michel Wolter.
Wie die nächste Regierung aussehen wird, darüber entscheidet am 7. Juni einzig der Wähler. „So wie ich das sehe, werden unsere politischen Kontrahenten aber alles unternehmen, damit die CSV nicht mehr dabei ist. Eins muss aber bedacht werden: Wenn drei Parteien eine gemeinsame Regierung anstreben, müssen alle Wasser in ihren Wein schütten. Und dann liegt es auf der Hand, dass von besagtem Wein nicht mehr viel übrig bleibt, vom Geschmack des Ganzen dann mal ganz abgesehen. Ich plädiere deshalb für eine Regierung mit CSV-Beteiligung, denn von der Weinproduktion verstehen wir was“, so der humorvolle Abschlusssatz des Premierministers.
„D’Lëscht 7, dei mam Juncker“
CSV-Präsident Biltgen hatte die Zeit bis zum Eintreffen des Premierministers genutzt, um die 23 Süd-Kandidaten für die Landeswahlen vorzustellen. Dabei betonte er, dass die CSV den Wahlkampf nicht mit falschen Versprechungen zu führen gedenke. „Wir werden unser Wort auch nach dem 7. Juni nicht brechen. Wir sagen gerade heraus, was in der derzeitigen Lage machbar ist und was nicht“, so François Biltgen. Das Schlusswort oblag Süd-Bezirkspräsident Marc Spautz, der die Anwesenden aufforderte „de 7. Juni d’Lëscht 7 ze wielen – dei mam Juncker“.
Luxemburger Wort, 18. Mai 2009, Nathalie Rovatti