von Frank Engel
In den vergangenen Wochen haben wir eine recht unerbauliche Auseinandersetzung mit Deutschland erlebt. Oder besser, mit einigen Spitzenvertretern der deutschen Sozialdemokratie. Zuvor mussten wir uns von Frankreich – oder besser, von seinem hyperaktiven Präsidenten – Vorhaltungen gefallen lassen. Gefallen hat all das in Luxemburg kaum jemandem. Und wir waren auf der Seite der Kritikempfänger nicht allein. Andere europäische Staaten mussten ebenfalls erleben, dass sie auf eine Weise angegriffen wurden, die seit langer Zeit unter Europäern nicht mehr üblich ist.
Dass diese Umgangsform nicht angebracht ist, wird jedem Luxemburger klar sein. Wir haben versucht, Deutschen und Franzosen beizubringen, sie sollten sich auf ein angemesseneres Niveau bewegen. Mit diesen Anregungen haben wir allerdings nur begrenzt Erfolg. Tatsächlich wird in diesen Tagen klar, dass die Regierungen der großen europäischen Staaten Luxemburg als lästig empfinden – das ist ein europäisches Problem, kein bilaterales.
Die Europäische Union ist eigentlich ein Kleinstaatenverein. Die kleinen europäischen Staaten haben mit diesem Zustand kein Problem, die etwas größeren scheinbar schon. Die sitzen schließlich auch im G20 und spielen Weltregierung. Bei diesem neuartigen Zeitvertreib sind kleine Spielverderber wie Luxemburg jedoch eigentlich willkommen – so können die größeren Europäer sich wenigstens auf ein gemeinsames Problem einigen, das sie zusammen lösen wollen. Die Vorgehensweise der Gründerväter war eine andere.
Jahrzehntelang haben größere und kleinere europäische Staaten zusammen am Einigungsprojekt unseres Kontinents gearbeitet. Nun hat uns die größte Wirtschaftskrise seit Menschengedenken überrascht, die Staaten müssen sich mit ihr herumplagen, und der natürliche Reflex der größeren in Europa besteht daraus, zuerst einmal die Schuld bei anderen zu suchen. Kleine Länder mit einer entgegenkommenderen Steuerlandschaft bieten sich da geradezu als Sündenböcke an.
So kann Europa nicht funktionieren. Europa muss weiter. Die Europäer sind sehr wahrscheinlich auch schon weiter, als es die Regierenden jener Staaten sind, deren Schuldenstand aus vergangener Zeit ihnen heute keine besonders freundschaftliche Steuerpolitik erlaubt. Den Menschen in Frankreich und in Deutschland kommt es darauf an, dass ihre Politiker Probleme lösen, und nicht darauf, dass sie im kleinen Nachbarland nach Schuldigen für etwas suchen, was keiner von uns verursacht hat. Wir müssen es fertig- bringen, diesen Kontinent wieder zu einen. Das kann nur klappen, wenn die Mitgliedstaaten der Union aufhören, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen und übereinander herzufallen.
Frank Engel