Interview mit Laurent Mosar über das Opferschutzgesetz…
TELECRAN: Herr Mosar, haben Täter wirklich mehr Rechte als Opfer?
LAURENT MOSAR: Die Opfer einer Straftat haben hierzulande keinen rechtlichen Status. Sie können als Zivilkläger vor Gericht ziehen, verlieren dann aber das Recht, als Zeuge in eigener Sache auszusagen. In der Regel sind die Opfer aber vom Verfahren ausgeschlossen. Sie werden auch nicht darüber informiert, wie weit der Prozess vorangeschritten ist bzw. wie das Urteil ausgefallen ist. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern stehen wir ziemlich schlecht da, weil wir einer der wenigen EU-Staaten ohne Opferschutzgesetz sind.
TELECRAN: Justizminister Luc Frieden hat bereits 2003 ein Gesetzesprojekt zur Stärkung der Opferrechte eingebracht. Das Gesetz drohte aber am massiven Widerstand des Staatsrates zu scheitern, die parlamentarische Justizkommission musste den Entwurf mehrmals überarbeiten…
LAURENT MOSAR: Der Staatsrat hatte vor allem Einwände gegen die Bestimmungen zum Schutz anonymer Zeugen. In der Justizkommission haben wir daher zunächst nur die Abschnitte übernommen, die den Opferschutz betreffen.
TELECRAN: Sie sehen sich jetzt kurz vor der Zielgeraden…
LAURENT MOSAR: Ich gehe davon aus, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zumindest in erster Lesung gestimmt wird. Es steht derzeit noch ein formeller Einwand des Staatsrats im Raum, den dieser möglicherweise nicht aufgibt.
LAURENT MOSAR: Prinzipiell wollen wir den Opfern mindestens dieselben Rechte geben, die der Täter laut Strafprozessordnung bereits hat. Darüber hinaus ist es uns wichtig, den Opfern nicht nur mehr Rechte einzuräumen, sondern ihnen unabhängig von etwaigen finanziellen Entschädigungen die nötige Anerkennung vor Gericht zu geben. Gerade Gewaltopfer leiden oft noch Jahre lang; die bisherige Rechtslage hat überhaupt nicht dazu beigetragen, diese Traumata zu überwinden.
LAURENT MOSAR: Durch den neuen Status bekommt das Opfer prinzipiell ein Recht auf Information und Akteneinsicht. Auch ohne als Zivilkläger aufzutreten, hat die betreffende Person Anspruch auf Rechtsbeistand. Das Opfer kann Anzeige erstatten und gleichzeitig als Zeuge vor Gericht aussagen. Der Polizist, der die Anzeige aufnimmt, muss das Opfer über seine Rechte aufklären. Dazu gehört auch, dass ein Übersetzer gestellt wird, falls das Opfer keine der offiziellen Landessprachen beherrscht.TELECRAN: Bisher haben Opfer noch nicht einmal erfahren, ob ihrer Anzeige stattgegeben wurde… LAURENT MOSAR: Richtig. Auch das soll sich ändern. Künftig soll das Opfer informiert werden, ob Anklage erhoben oder die Angelegenheit zu den Akten gelegt wird. Spätestens nach 18 Monaten muss der Bescheid verschickt werden. Darin muss die Staatsanwaltschaft auch angeben, warum sie die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, erfährt das Opfer die Verhandlungstermine. Außerdem sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, Einspruch zu erheben, wenn die Angelegenheit nicht vor Gericht kommt. In der ersten Fassung galt dies auch für jene Opfer, die den Täter nicht angezeigt haben. Der einzige noch bestehende formelle Einwand des Staatsrates bezog sich auf diese Bestimmung. Deshalb haben wir die Anzeige als Voraussetzung eingefügt. Hier könnte allerdings der Knackpunkt liegen, an dem sich entscheidet, wie schnell das Gesetzesprojekt die legislativen Hürden nimmt.
Interview: Martine Hemmer
Quelle: TELECRAN, 22. Aprill 2009
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