Nicht nur die Erwachsenen, sondern auch und vor allem sind die Kinder von einer Scheidung betroffen. Deswegen soll im neuen Scheidungsgesetz (projet de loi n° 5155 portant réforme du divorce) die Stellung der Kinder gestärkt werden. Heutzutage ist es kaum bestritten, dass die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen grundsätzlich enorm wichtig und von hohem Wert ist. CSF Nationalpräsidentin Christine Doerner im CSV Profil
Das Kind hat ein Recht auf beide Eltern und umgekehrt hat auch jeder Elternteil die Pflicht und das Recht auf eine persönliche Beziehung mit seinem Kind. Bis heute sieht unser Recht vor, dass solange die Ehe dauert, sich die beiden Eheleute das Sorgerecht für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder teilen. Bei einer Scheidung allerdings wird das Sorgerecht einem der beiden Elternteile zugesprochen, und der andere Elternteil genießt ein Besuchsrecht seiner Kinder sowie ein Beherbergungsrecht während eines Teiles der Schulferien.
Trotz der Anerkennung des Grundsatzes „Getrennte Paare bleiben Eltern“ gibt es immer wieder Extremfälle, wo dem obhutlosen Elternteil sein Kind regelrecht entfremdet wird. Darum soll jetzt die Frage über die „elterliche Verantwortung“ in allen Einzelheiten neu geregelt werden im „projet de loi n° 5867 relatif à la responsabilité parentale“.
Nach diesem Gesetzesentwurf steht jetzt beiden Elternteilen eines Kindes, ob sie bei der Geburt ihres Kindes miteinander verheiratet sind oder nicht, die gemeinsame elterliche Verantwortung zu. Der traditionelle Begriff vom „Sorgerecht“ wird übrigens durch „elterliche Verantwortung“ ersetzt. Darunter versteht man sowohl die Sorge wie die Verantwortung für das geistige und körperliche Wohlbefinden des Kindes als auch die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung enthält alle Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind wie z.B. seine Erziehung, Schulbildung, Gesundheit, Wohnsitzwechsel.
Das Prinzip der elterlichen gemeinsamen Verantwortung bleibt also auch nach der Scheidung, respektiv Trennung anwendbar. Das alleinige Sorgerecht wird die Ausnahme bleiben. Im Falle eines alleinigen Sorgerechts kann dem anderen Ehegatten jedoch nur in schwerwiegenden Fällen das Besuchs- und Beherbergungsrecht versagt werden, wobei dieser jedoch weiterhin ein Informationsrecht und -Pflicht über die Entwicklung des Kindes behält.
Aber mit dem Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Verantwortung nach der Ehescheidung ist noch nicht entschieden, bei welchem Elternteil das Kind jetzt leben wird. Die Eltern sollen unter sich vereinbaren, wem die Beherbergung und tägliche Betreuung des Kindes zustehen soll. Bei Uneinigkeiten der Eltern entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des Kindes.
Unabhängig vom Sorgerecht hat jeder Elternteil das Recht und die Pflicht, persönliche Kontakte mit seinem Kind zu pflegen und die Ausübung dieses Rechtes zu respektieren. Durch diesen Gesetzesvorschlag wird angestrebt, dass das Kind einen persönlichen Kontakt aufrechterhält zu dem Elternteil, bei dem es nicht dauerhaft wohnt. Und umgekehrt soll auch der Elternteil ohne elterliche Obhut am Leben seiner Kinder teilhaben und Verantwortung übernehmen können.
Um die persönlichen Kontakte zwischen dem Kind und den beiden Elternteilen zu gewährleisten und gegebenenfalls einer Entführung des Kindes ins Ausland vorzubeugen, kann der Richter eine Einschreibung im Reisepass des Kindes anfordern. In diesem Falle darf das Kind Luxemburg nur verlassen mit der Genehmigung beider Eltern. Schlussendlich können die Eltern einen gemeinsamen Antrag stellen, um sich die elterliche Obhut abwechselnd aufzuteilen, z. B. wenn beide Elternteile in demselben Stadtteil wohnen, in der Lage sind, das Kind zu versorgen und Interesse an der Erziehung haben (résidence alternée).
Das Gericht kann auch das Besuchsrecht der Kinder mit den Großeltern respektiv Drittpersonen regeln. Um die Kindesinteressen bei Streitigkeiten zu bewahren, sieht der Gesetzesvorschlag auch noch unter anderem die Mediation, das Anhörungsrecht und den Prozessbeistand für das Kind vor.
Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Konflikte vermieden werden könnten, wenn die gemeinsame elterliche Verantwortung der Normalfall wäre. Auch die Einladung an die Väter bei der Kinderbetreuung wird dadurch gestärkt und es kann auch eine Entlastung für die Mütter sein. Bei unseren europäischen Nachbarn ist die gemeinsame elterliche Sorge bei einer Scheidung üblich.
Christine Doerner CSF-Präsidentin, 14. März