Kooperative Energiesicherheit und effizienter Energiemix

Die aktuellen Spannungen zwischen der Ukraine und Russland beweisen uns, dass die Zeit gekommen ist, die langfristige und sichere Erdgasversorgung in den Mittelpunkt der politischen Diskussion zu rücken. Eine Freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Gegenwärtig importiert die Europäische Union etwa die Hälfte ihres fossilen Energieverbrauchs und den Angaben der Internationalen Energieagentur zufolge wird dieser Wert bis 2030 auf nahezu 70 Prozent ansteigen. Etwa 26 Prozent ihres Erdgasverbrauchs wird aus Russland importiert, diese Abhängigkeit könnte sich jedoch in den kommenden Jahrzehnten als fatal erweisen. Das Liefervolumen durch die Ukraine beträgt 130 Milliarden m3 Erdgas pro Jahr, die geplante Pipeline “North Stream“ durch das Baltische Meer kann jedoch nur 55 Milliarden m3 Erdgas liefern und die Pipeline “South Stream“ nur 45 Milliarden m3 Erdgas. 

Man möge sich vor Augen führen, dass bei Betrachtung der Erdgasreserven Russland mit 47.600 Milliarden m3 den Reigen vor dem Iran mit 26.900 Milliarden m3 und dem Katar mit Milliarden 25.600 m3 anführt. Wohlwissend, dass die Reserven an Erdgas in Europa sich dem Ende zu neigen, muss es zu einer Diversifizierung der Lieferantenländer kommen. Die aktuellen Spannungen finden seit 2006 jährlich im Dezember statt, da der Liefervertrag immer nur für ein Jahr ausgehandelt wird, demzufolge wird sich die Europäische Union im Dezember 2009 wieder in einer misslichen Versorgungskrise befinden. 

Es ist deshalb angebracht, die europäische Energieversorgungspolitik grundlegend zu überdenken, langfristig wird kein Weg daran vorbeiführen. Wenn wir es nicht schaffen, den Energieverbrauch dauerhaft zu verringern, dann dürfte sich diese Abhängigkeit zu einer Achillesferse unserer Wirtschaft entwickeln mit unvorhersehbaren umweltpolitischen und sozialen Folgen. 

Die ersten Bemühungen zur Verminderung hat das geschnürte Energie-Klimapaket der Europäischen Kommission eingeleitet. Schätzungen zufolge könnte die Europäische Union etwa 20 Prozent ihres gegenwärtigen Energieverbrauchs durch eine kosteneffiziente Nutzung reduzieren. Die Nutzung der erneuerbaren Energien wird maßgeblich an diesem Prozess beteiligt sein.

Die Konsequenzen aus der derzeitigen Krise ziehen 

Leider besteht der Zwist zwischen der Ukraine und Russland seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine. Seit Wochen wird über Schulden und Preise für die Erdgaslieferungen gestritten, der russische Monopolist Gasprom hatte dem ukrainischen Erdgaslieferanten Naftogaz den Gashahn abgedreht, weil vermutet wurde, dieser habe das für Westeuropa bestimmte Erdgas aus den Transitleitungen abgezweigt. Aufgrund dieser Reduzierung, immerhin fließen 80 Prozent des Erdgases aus Russland über die Ukraine in die Europäische Union. Von diesem Ungemach wurde in 12 europäischen Ländern der Notstand ausgerufen. 

Man kann nur hoffen, dass sich verhärteten Positionen entkrampfen werden, denn für die Menschen auf dem Balkan in ihren noch schlecht isolierten Wohnungen, besteht akute Not. Hat nicht schon Bulgarien gedroht, das eingemottete Atomkraftwerk Kosloduj wieder ans Netz zu schalten mit allen möglichen Konsequenzen, ähnliche Sorgen werden seitens der Slowakei ausgedrückt. 

Eine weitere Sorge treibt die Europäische Kommission, denn sie muss befürchten, dass bei längerer Unterbrechung der Erdgaslieferung aus Russland die Erdgaspipelines bleibende Schäden erleiden. Dies würde bei Beendigung des Streitfalls verheerende Folgen für die zu versorgenden Länder bedeuten. 

Falls die Ukraine als Transitland ausfallen würde, würde die Erdgasversorgung für Europa auf lange Sicht auf sehr schwachen Beinen stehen. Deshalb kann man dem Energie-Ministerrat nur beipflichten der dazu aufruft, alle Anstrengungen zu unternehmen, die Sicherheit der Energieversorgung zu verstärken und dies durch mehr Vielfalt bei Energieversorgung.

Gemeinsame Energieaußenpolitik 

Darüber hinaus bedarf es der Schaffung einer europäischen Energieaußenpolitik, möchte man dem wichtigsten Erdgaslieferanten auf gleicher Augenhöhe entgegensehen. Ein wichtiges Instrument in dieser hochpolitischen Angelegenheit stellt die Modernisierung der veralteten russischen Energietechnologie dar, da diese es Russland ermöglicht, seine Verträge einzuhalten. 

In diesem Zusammenhang wird sich die Europäische Union endlich aufraffen müssen, die Verbrennung von Erdgas zur Bereitstellung von elektrischer Energie einzustellen und vielmehr mit den Ländern der Maghreb- und der Sahelzone durch die Nutzung der dort vorhandenen erneuerbaren Energien zusammenzuarbeiten. Die 27 Mitgliedsstaaten müssen sich endlich aufraffen, ihre nationalen Präferenzen im Energiesektor in einen gesamteuropäischen Rahmen einzubringen. 

Luxemburg hat sich durch die Ausarbeitung von großherzoglichen Reglemente zum effizienten Energieverbrauch sowie der erneuerbaren Energien ein politisches Rahmenwerk gegeben. Aufrüttelt die permanenten Minusgrade der letzten Wochen leuchtet es ein, dass wir die Energierechnung nur verringern können, wenn wir gezielt in die Energieeinsparung investieren. 

Der Ministerrat vom 9. Januar 2009 hat hierzu eindeutige Aussagen gemacht. Neben der Verringerung des Energieverbrauchs sollen vor allem die Ökotechnologien in einem erhöhten Maß gefördert werden. Bereits Hunderttausende von dauerhaften Arbeitsplätzen wurden in der Europäischen Union während den vergangenen Jahren geschaffen. Luxemburg muss sich diesem nachhaltigen Umbruch auch anschließen und darüber hinaus werden wir den Jugendlichen eine Ausbildungsperspektive anbieten. 

Wenn wir diese Schritte mit Mut tun, dann kann die Europäische Union eine treibende Kraft auf dem weltweiten Energiemarkt werden, dies unter den Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit. Sie muss sich umgehend in diesen Prozess einbringen, den viel Zeit verbleibt nicht mehr. 

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter, 13. Januar 2009