Das neue Gesetz zur Kinder- und Familienfürsorge, das unter dem Impuls von Familienministerin Marie-Josée Jacobs ausgearbeitet wurde, hat als Ziel, neben dem Jugendschutzgesetz von 1992 ebenfalls ein Rahmengesetz für die Jugendhilfe zu schaffen. So wird die Jugendfürsorge mit einem juristischen Rahmen ausgestattet. Es werden Zielsetzungen klar formuliert, Prozeduren neu definiert und die Rechte der Kinder und ihrer Erziehungsberechtigten gestärkt. Von Jean-Paul Schaaf, CSV Abgeordneter
Für rund 80 Prozent der 980 Kinder, die in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht sind, wurde diese Unterbringung durch das Gericht entschieden. Diese Hilfsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche werden allzu oft durch den Jugendrichter angeordnet und von den Kindern als Strafe empfunden. Dies geschieht, weil keine Struktur den Auftrag zu Mediation, zur Motivation der Familien, sowie zur Erstellung eines Hilfsprogramms in Partnerschaft mit den Betroffenen hat.
Das neue Gesetz schafft eine neue Institution, das „Office national de l’enfance“ (ONE). Die neue Dienststelle des Familienministeriums wird zur zentralen Anlaufstelle werden für alle Kinder, Jugendliche, Familien oder soziale Dienststellen, die eine Hilfe im erzieherischen Bereich brauchen. Jeder bekommt das Recht das ONE zu befassen und dieses muss jeder Anfrage nachgehen.
Gemeinsam mit den Betroffenen wird ein Hilfsprogramm erarbeitet. Dieses wird von den Eltern, den Erziehungsberechtigten und den Kindern, insofern sie ein ausreichendes Alter haben, unterschrieben und ausgeführt. Insgesamt umfasst das gesetzliche Leistungsspektrum 25 Maßnahmen, von denen jene zur Anwendung kommen, die in der jeweiligen Situation notwendig sind. Das ONE organisiert die nötigen Hilfsmaßnahmen und nennt einen Koordinator, der unter den involvierten sozialen Dienststellen ausgewählt wird.
Schließlich werden neue Finanzierungsbestimmungen eingeführt; um jene Leistungen, die im Einzelfall nötig sind, von staatlicher Seite zu bezahlen. Das aktuelle Finanzierungssystem der Leistungsträger via Konvention mit festen Posten wird ersetzt durch ein System leistungsbezogener Tarifgestaltung. Wenn eine soziale Institution an einem Hilfsplan beteiligt ist, bzw. ihn integral durchführt, stellt sie die Leistungen dieses Plans in Rechnung. Dies hat den Vorteil, dass die Institution flexibel auf eine Nachfrage reagieren kann und nicht mehr durch ihren Personalschlüssel eingeschränkt ist. Ein Träger kann bei Bedarf zusätzliches Personal einstellen, was besonders bei speziellen Bedürfnissen von großer Wichtigkeit ist. So kann z. B. ein Logopäde stundenweise herangezogen werden, wenn dies im Hilfsplan vorgesehen ist.
Das ONE als neue Koordinationsstelle übernimmt jedoch nicht die Rolle des Jugendrichters. Das Jugendgericht behält den Vorrang und steht über der Arbeit, die auf freiwilliger Basis geleistet wird. Die Beziehung zwischen Justiz und sozialem Sektor gewinnt an Klarheit. Vieles, was heute über das Gericht läuft, kann morgen einer Lösung auf freiwilliger Ebene zugeführt werden. Mit dem neuen Gesetz werden das Mitspracherecht der Kinder und die Verantwortung der Eltern großgeschrieben. Sie entscheiden mit, welche Anstrengungen für sie und durch sie unternommen werden müssen.
Jede Entscheidung muss vom höheren Interesse des Kindes geleitet sein. Das Gesetz bekräftigt das Verbot jeder Art von Gewalt gegenüber Kindern, sei sie physischer, psychischer oder sexueller Natur. Auch werden die Rollen von Staat und Gemeinden im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe genau beschrieben.
Das Gesetz zur Kinder- und Familienfürsorge stößt auf die volle Zustimmung der CSV. Es stellt den sozialen Sektor, der eine hervorragende Arbeit leistet, vor neue Herausforderungen. Das Gesetz stellt konsequent das Interesse und Wohlbefinden der Kinder in den Mittelpunkt.
Es ist ein konkreter Bestandteil qualitativer Familien- und Sozialpolitik, die der CSV ganz besonders am Herzen liegt.
Jean-Paul Schaaf, Abgeordneter, parlamentarischer Berichterstatter, Profil 3. Dezember 2008