Luxemburg, Land der Propheten

Wenn Deutschland das Land der Dichter und Denker ist, dann ist Luxemburg seit der Finanzkrise zum Land der Propheten mutiert. Diesem Eindruck kann man sich auf jeden Fall nur sehr schwer erwehren, wenn man sich bestimmte luxemburgische Parteien anschaut in denen besagte Gattung im Gegensatz zur Wirtschaftsentwicklung, derzeit eine wahre Hochkonjunktur erlebt. CSJ-Nationalpräsident Serge Wilmes im CSV-Profil, 1. Dezember 2008

Dabei handelt es sich bei den politischen Vorhersehern keineswegs um irgendwelche Parteibonzen aus der zweiten Reihe, sondern um hochkarätige parteipolitische Würdenträger wie den Vorsitzenden der Genossenpartei, der in einem Informationsblatt die sozialistische Verkündigung nach einem allgegenwärtigen starken Staat, durch die Finanzkrise erfüllt sieht und sich von seinem prophetischen Erfolg beflügelt dazu hinreißen lässt, der Sozialdemokratie mitten im düsteren Herbst einen zweiten Frühling zu bescheinigen. Natürlich kann man Herrn Bodry in allen Punkten nur zustimmen, denn die CSV setzt sich seit jeher für die soziale Marktwirtschaft ein und die Genossen Ypsilanti, Royal und Brown sorgen in ihren jeweiligen Ländern regelmäßig dafür, dass die sozialistische Bewegung wahre Begeisterungsstürme und Umfragehochs erlebt!

In seiner prophetischen Darbietung wird der Präsident der Arbeiterpartei nur noch vom Frontmann, der sich neuerdings in Aufbruchsstimmung befindenden blauen Partei mit dem grünen Punkt, überboten. So behauptet der mit besonders ausgeprägten hellseherischen Kräften versehene Differdinger Bürgermeister, der sich seit kurzem als Modernisierer dem Wahlvolk präsentiert, die Regierung hätte das Land schlecht auf die Finanzkrise vorbereitet.

Außerdem behauptet der Vollzeitpolitiker Meisch, der nie Berufspolitiker werden wollte, dass die CSV-LSAP-Koalition die aktuelle Finanzkrise bereits vor einiger Zeit hätte vorhersehen müssen. So wie er wohl oder etwa doch nicht? Auf jeden Fall hätte Meisch die adäquaten politischen Gegenmittel parat gehabt wie etwa die Reform des Arbeitsamtes, die dem drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit sicherlich entgegengewirkt hätte. Schade nur, dass, unabhängig von der Notwendigkeit das Arbeitsamt tatsächlich neu auszurichten, dem visionären Wirtschaftsmathematiker entgangen ist, dass die zu erwartende Arbeitslosigkeit vor allem konjunktureller Natur ist. Doch dies wäre wohl zu viel verlangt von einem Propheten, der neuerdings lautstark den Dialog mit dem Bürger fordert und dabei schlichtweg die ruhmreiche Aktion der Verlagerung der Differdinger Feuerwehr verschweigt, die Herr Bürgermeister Meisch ohne jegliche Diskussion mit den Betroffenen und dem Gemeinderat durchführen wollte. Ein Prophet kann sich jedoch nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, wenn er doch die Zukunft verkünden möchte!

Serge Wilmes CSJ-Nationalpräsident, Profil 1. Dezember 2008