Die soziale Marktwirtschaft steht vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die internationale Finanzmarktkrise, das abgeschwächte Wirtschaftswachstum und andere Unwägbarkeiten, wie das Übergreifen auf die Realwirtschaft, stehen auf der Tagesordnung. Profilleitartikel von Parteipräsident François Biltgen
Es ist sicherlich schwierig, aus dieser skeptischen Grundhaltung heraus ein positives Zeichen zu setzen. Doch liegt nicht genau hier eine große Chance für das politische System, für die Wirtschaft, für unser Gemeinwesen schlechthin. Vor allem, weil es eine gesellschaftliche Debatte über Werte ist, über Solidarität und Verantwortung, über Miteinander, Respekt und Toleranz. Eine Gesellschaft wird doch erst dann lebenswert, wenn es gemeinsame Grundwerte und Regeln des Anstands jenseits von Gesetzen gibt. Genau diese Leitlinien, diese Prinzipien, prägen die Bausteine der CSV-Politik: Das solidarische Miteinander, das subsidiäre Helfen und ein Verantwortung tragendes persönliches Engagement in und für die Gesellschaft. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, was soziale Marktwirtschaft ausmacht, ansonsten driftet die Wirtschaftsordnung ab in eine virtuelle Welt. Wagen wir doch einfach mehr soziale Marktwirtschaft! Es ist der Weg der Mitte, der sich fundamental vom Sozialismus wie auch vom unregulierten Kapitalismus unterscheidet. Es ist die Balance von Freiheit und Sicherheit. Der regellose Kapitalismus kann nicht für dieses Gleichgewicht garantieren und die jüngste Geschichte hat verdeutlicht, dass auch der Sozialismus an diesem Versuch gescheitert ist.
Die soziale Marktwirtschaft steht für ein Bündnis aller, gepaart mit dem Wissen um die Solidarität, die Verantwortung jedes Einzelnen und dem echten Streben nach gesellschaftlichem Zusammenhalt. Soziale Marktwirtschaft als Modell demnach für eine Gesellschaft, wo Leistung zählt, wo Wettbewerb und die Bereitschaft, Risiken zu übernehmen als Voraussetzung für einen leistungsfähigen Sozialstaat verstanden wird. Freiheit sei die Voraussetzung für Solidarität und Gerechtigkeit, wird zu Recht behauptet. Doch ist es nicht so, dass auch die Solidarität als Voraussetzung für Freiheit und Gerechtigkeit zu sehen ist. Wer eine Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft fordert, muss wissen, dass dies nur dann funktioniert, wenn wir uns zu einer echten Solidarität bekennen. Genau das kennzeichnet die politische Aktion der Regierung.
Solidarität mit den Beschäftigten, deren Betriebe in konjunkturelle Schwierigkeiten geraten sind: In einer Zeit, wo weniger neue Arbeitsplätze geschaffen werden, wären Massenentlassungen eine Katastrophe. Die Finanzspritzen für die Luxemburger Wirtschaft relevanten Banken gingen nicht an die Kapitalinhaber, sondern dienen dazu, weiterhin den Betrieben und den Privatleuten Liquiditäten zukommen zu lassen. Damit werden auch Arbeitsplätze gesichert, nicht nur auf dem Finanzplatz, sondern in vielen Klein-und Mittelbetrieben. Auch die Kurzarbeit, die in einer ganzen Reihe von Betrieben durchgeführt wird, erhält Arbeitsplätze. Übrigens geschieht diese Kurzarbeit nicht zum Nulltarif für die Beschäftigten, die 20 Prozent des Lohnes verlieren.
Natürlich kostet diese Aktion den Staat Geld: Dieses Geld konnte durch die vorsichtige Finanzpolitik der letzten Jahre bereitgestellt werden. Nach dem Regen wird die Sonne wiederkommen, vielleicht nicht so schnell, aber doch. Bis dahin wird Solidarität die Regenzeit überbrücken. Und deshalb sollen wir auch in der nächsten Sonnenzeit die heutigen Erfahrungen nicht vergessen. Die gegenwärtige Krise gibt uns die Möglichkeit, über diese Aspekte nachzudenken. Nutzen wir diese Chance und verhelfen wir der Solidarität und damit der sozialen Marktwirtschaft zu einem weiteren Durchbruch.
François Biltgen, Parteipräsident