Mobilität und Verkehr – Schlüsselfaktoren der wirtschaftlichen Entwicklung

Die Eisenbahn wurde im 19. Jahrhundert durch George Stephenson erfunden und erlebte ihre Blütezeit im 20. Jahrhundert. Im Gefolge des aufkommenden motorisierten Individualverkehrs im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg verlor sie an Attraktion. Die Dampflokomotiven mit ihren Rauchschwaden passten nicht mehr in das moderne Zeitbild. Eine Freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Bedingt durch die sich aufdrängenden Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den sich einstellenden Erfolg der Hochgeschwindigkeitsbahnen TGV in Frankreich ab 1980 wurde der Eisenbahn eine neue Rolle zugeordnet. Das rezente Energie- & Umweltpaket der Europäischen Kommission sieht die Verminderung der Treibhausgasemissionen als das oberste Ziel aller Anstrengungen an. Die Integration der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere in der Europäischen Union, möchte demzufolge die wachsende Mobilität mit den Naturressourcen in einen harmonischen Einklang zu bringen. Der Öffentliche Personennahverkehr, der Güterverkehr sowie der Mobile Individualverkehr bewegen sich in dem Spannungsfeld der wirtschaftlichen, der umweltbewussten und der gesellschaftlichen Anforderungen.
Laut den Angaben der Internationalen Energieagentur ist der Verkehr für 33 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen im Jahr 2005 verantwortlich, davon stammen etwa 85 Prozent aus dem Straßenverkehr und nur 1 Prozent aus dem Eisenbahnverkehr, der Rest verteilt sich auf den Schiffs- und Flugverkehr. Der Bereich der Energieversorgung hingegen steht für 42,1 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen im selben Jahr. Die Europäische Union möchte durch ihren Vorschlag des Energie-& Umwelt-Pakets den Energieverbrauch absenken und dies durch die Erhöhung der Energieeffizienz um 20 Prozent bis 2020 gegenüber 2005. Sie hat die Umweltbilanz der einzelnen Verkehrsträger gegeneinander abgewogen und folgende Daten ermittelt: Die Eisenbahn emittiert nur 4,79 kg CO2 auf 100 Personenkilometer, das Pkw etwa 17,6 CO2 und das Flugzeug etwa 23 kg CO2, es braucht nicht vieler Worte um der Eisenbahn das Prädikat „Sehr gut“ auszustellen.

Der Eisenbahn den Vortritt überlassen 

Damit die Treibhausgasemissionen im Verkehr reduziert werden, benötigen wir umgehend sowohl system- als auch grenzüberschreitende Verkehrskorridore, damit die Eisenbahn ihren Anteil an der Mobilität erhöhen kann. Die ersten Erfolge zeichnen sich bereits ab, dafür sprechen die steigenden Passagierzahlen in den Hochgeschwindigkeitsbahnen: ICE, TGV, Thalys, Eurostar und AVE, die eine Vielzahl von europäischen Städten verbinden. 

An Hand der folgenden Beispiele erkennt man den Durchbruch: so verbindet der AVE die Städte Barcelona und Madrid in weniger als zwei Stunden und 40 Minuten, der TGV-Est die Städte Luxemburg und Paris in zwei Stunden und 5 Minuten, die Städte London und Paris in zwei Stunden und 20 Minuten sowie Paris und Brüssel in weniger als einer Stunde und 50 Minuten. Auch größere Strecken u.a. Paris nach Köln über Lüttich oder Paris über Brüssel nach Amsterdam resp. nach München über Straßburg ziehen Hunderttausende von Reisenden an.
Und der weitere Ausbau läuft auf Hochtouren, in den kommenden Jahren werden die europäischen Städte noch enger zusammenwachsen, so liegen Pläne für die Verbindungen Madrid- Lissabon, Lyon-Straßburg und Rom-Neapel vor. Von Luxemburg über Lyon nach Madrid und weiter nach Sevilla per Zug reisen, wird in wenigen Jahren eine Realität. Im Gefolge wird sich der Marktanteil der europäischen Eisenbahnen für die Fahrten unter drei Stunden weiter erhöhen und das Flugzeug aus diesem Verkehrssegment herausdrängen. 

Der Wunsch nach einer erhöhten Mobilität, als prägendes Element unserer Lebensqualität und eines dauerhaften Wirtschaftswachstums, verursacht hingegen die schädlichen Treibhausgasemissionen, welche sich negativ auf unsere Gesundheit und die Umwelt auswirken. Die Eisenbahn wird sich hier als Saubermann hervortun, da ihre Treibhausgasemissionen pro Passagier und km die geringsten Werte ausweisen.
Dies muss vor allem im Kontext der wachsenden Verkehrströme gesehen werden, denn bis 2010 kommt es zur Steigerung des Güterverkehrs um 38 Prozent und im Personenverkehr um 24 Prozent gegenüber 2000.

Die externen Kosten dem einzelnen Verkehrsträger zuordnen 

Die größte Herausforderung besteht ohne Zweifel darin, dass die einzelnen Partner im Verkehr die verursachten Schäden, d.h. die externen Kosten, nur teilweise selbst decken. Es kommt somit zu Verzerrungen innerhalb des Verkehrswesens. Gerade der Straßengüterverkehr verursacht eine Reihe dieser externen Kosten, u.a. die Luft- und Lärmbelastung, die Folgekosten im Gesundheitswesen sowie die Gebäudeschäden. Laut Aussagen der Europäischen Kommission belaufen sich die Staukosten jährlich auf mehrere zig Milliarden €.
Laut EU-Angaben betragen die externen Kosten im Durchschnitt pro 1000 tkm für die Eisenbahn 17,9 €, für das Binnenschiff 22,5 €, für den LKW 87,8 € und für das Flugzeug 271,3 €. In unserer Marktwirtschaft sollten die Preise des Verkehrssystems auch die externen Kosten widerspiegeln. Es muss demzufolge zu einem Umdenken kommen, die externen Kosten des Straßengüterverkehrs müssen vollständig internalisiert werden, nur so können faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Strasse und Schiene geschaffen werden. Deshalb setzt die Europäische Union verstärkt auf den Eisenbahnverkehr, damit das wachsende Verkehrsaufkommen bewältigt werden kann. Wir müssen einen erhöhten Anteil des Personen- und Güterverkehrs wieder auf die Schiene zurückbringen. 

In Bezug auf den Personenverkehr mögen folgende Zahlen das Problem umreißen: Verringerung von 6,6 Prozent im Jahr 1995 auf 6,1 Prozent im Jahr 2006 für die Eisenbahn, der Personenverkehr auf der Strasse reduzierte sich im selben Zeitraum von 73,1 Prozent auf nur 72,7 Prozent und der Flugverkehr stieg von 6,4 Prozent auf 8,6 Prozent. Die Folgen sind offensichtlich: überlastete Transitrouten und Wohngebiete mit hohen Umweltbelastungen, starke Belastungen der Straßen und hohe Unterhaltskosten, zusehends aber auch Gesundheitsschäden für Mensch und nicht korrigierbare Umweltschäden. 

Das Ziel der anstehenden Reformen auf der europäischen Ebene im Eisenbahnwesen besteht hauptsächlich in der Stärkung des Verkehrsträgers Eisenbahn und damit die Verlagerung von nennenswerten Verkehrsanteilen von der Strasse zur Schiene.

Die luxemburgische Eisenbahn – ein Partner der nachhaltigen Entwicklung 

Die luxemburgische Eisenbahngesellschaft muss ihre wichtige Rolle innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen spielen, gilt es doch den wachsenden Pendlerstrom auf die Eisenbahn zu bringen. Die Landesgrenzen dürfen im europäischen Binnenmarkt keine Hürde mehr darstellen. Denn es gilt, wer sich dem Internationalisierungsprozess verschließt, der wird mittel- bis langfristig im Wettbewerb das Nachsehen haben. Wenn alle Kosten dem einzelnen Verkehrsträger zugerechnet werden, dann wird die Eisenbahn eine neue Blütezeit erleben. 

Die Verbindungen u.a. nach Paris, Straßburg und München sind ausgezeichnet. Die „langsame“ Verbindung nach Koblenz soll, laut den Aussagen des Transportministeriums“ ausgebaut werden, ich hoffe die DB sieht in der Verbindung: Koblenz-Trier-Luxemburg eine wichtige Verkehrsachse. 

Noch viel Nachholbedarf steht auf den Verbindungen nach Lüttich und Brüssel. Die rezenten Diskussionen im Bereich der „Nordstrecke“ auf belgischer Seite haben vor Augen geführt, dass die Menschen die Eisenbahn benutzen möchten, wenn das Angebot kohärent ist.
Die Europäische Union braucht leistungsfähige und integrierte Verkehrsalternativen, die zugleich die Umwelt schonen und den Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen. Soll die nachhaltige und zukunftsfähige Eisenbahn weiter auf der Überholspur bleiben, dann bedarf es zunächst des Mentalitätswandels in den Köpfen der Bürger in Richtung mehr Nachhaltigkeit. 

Im Gefolge wird es sowohl zu einer spürbaren Entlastung der Umwelt als auch der erhöhten Lebensqualität für den Menschen kommen.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, 22. Oktober 2008