Freiheit wurde in den letzten Jahrzehnten zum Schlagwort schlechthin. Jeder Mensch sollte so viel Freiheit wie möglich haben und nach „seiner Fasson selig“, pardon „reich“ werden. Deshalb sollte der Staat sich so weit wie möglich aus allem heraushalten. Regeln sollten bis zum Geht-nicht-mehr abgebaut und die freie Marktwirtschaft sich selbst überlassen werden, so die Devise. Profil-Leitartikel von Parteipräsident François Biltgen
Dass es klar ist: Ohne Markt geht es nicht! Was jedoch zählt, ist eine Politik der sozialen Marktwirtschaft! Selbst ernannte Schnellheiler, die nach Karl Marx rufen und das verstaubte Kommunistische Manifest vom Speicher holen, sind auch nicht gefragt! Die Verstaatlichungspropheten, die jetzt wieder Morgenluft wittern, sollten sich daran erinnern, dass ihr Modell, der real existierende Sozialismus, kläglich gescheitert ist.
Nunmehr ist der (fast) ungehemmte Liberalismus auch gescheitert!
Nach dem Mauerfall vor fast 20 Jahren haben übrigens kritische Stimmen, darunter Papst Johannes Paul II, davor gewarnt, dass der Fall des Kommunismus nunmehr einem zu starken Liberalismus das Feld überlassen könnte.
Erinnern wir daran, dass vor über hundert Jahren nicht zuletzt die Sozialdoktrin der Kirche, später auch die Sozialdemokratie und sozialliberale Kräfte den dritten Weg zwischen Liberalismus und Kommunismus suchten. Dieser „dritte Weg“ hat im Konzept der „sozialen Marktwirtschaft“ seinen Niederschlag gefunden.
Zréck op den Drëtte Wee
Doch wie wurde in den letzten Jahren auf diesem Konzept herumgeritten und getrampelt. Dennoch hat sich die soziale Marktwirtschaft bewährt: Es gilt, die freien Marktkräfte durch eine intelligente Regulierung in produktive Bahnen zu lenken. Es braucht weder mehr Markt noch mehr Staat! Es geht um die richtige Mischung!
Was Ludwig Erhard bereits vor mehr als 50 Jahren beschrieb, bewahrheitet sich immer mehr. Wir zitieren: „Gewiss kann die Ordnungskraft des Wettbewerbs allein im absoluten Sinne noch nicht eine gerechte und verschiedene Interessen genügend ausgleichende Wirtschafts- und Sozialordnung gewährleisten. Das Postulat der sozialen Gerechtigkeit und die Sicherung politisch stabiler Verhältnisse erfordern und rechtfertigen auch in der Marktwirtschaft gezielte staatliche Interventionen. Ihr Ausmaß und ihr Gewicht müssen jedoch ihre äußerste Grenze dort finden, wo die Funktionsfähigkeit der marktwirtschaftlichen Ordnung und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in ihrer Gesamtheit gefährdet werden."
Mär hate Recht
Die aktuelle Finanzkrise hat es klar und deutlich aufgezeigt: Die Banken sind zu viele Risiken eingegangen, der Freiheitsgedanke wurde überstrapaziert, Demut und Bodenhaftung wurden aus dem Vokabular gestrichen. Und so kam, was kommen musste. Besonders die Bankenbranche ist nunmehr wieder gefordert, die Regeln der sozialen Marktwirtschaft zu beachten, ja zu respektieren! Der Markt funktioniert nur mit Regeln.
Luxemburg hat sich deshalb in Europa – leider nicht immer mit Erfolg – gegen übertriebene Liberalisierung und vor allem gegen die absolute Zurückdrängung des Staates ausgesprochen. Wir haben immer plädiert, dass Luxemburg Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen hat, „trotz“ eines starken Arbeitsrechts. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Rückgangs kann ein starker Kündigungsschutz eine Explosion der Arbeitslosigkeit verhindern.
Der Staat versucht daher zu Recht, wieder mehr Einfluss zu nehmen, verbunden mit dem Ziel, die Situation zu beherrschen helfen. Das Prinzip der Freiheit wird nicht außer Kraft gesetzt, doch die Rahmenbedingungen und das Prinzip der Verantwortung kommen wieder stärker zum Tragen.
François Biltgen. 20. Oktober 2008