Auch für die Justiz geht die Sommerpause heute zu Ende. Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ spricht sich Justizminister Luc Frieden für die Schaffung eines Conseil de la magistrature aus. Eine Idee, die Ombudsman Marc Fischbach im März 2006 angeregt hatte.
Herr Frieden, am 6. Oktober soll die Cité judiciaire offiziell ihrer Bestimmung übergeben werden. Entspricht das Gebäude – Ihrer Meinung nach – dem Image, das die Justiz von sich selbst geben sollte?
Das Image der Justiz ist keine Frage einer klassischen oder modernen Architektur. Die Justiz stellt zu jeder Zeit einen wesentlichen Pfeiler unseres Rechtsstaats dar. Im Vergleich zum Ausland funktioniert unsere Justiz gut. Sie ist in ihrer Funktionsweise gegenüber den politisch Verantwortlichen total unabhängig. Die Justiz ist natürlich kompliziert, weil das Recht eine komplizierte Sache ist. Sie leidet stets darunter, dass in der Regel eine Partei den Prozess verliert und die Justiz nicht jeden zufrieden stellen kann. Wenn ich sage, dass die Justiz im Regelfall eine gute Arbeit leistet, heißt das nicht, dass man sie nicht ständig an die neuen Herausforderungen anpassen muss.
Vor zwei Jahren hatten Sie eine Justizkonferenz einberufen. Verschiedene Arbeitsgruppen sollten eben diese Anpassungen an die neuen Herausforderungen vorbereiten. Wie sind diese Arbeiten vorangekommen?
Reformen der Justiz sind keine einfache Sache. In den letzten Jahren haben wir uns darauf konzentriert, die Verfahren zu verbessern. Wir haben zum Beispiel ein vereinfachtes Strafverfahren eingeführt. Die Anzahl der Prozesse nahm in den letzten Jahren stark zu. Um diese Klageflut zu bewältigen, haben wir das Personal kontinuierlich aufgestockt. Alleine in der Magistratur kam es zu einer Steigerung um rund 30 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Mit dem Bau der Cité judiciaire werden die Infrastruktur der Justiz und die Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert. Ein Neubau des Friedensgerichts in Esch steht bevor. Die Justizkonferenz nahm sich eine Reihe von Zukunftsbaustellen vor, und ich bin dabei Schlussfolgerungen aus diesen Arbeiten zu ziehen.
Sie haben sich mehrmals für eine Pressestelle der Gerichte ausgesprochen, um die Kommunikation der Justizbehörden zu verbessern. Konnten Sie die Magistratur inzwischen von Sinn und Zweck eines Pressedienstes überzeugen?
Ich bin zuversichtlich, dass eine Pressestelle der Justiz kurzfristig ins Leben gerufen werden kann.
Sie meinen noch in dieser Legislaturperiode?
Ja. Das ist meine Absicht.
Ombudsman Marc Fischbach regte vor zwei Jahren die Schaffung eines Kontrollorgans der Justiz an. Die Magistratur hat sich vor kurzem eher kritisch zu dieser Idee geäußert. Haben Sie sich eine Meinung gebildet?
Ich wünsche mir eine unabhängige, verantwortliche und effiziente Justiz. Unabhängigkeit und Verantwortung sind zwei Seiten einer Medaille. Daher bin ich der Ansicht, dass es gut wäre, wenn Luxemburg in der Tat eine Art Conseil de la magistrature hätte, der sicherstellen könnte, dass die Justiz effizient arbeiten kann. Die Unabhängigkeit der Justiz muss allerdings unter allen Umständen gewahrt bleiben. Das steht außer Frage.
Was wären denn die Aufgaben und Kompetenzen eines solchen Organs?
Die Zielsetzung, die ich eben genannt habe – Unabhängigkeit, Verantwortung und Effizienz – muss die Kompetenzen bestimmen, die einem Conseil de la magistrature zuerkannt werden könnten. Um die Unabhängigkeit der Justiz weiter zu stärken, könnte ich mir vorstellen, dass der Conseil für die Auswahl, Ernennung und Beförderung der Richter zuständig wird. Auch die Weiterbildung und die Vertretung der Justiz nach außen könnten diesem Organ anvertraut werden. Eine Effizienzkontrolle könnte der Conseil de la magistrature ausüben, indem er die Qualität der Rechtssprechung überprüft und allgemein die Verwaltungsabläufe in den Gerichten überwacht. Es müsste schließlich eine Anlaufstelle für Bürger sein, die Fragen haben oder mit dem Verlauf ihres Prozesses unzufrieden sind.
Was muss man unter einer Überprüfung der Qualität der Rechtssprechung verstehen? Eine neue Berufungsinstanz kann damit ja wohl nicht gemeint sein?
Auf keinen Fall. Der Conseil de la magistrature wird nicht Recht sprechen. Aber er könnte wie zum Beispiel in den Niederlanden für eine verständliche Rechtssprache sorgen. Es geht also nicht um den Inhalt sondern um die Form, wenn Sie so wollen. So könnte der Conseil Richtlinien für die Verständlichkeit von Urteilsbegründungen ausarbeiten. Ich stelle mir das vor, wie eine Art ständiger Weiterbildung der Richter. Von einer weiteren Berufungsinstanz kann also keine Rede sein.
Wäre dieser Conseil de la magistrature denn für alle Gerichtsinstanzen zuständig? Für die Zivil- und Strafgerichte sowie die Verwaltungsgerichte?
Ja. Der Conseil wäre für beide Gerichtsbarkeiten zuständig, sollte sich aber aus zwei Sektionen zusammensetzen, um die Besonderheiten zu berücksichtigen.
Wie soll sich denn dieses Organ zusammensetzen?
Das ist eine wesentliche Frage, um sicherzustellen, dass die Unabhängigkeit der Justiz gewahrt bleibt. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass ein Vertreter der Regierung oder des Parlaments Mitglied des Conseil de la magistrature wäre. Mehrheitlich sollten die Mitglieder Richter sein. Aber ich plädiere für eine gemischte Zusammensetzung. Der Generalstaatsanwalt und die Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sollten von Amts wegen Mitglied sein. Darüber hinaus sollten vier Richter-Mitglieder von ihren Kollegen gewählt werden. Um jeden Korporatismus zu vermeiden, sollten der Vorsitzende der Anwaltskammer sowie der Doyen der Rechtsfakultät der Universität Luxemburg in ein solches Gremium berufen werden. Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Sozialrats könnte die verschiedenen sozialen Strömungen des Landes im Conseil de la magistrature repräsentieren. Allerdings bin ich der Ansicht, dass bei Ernennungen oder Beförderungen nur die Richter an den Entscheidungen beteiligt werden können.
Heute werden Richter von der Regierung ernannt. Sie wollen diese Zuständigkeit also abgeben?
Richtig. Rein theoretisch hätte die Politik heute die Möglichkeit, in die Ernennungsprozedur einzugreifen. Was bisher aber nicht geschah. Ich folge bei Personalfragen immer den Empfehlungen der Richterschaft, um den Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz nicht zu verletzen. Wir könnten also die Unabhängigkeit durch den Conseil de la magistrature weiter stärken.
Sie haben angedeutet, der Conseil de la magistrature könnte zu einer Anlaufstelle für die Bürger werden. Wie weit soll das gehen? Besteht nicht die Gefahr, dass die Prozesse eher noch verschleppt werden?
Ich stelle fest, dass die Justiz darunter leidet, dass sie für den Bürger häufig zu kompliziert ist und die Betroffenen oft keine Antwort erhalten – vor allem im Strafrecht – was gerade mit ihrer Klage passiert. Daher ist es auch notwendig, den Gesetzentwurf über den Opferschutz schnellstmöglich zu verabschieden. Dieser sieht nämlich vor, dass die Justiz die Opfer von Straftaten regelmäßig über den Fortgang der Klage ins Bild setzen muss.
Wäre es nicht Aufgabe der Anwälte, ihre Klienten auf dem Laufenden zu halten? Bei Zivilprozessen liegt es doch oft eher an den Parteien, dass ein Rechtsstreit nicht weiterkommt.
Es ist sicher auch Aufgabe der Anwälte. Wir brauchen aber eine neutrale Stelle, die den Kunden der Justiz erklären kann, wo die Schwierigkeiten eines Dossiers liegen. Der Conseil de la magistrature könnte zudem auf diese Weise auf strukturelle Probleme aufmerksam gemacht werden. Es geht also auch um eine Qualitätskontrolle. Das Verständnis der Justiz und ihres Werdegangs soll auf die Weise verbessert werden.
Wollen Sie sich denn noch vor den Wahlen an eine solche Reform heranwagen?
In meinen Augen müssen wichtige institutionelle Reformen von allen Parteien getragen werden. In diesem Fall wäre nämlich eine Änderung der Verfassung notwendig. Ich bin nach langen Beratungen zu meiner Überzeugung gekommen und will daher mit allen Parteien Gespräche führen. Ein solches Organ ist auf einen breiten Konsens angewiesen. Ich habe diese Methode vor zehn Jahren bei der Schaffung des Verfassungsgerichtes angewandt. Ich wünsche mir Verständnis von den Richtern sowie Unterstützung von Mehrheit und Opposition im Parlament. Die Arbeiten müssen jetzt vorangetrieben werden, damit die kommende Abgeordnetenkammer diese Reform in die Tat umsetzen kann.
Quelle: Luxemburger Wort, 15. September 2008, Laurent Zeimet