Von Plänen und Prozeduren

Wort Sommerserie: Schwarz-Rot unter der Lupe. Bautenpolitik IVL-konform ausrichten. Seit August 2004 ist Claude Wiseler für die Gestaltung des Großherzogtums verantwortlich. Als Hausherr am Boulevard Roosevelt ist der CSV-Politiker sozusagen der politische Architekt in der CSV/LSAP-Koalition. Dabei liegt die wesentliche Aufgabe wohl darin, den baulichen Bedürfnissen, die von der kleinsten Kommune bis zur europäischen Ebene an ihn herangetragen werden, gemäß der jeweils passenden Prozedur Rechnung zu tragen – oder auch nicht.

Von Marc Schlammes

Schiene oder Straße? – Schiene und Straße! Für Bautenminister Claude Wiseler steht außer Frage, dass Luxemburg die Herausforderungen im Transportwesen nur dann mit Erfolg zu meistern imstande ist, wenn sich Schiene und Straße ergänzen. Angesichts des stetig steigenden Verkehrsaufkommens verfolgt Schwarz-Rot eine doppelte Strategie, wobei Bahn und Bus Vorrang eingeräumt wird – schließlich soll der Anteil des öffentlichen Transportes auf ein Viertel gesteigert werden. Derzeit liegt der modal split bei 16 Prozent. Schon im Dezember 2006 hatte die Chamber einen Antrag verabschiedet, der 16 wichtige Bauvorhaben für den öffentlichen Verkehr enthielt. 

Ende 2007 zweifelte der Mouvement ecologique dann diese Doppelstrategie an und warf der Regierung Kohärenzdefizite in ihrer Verkehrspolitik vor. Dies, nachdem die Abgeordneten auch dem Bautenminister in einer Motion grünes Licht für die Realisierung einer Reihe bedeutender Vorhaben im Hoch- und Tiefbau gegeben hatten (u. a. Ausbau von A3 und A 6 auf drei Spuren, Liaison Micheville, Nordstraße). "Wenn wir davon ausgehen, dass das Verkehrsvolumen bis 2020 um 15 bis 20 Prozent steigen wird, benötigen wir alle Verkehrsträger", rechtfertigte Wiseler anschließend gegenüber dem "Luxemburger Wort" das Vorgehen von Parlament und Regierung. "Hinzu kommt, dass wir einen nicht unwesentlichen Teil des öffentlichen Transportes über das Straßennetz absolvieren.

Fundament der Verkehrspolitik ist das IVL mit seinen drei Hauptpolen Esch/Belval, Luxemburg, Nordstad. Auch wenn das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept ausschlaggebendes Argument für die (Nicht)-Berücksichtigung eines Bauprojektes sein soll, ist es auch vier Jahre nach seiner Präsentation ein zahnloser Papiertiger. Erst mit den sektoriellen Leitplänen, die unter der Regie des Landesplanungsministers erstellt werden, erhält das IVL eine gesetzliche Grundlage. Doch die für den 14. Juli angekündigte Vorstellung einer Vorlage des plan sectoriel transports wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Dieser rund 50 Projekte umfassende Plan würde praktisch und präzise Aufschluss darüber geben, wie die Doppelstrategie Schiene-Straße aussehen würde. 

Ein anderer Leitplan liegt schon etwas länger vor und wird Stück um Stück mit Leben erfüllt: der plan sectoriel lycées. Zuletzt konnte das Parlament vor der Sommerpause dem Bau einer neuen Sekundärschule in Junglinster seine Zustimmung erteilen. Junglinster ist im Übrigen ein treffendes Beispiel wie Hoch- und Tiefbau ineinandergreifen: Gleichzeitig zur Schule erhält die aufstrebende Ost-Gemeinde eine Umgehungsstraße; beide Projekte entsprechen auch dem FVL-Gedanken mit Junglinster als Regionalzentrum (centre de développement et d’attraction). 

Billiger bauen und schneller bauen sind zwei Prinzipien, an denen die CSV/LSAP-Regierung ihre Bautenpolitik ausrichtet. In die Praxis umgesetzt bedeutet dies, dass beispielsweise bei den Sekundärschulen auf eine standardisierte Bauweise zurückgegriffen wird. Und um den finanziellen Überblick über die Investitionen zu behalten, wird, wie im Koalitionsprogramm verankert, die gesetzliche Basis aufgrund eines detaillierten Vorentwurfs ausgearbeitet und anschließend der Abgeordnetenkammer vorgelegt. 

Bleibt die letztlich höchste Hürde: der zur Verwirklichung des Vorhabens erforderliche Geländeerwerb. Über das nötige diplomatisch-finanzielle Geschick hinaus kann der Ressortminister nunmehr auf die reformierte Enteignungsprozedur zurückgreifen. 

Sicher bauen ist ein wesentlicher Punkt der Planungen im Tiefbau. Zum einen gehören die Sicherheitsaudits bei der Ausarbeitung neuer Trassen mittlerweile zum obligatorischen Bestandteil. Zum anderen werden bestehende Gefahrenpunkte entschärft. Dies kann aufgrund einzuhaltender Prozeduren bisweilen sehr lange dauern, wie der Fall der Kreuzung Luxemburg-Echternach/Bech-Consdorf zeigt. Im Rahmen der in die Wege geleiteten Erschließung des Ban de Gasperich soll mit dem Verteilerkreis Gluck ein weiterer Gefahrenpunkt verschwinden. 

Ein dicker Brocken bleibt Bautenminister Wiseler: Die Reform der Straßenbauverwaltung. Die Ponts et chaussées mit ihren 1 000 Angestellten, eine "alte Administration mit großer Tradition" so Wiseler im Sommer 2006, sollen fit gemacht werden für die veränderten Herausforderungen. 

Für die Fitness des insgesamt 1500 Einrichtungen umfassenden staatlichen Gebäudeparks wurde auf Initiative des Bautenministers ein Fonds d’entretien préventif geschaffen. Zusammen mit einem Mehrjahresplan soll über diesen Fonds der Unterhalt der öffentlichen Gebäude finanziert werden. Langfristig erwartet sich Claude Wiseler dadurch Einsparungen. "Heute ist es ja oftmals so, dass so lange nichts gemacht wird, bis ein Abriss samt Neubau billiger zu stehen kommt, als eine Komplettsanierung", erläuterte der Minister vor zwei Jahren im Sommerinterview seine Vorstellungen. Auch die Energiefrage wird in die Sanierungs- bzw. Unterhaltsplanungen einbezogen. 

Bei einem Durchschnittsalter von 30 Jahren besteht bei’ den Staatseinrichtungen teils erheblicher Handlungsbedarf. In Zeiten, wo Kioto und Klima in aller Munde sind, rechnen die zuständigen Stellen mit einem CO 2 -Einsparpotenzial von bis zu 66 Prozent. 

Die Hausaufgaben 

Erledigt:
– Schaffung eines Fonds d’entretien préventif
– Sicherheitsaudits bei Straßenbauprojekten
– Festlegung des finanziellen Rahmens von Bauvorhaben

In Ausführung:
– IVL-konforme Bautenpolitik
– Infrastrukturarbeiten an EU-Institutionen
– Umsetzung des Plan sectoriel lycées 
– flächendeckendes Radwegenetz 

In Ausarbeitung:
– Reform der Straßenbauverwaltung 
– Überarbeitung des Ausschreibungsgesetzes
– sektorieller Leitplan "Transport" 

Quelle: Luxemburger Wort, 28. August 2008, Marc Schlammes