Verteidigen unter veränderten Vorzeichen

Die Luxemburger Wort Sommerserie: Schwarz-Rot unter der Lupe:
“Verteidigen unter veränderten Vorzeichen” – Armeereform als Schwerpunkt der Verteidigungspolitik

VON JOELLE MERGES

Kosovo und Bosnien, Libanon und Afghanistan, Tschad und Kongo: Die Welt der kleinen luxemburgischen Armee ist größer geworden. Geht es nach dem Willen der Politik, dann darf sich das Militär nicht aus seiner Verantwortung gegenüber Nato und Europäischer Union herausstehlen.

Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Zahl der Auslandseinsätze in den vergangenen Jahren bereits gestiegen ist und auch in Zukunft zunehmen wird. Deswegen wurde im Regierungsprogramm eine Reform des Wehrdienstes vereinbart. Zwar soll auch in Zukunft auf die freiwillige Verpflichtung der Rekruten nicht verzichtet werden. Doch um die Auslandseinsätze ordentlich planen zu können, soll langfristig eine Professionalisierung des Heeres angestrebt werden.

Wie es um die Armee im 21. Jahrhundert bestellt sein soll, skizzierte der damalige Ressortchef Luc Frieden am 10. November 2005 auf dem Diekircher Herrenberg. Wer sich freiwillig zum Wehrdienst melde, soll künftig an internationalen Missionen teilnehmen müssen, wenn die Regierung dies denn so entscheide, kündigte der Verteidigungsminister an. Eine Taktik, die Friedens Nachfolger Schiltz teilweise revidierte.

Am 22. Februar 2006 erfolgte im Zuge der kleinen Kabinettsumbildung der Stabwechsel zwischen den beiden CSV-Politikern. Übrigens ist das Verteidigungsressort (bis dato) das einzige Ministerium, dessen Hausherr innerhalb der Legislaturperiode ausgewechselt wurde. Einen Tag nach der Amtsübernahme erfolgte der Antrittsbesuch auf dem Herrenberg. Wobei Schiltz die Reform des Armeegesetzes in Aussicht stellte. Bis es aber zur Verabschiedung der ersten grundlegenden Neuausrichtung des Heeres seit 55 Jahren kommen sollte, sollten noch einmal 22 Monate vergehen.

Heraus kam ein Gesetzesprojekt, das die Armee für die Herausforderungen der kommenden Jahre wappnen soll. Kernstück der Reform sind die sogenannten Udos, die „unités de disponibilité opérationnelle“. Für die Rekruten, die in diese Einheiten beordert werden, wird der Auslandseinsatz für die Dauer des Wehrdienstes (die übrigens von 18 auf 36 Monate verlängert wird) zur Pflicht. Eine Konstruktion, die beim Staatsrat auf Kopfschütteln stieß. Denn eigentlich sollte man von einem Rekruten, der sich freiwillig zum Dienst meldet, annehmen können, dass er wisse, worauf er sich einlasse.

So wohl durchdacht würden die jungen Leute heute aber nicht handeln, antwortet die Gewerkschaft der Offiziere, die im Gegensatz zum Staatsrat auch die personelle Verstärkung des Militärs von derzeit möglichen 1 127 auf eine langfristige Sollstärke von 1 390 Soldaten in Schutz nimmt. Denn nur mit mehr Personal ließe sich der Druck von den Soldaten nehmen, die sich derzeit quasi im Dauerauslandseinsatz befinden. Diese Überbelastung ist einer der Hauptkritikpunkte der Armeegewerkschaft an die Adresse der Politik. Besonders am Herzen liegt der Berufsvertretung auch eine bessere Vorbereitung der freiwilligen Soldaten auf das spätere Berufsleben – eine Sorge, die bei der Armeereform berücksichtigt wurde. Ehe sie aus dem Wehrdienst entlassen werden, steht den Soldaten eine zwölfmonatige Schulausbildung bevor.

Das Verteidigungsministerium ist derweil darum bemüht, die ersten Udos möglichst zügig auf die Beine zu stellen. Eine erste Einheit soll bereits im September in den Auslandseinsatz ziehen können. Dass die internationalen Herausforderungen, die die Armee zu bewältigen hat, deutlich zunehmen, belegen die Zahlen. Im Januar 2000 leistete die Luxemburger Armee erstmals einen Beitrag zur Kfor-Mission im Kosovo. Drei Jahre später folgte der Isaf-Einsatz in Afghanistan, seit November 2004 ist ein luxemburgischer Unteroffizier in Bosnien-Herzegowina stationiert, im April 2006 folgte die Eusec-Mission in der Demokratischen Republik Kongo, im Oktober 2006 wurde ein Armeesanitäter in den Libanon entsandt, und seit April 2008 sind zwei Soldaten im Tschad stationiert.

Geht es nach dem Willen der nationalen Politik, dann wird es in Zukunft bei diesen Friedenseinsätzen nicht bleiben. Ganz wie es sich die internationalen Bündnispartner wünschen, soll das Großherzogtum sein Scherflein zu den taktischen Einheiten der Europäischen Union beitragen (eine Einheit zur Wasseraufbereitung müsste derzeit bereits im Einsatz sein), ebenso wie die Nato ihren Obolus verlangt, sodass im Jahr 2010 eine Aufklärungseinheit zu den schnellen Eingreiftruppen der Nordatlantischen Allianz entsandt werden soll.

Mehr und umfangreichere Auslandseinsätze erfordern natürlich auch mehr Material. Eigentlich sollte der Verteidigungshaushalt in dieser Legislaturperiode auf 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts angehoben werden. So steht es zumindest im Regierungsprogramm. Dieses Ziel liegt heute, da sich die Militärausgaben auf 0,4 Prozent des BIP belaufen, in weiter Ferne. Auf den neuesten technischen Stand soll die Ausrüstung der Soldaten dennoch gebracht werden. Mit dem Armeegesetz trat nämlich ein weiteres Gesetz in Kraft, das 155 Millionen Euro für die Anschaffung eines neuen Fuhrparks vorsieht. Unter anderem wird derzeit Ersatz für die Humvee-Flotte geschaffen, die mittlerweile mehr als 20 Dienstjahre auf dem Buckel hat.

Um das neue Material bedienen zu können, bedarf es eines entsprechend ausgebildeten Personals. Auch in diesem Punkt hat die Armeereform einige Verbesserungen in die Wege geleitet. Bloß mit der Personalpolitik im Generalstab hatte Jean-Louis Schiltz bislang wenig Glück. Seit dem 21. Januar leitet General Gaston Reinig die Geschicke der Armee. Mit seiner Abbestellung in den Planungsstab des Verteidigungsministeriums wollte sich der bisherige Amtsinhaber Nico Ries allerdings nicht abfinden. Er reichte umgehend Einspruch beim Verwaltungsgericht ein. Das Verfahren läuft noch. 

Die Hausaufgaben

Erledigt:
– Armeereform
– Investitionsprogramm für das Militär

In Arbeit:
– Erneuerung des Fuhrparks der Armee – Aufstellung der Udos
– Renovierung der Kaserne

Noch nicht umgesetzt:
– Erhöhung des Verteidigungsbudgets
– Gesetzentwurf zur Teilnahme an friedenserhaltenden Maßnahmen

Quelle: Luxemburger Wort,  6. August 2008, Seite 2