Die Vernunft ruft nach der Schiene

Eng Fräi Tribune vum Guy Modert, Sekretär CSV-Osten

„Elo hun ech méi nei Schinnen geluecht
wéi all méng Virgänger am Transportministère zënter dem 2. Weltkrich virun mir“ (Henri Grethen, Volmerange-les-Mines, Dezember 2003)

Dieser kurze aber prägnante Satz des früheren, für seinen Pragmatismus bekannten, Transportministers Henri Grethen, anlässlich der Einweihung der 800 Meter langen (!) neuen Eisenbahnverbindung von Düdelingen zum französischem Grenzort Volmerange-les Mines (op Lëtzebuergesch: Wuermer) im Dezember 2003 charakterisiert auf eindrucksvolle Art und Weise den Zustand des luxemburgischen Schienennetzes.

In der Tat ist das luxemburgische Schienennetz seit dem 2. Weltkrieg durch einen permanenten Abbau gekennzeichnet gewesen. Nach den Schmalspurbahnen in den 50er Jahren folgten in den 60er Jahren der Abbau ganzer normalspuriger Eisenbahnlinien, wie der Attertlinie oder der Sauerlinie, die zur Abnabelung ganzer Regionen, z.B. der Untersauer, vom Eisenbahnnetz führten, mit unverkennbaren Konsequenzen bis heute.
Erst mit der Modernisierung und Elektrifizierung der Nordstrecke Mitte der 80er Jahre, unter der Regie des damaligen Staatsministers Jacques Santer, und der Neueröffnung der 2,67 km langen Strecke von Esch/Alzette nach Audun-le-Tiche (op Lëtzebuergesch: Däitsch-Oth) wurden einige neue Akzente im luxemburger Schienenbau gesetzt.

Soziale Verantwortung des Staates ist gefordert

Dabei ist die Schiene die einzige Transportinfrastruktur die die immer stärker werdenden Verkehrsströme in Luxemburg, insbesondere der stetig anwachsenden Berufspendler, in ökonomischer und ökologischer Hinsicht bewältigen kann. Hier muss der Staat seiner sozialen Verantwortung gerecht werden, um den oben beschriebenen Investitionsrückstand in das nationale Schienennetz zu beheben und den Menschen, ob berufstätig oder nicht, moderne, sichere und umweltfreundliche Transportwege zu ihrer Arbeit, Schule, etc. bereitzustellen. So sind z.B. der Bau der Neubaustrecke von Luxemburg über Belval nach Esch-Alzette oder der TGV-Strecke Luxemburg-Bettemburg dringend erforderlich. Aber auch die neue Strecke über Findel nach Kirchberg, wirtschaftliche und europapolitische Zentren in denen in Zukunft über 150.000 Leute arbeiten sollen, oder der doppelgleisige Ausbau des Abschnitts Ötringen-Luxemburg auf der Wasserbilliger Strecke, können nicht länger auf sich warten lassen.

Gegen die hohen Spritpreise

Ein weiterer nicht zu verkennender Aspekt der Modernisierung und des Ausbaus der nationalen Schieneninfrastruktur liegt darin, dass die Leute umso bereiter sind auf den öffentlichen Transport umzusteigen, als die angebotenen Verbindungen schnell und zuverlässig sind. Je mehr Leute auf den Zug umsteigen, umso mehr können sie ihren Wagen getrost zuhause stehen lassen und somit substantiell bei den hohen Benzin- und Dieselkosten sparen. Die dabei ebenfalls erzielte Einsparung an Treibhausgasen, in Zeiten des Klimawandels, brauche ich nur am Rande zu erwähnen. Die oben beschriebenen Notwendigkeiten zum Ausbau des luxemburgischen Schienennetzes können also einen wichtigen Beitrag zum Überwinden der Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern leisten, ein Aspekt der in Zeiten hoher Inflation und des Klimawandels verstärkt Beachtung, sowohl bei den politischen Entscheidungsträgern als auch bei den Gewerkschaften, finden sollte.

Neue Schienen braucht das Land

Der Bau der oben erwähnten neuen Schienenstrecken birgt also nicht zu unterschätzende ökonomische und ökologische Vorteile für die nationale Volkswirtschaft in sich und würde eine nachhaltige Politik „par excellence“ darstellen ! Es scheint aber fast so als ob das sozialistisch geführte Transportministerium diese Notwendigkeiten nicht erkannt hätte, denn es ist in dieser Hinsicht nur wenig auf praktischer Ebene in den letzten Jahren geschehen.

Die Nachbarländer Luxemburgs hingegen haben ihre respektiven Schienennetze aber während den letzten Jahrzehnten konsequent ausgebaut. So hat Frankreich seit den frühen 80er Jahren mit dem Aufbau seines TGV-Netzes eine lobenswerte Vorreiterrolle auf europäischer Ebene im Hochgeschwindigkeitsbereich auf der Schiene übernommen. Aber auch Deutschland mit dem ICE-Netz und sogar Belgien sind in dieser Hinsicht nicht untätig geblieben. Nur, diese Hochgeschwindigkeitsstrecken führen in weitem Bogen um das Groβherzogtum herum, so dass unser Land in eisenbahntechnischer Hinsicht wirklich zu einer Art Inseldasein verurteilt zu sein scheint!

Luxemburg wirksam an Europa anbinden

Der Anschluss des Groherzogtums an das französische Hochgeschwindigkeits-netz, mittels des « TGV Est », im Jahre 2007 ist daher ausdrücklich zu begrüen! Doch damit ist nicht Genüge getan! So gehört die Strecke Luxemburg-Brüssel auch von Grund auf renoviert. Die aktuelle Fahrzeit von fast 3 Stunden zwischen beiden Städten spottet jedem Vergleich und ist für eine Verbindung von zwei Europahauptstädten schlicht unwürdig. Diese Strecke soll, wie anlälich des rezenten Gipfels der Groβregion gefordert, in den Rahmen der Transeuropäischen Netze miteinbezogen werden und zur Hochgeschwindigkeitsbahn ausgebaut werden. Ein Neubau zwischen Arlon und Namür, paralell zur Autobahn E411, wäre dabei idealerweise ins Auge zu fassen, da die aktuelle Strecke auf belgischer Seite, wegen geographischer Probleme (Ardennen), nur schwer ausbaufähig ist. Das Groherzogtum müsste sich aber, im Rahmen des EUROCAPRAIL-Projektes, finanziell an diesem Ausbau auf belgischer Seite beteiligen, weil es ein ureigenes Interesse daran hat nicht von den transeuropäischen Netzen abgeschnitten zu werden. Solche finanziellen Präzedenzfälle Luxemburgs gab es schon anlässlich der oben erwähnten Modernisierung der Nordstrecke sowie des Anschlusses an den „TGV-Est“.

Der Aus-und Neubau der Strecke Luxemburg-Brüssel soll bis spätestens 2014 realisiert werden, wenn auch die französische Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris-Strassburg auf ihrer ganzen Länge fertig gestellt sein wird. Damit wäre eine moderne und effiziente Eisenbahnverbindung zwischen den 3 Europastädten Brüssel, Luxemburg und Strassburg gegeben, die darüber hinaus der gesamten Groregion zugute käme.

Der Ausbau des internationalen Schienennetzes muss aber auch in Richtung Deutschland vorangetrieben werden. So ist unbedingt eine Modernisierung der Eisenbahnstrecke Luxemburg-Trier zwischen Wasserbillig und Trier auf deutscher Seite erforderlich um einerseits die deutschen Grenzpendler zum vermehrten Umstieg auf die Bahn zu bewegen, und somit zu einer wirksamen Entlastung der zu Spitzenzeiten chronisch überlasteten Autobahn A1 Luxemburg-Trier beizutragen. Andererseits würde ein solcher Ausbau auch dem Groβherzogtum einen besseren Zugang zum deutschen ICE-Hochgeschwindigkeitsnetz sichern. Ein zügiges Weiterkommen in diesem Projekt ist bisher aber an der Retizenz der sozialistisch geführten Verkehrsministerien von Rheinland-Pfalz und des Bundes gescheitert, die dieses Projekt nicht gerade im Eilzugtempo zu behandeln scheinen. Des weiteren soll im Rahmen der Groregion eine direkte Eisenbahnverbindung zwischen Luxemburg und Saarbrücken geschaffen werden, die sowohl die regionale Mobilität fördern würde als auch eine bequeme Anbindung an das deutsche Hochgeschwindigkeitsnetz über Saarbrücken realisieren könnte. Die diesbezüglich in Auftrag gegebene Studie ist daher ausdrücklich zu begrüβen. 

Nord-Süd Korridor für Güterzüge durch Europa

Auch beim Güterverkehr auf der Schiene besteht akuter Handlungsbedarf! Beim Gütertransport auf der Straße sind die Grenzen Europas in vieler Hinsicht bereits gefallen. So kann ein Transportunternehmer heutzutage mit seinen Lastwagen ohne größere Probleme quer durch die Europäische Union fahren. Die Problematik der hiermit verbundenen Umweltbelastung, der Belästigung durch Lärm, der Gefahren für die Autofahrer, der Schäden am Straßennetz sowie der oft sozial prekären Arbeitsverhältnisse der LKW-Fahrer und der „Ausflaggung“ ganzer Unternehmen will ich hier aber nur nebenbei anführen.

Bei den Zügen ist es aber etwas anders. Besonders beim Frachtverkehr auf der Schiene müssen die Loks, Zugführer und Mechaniker an den jeweiligen Landesgrenzen gewechselt werden. Daher soll ein Nord-Süd Korridor für den Frachttransport auf der Schiene quer durch Europa geschaffen werden. Diese Trasse soll mittelfristig von Skandinavien aus, an den großen europäischen Seehäfen vorbei, bis nach Spanien führen. Dadurch könnte der Anteil des Frachtverkehrs auf der Schiene, der zur Zeit nur bei etwa 30 bis 35% des Frachtverkehrs auf dem Land liegt, wesentlich erhöht werden.

Ein solcher Nord-Süd Korridor für Güterzüge könnte mittelfristig rund 250 Millionen Europäer erreichen, was 54% der Bevölkerung der Europäischen Union entspräche, die zudem noch 66% des Bruttoinlandproduktes der EU erwirtschaften. Das Verhältnis aus Kosten und Investitionen wäre, laut Brüsseler Experten lobenswert, denn die Kosten für Logistik könnten ebenfalls deutlich gesenkt werden wenn Europa einen solchen Nord-Süd-Korridor hätte. Der Aspekt Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit wäre ebenfalls nicht zu vernachlässigen. Erste Ansätze in Richtung eines ökonomisch und ökologisch effizienten Güterverkehrs auf der Schiene, wie die kürzlich eingeweihte LKW-Autobahn auf der Schiene von Bettemburg nach Perpignan in Südfrankreich sind daher ausdrücklich, im Sinne der Intermodalität, zu begrüßen !

Um die erforderlichen Mittel für diese ambitiösen Projekte bereit zu stellen soll die Regierung einerseits europäische Fördergelder, im Rahmen der Regionalfonds und des EUROCAPRAIL-Projektes, beantragen und andererseits Aufwendungen, in der gleichen Höhe wie diejenigen für den Strassenbaufonds, für den « Fonds du rail » über die nächsten 5 Jahre bereitstellen, damit ein zügiges Vorankommen diesbezüglich gewährleistet werden kann!

Guy MODERT, Sekretär CSV-Osten