Islam in der Europäischen Union: Was steht für die Zukunft auf dem Spiel?

Eine Studie des europäischen Parlaments – 14. Mai 2007
Die gesamte Studie finden Sie im Anhang

Eine Studie des europäischen Parlaments – 14. Mai 2007

Autoren: F. Dassetto, S. Ferrari, B. Maréchal

Die Meinungen sind die der Autoren und geben nicht unbedingt die offizielle Position des europäischen Parlaments wieder.

Zusammenfassung:

Die Studie befasst sich mit dem Islam in der heutigen EU. Muslime und Nichtmuslime müssen Mittel und Wege finden um ihr tägliches Leben zu gestalten. Das „muslimische Kopftuch“ steht sinnbildend für dieses Problem, denn es wirft die Frage des Zusammenlebens auf, nicht nur bei Alltagsaktivitäten im öffentlichen Raum sondern auch mit Blick auf die staatlichen Institutionen und deren Arbeitsweise.

Von Anfang an wird klar gemacht dass die Realität des Islams in Europa sehr vielfältig ist: es gibt grosse Unterschiede zwischen den eurpäischen Muslimen. Diese Heterogenität geht auf nationale, kulturelle, religiöse und sprachliche Besonderheiten zurück, die, wie schon in früheren Genrationen auch heute noch von grosser Bedeutung sind. Entgegen einer verbreiteten Annahme parktizieren nicht alle Muslime den Islam in derselben Weise, zum Beispiel nur ungefähr ein Drittel der 15 Millionen Muslime bekennt sich aktif zu seinem islamischen Glauben. Was die Zahl der Muslime betrifft kann man sagen dass sich die islamische Religion in den letzten 30 Jahren einer wachsenden Popilarität erfreut hat, es ist jedoch nicht sicher dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird.

Die Studie ist unterteilt in 2 grosse thematische Bereiche:
-die verschiedenen Facetten der rechtlichen Integration des Islams in die heutige EU
-die interne Führung der muslimischen Gemeinschaften und deren grundlegende Rolle.
Hinzu kommt noch ein Teil über die Handelungsperspektiven (politische Wege um Lösungen zu finden).

Die Muslime in Europa wollen einen Rechtsstatuts der sich mit dem anderer anerkannter Religionen vergleichen lässt, oft stossen sie bei der Umsetzung von diesem Streben jedoch nicht auf Entgegenkommen. Einer des Gründe hierfür ist die Angst vor einer Radikalisierung des europäischen Islams.

Die muslimische Präsenz in Europa ist ein ungleichmässiger und noch nicht abgeschlossener Prozess. Was hier wichtig ist, ist dass die interne Artikulierung des europäischen Islams noch nicht abgeschlossen ist: es gibt kaum islamische Führer und die betreffenden Bevölkerungsgruppen sind erst im Begriff vom öffentlichen europäischen Raum und ihren Rechten vollen Besitz zu ergreifen.

1. Die Frage der rechtlichen Integration

Am Anfang war der Islam in Europa „eine Religion von Einwandern“ doch mit der Zeit hat er sich zu einer Religion entwickelt die ein rechtmässiger Bestandteil der europäischen Wirklichkeit ist. Dieser Prozess soll von rechtlichen Massnahmen begleitet werden die es den muslimischen Gemeinschaften gestatten sich in das europäische Modell der Beziehungen zwischen Staaten und Religionen einzugliedern. Es gibt natürlich verschidene Modelle für diese Beziehungen aber man kann sagen dass es in allen Staaten 3 gemeinsame Grundsätze gibt:
-Religionsfreiheit
-Autonomie des Religionsgemeinschaften
-Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften.

Das Entstehen muslimischer Organisationen, die auf nationaler Ebene agieren und in der Lage sind, für die in einem Staat angesiedelten muslimischen Gemeinschaften zu sprechen, ist eine Grundvoraussetzung für einen solchen Prozess. Es ist jedoch Ratsam diesen Prozess auf die Lage in jedem einzelnen Land abzustimmen.

Es stellen sich 3 verschiedene Arten von Fragen/Problemen :

• Viele Fragen die die muslimischen Gemeinschaften betreffen werfen keine neuen oder schwierige Rechtsprobleme auf und lassen sich über die Anwendung bewährter Regeln lösen wie sie bereits für andere Religionsgemeinschaften gelten: die ist zum Beispiel der Fall vom Bau von Moscheen oder auch noch vom religiösem Beistand in Gefängnissen oder Krankenhäusern.

• Auf anderen Gebieten ist jedoch etwas mehr Vorsicht geboten: rituelles Schlachten, religiöse Feiertage, separate Bereiche auf Friedhöfen und Zubereitung von speziellen Speisen in Schul- Gefängnis- und anderen Kantinen. Die muslimische Gemeinschaft erhält hier Ausnahmen von den allgemein geltenden Regeln: das wichtigste hier ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Allgemeininteresse und besondere Bedürfnisse zu achten!

• Letzlich gibt es Bereiche in denen die volle Gleichstellung der muslimischen Gemeinschaft mit den anderen Religionen die schon länger in Europa präsent sind mehr Zeit braucht. Beispiele sind hier der Islamunterricht an staatlichen Schulen und Probleme des Personenstands- und Familienrechts (Vielehe und Verstossung).

Es ist intressant hier etwas genauer auf den Islam in der Schule einzugehen: es gibt hier zwei Arten von Problemen: erstens der Religionsunterricht an staatlichen Schulen und zweitens die Gründung privater religiöser Schulen. Was den ersten Punkt betrifft gibt es in der EU 3 verschiedene Modelle für den Religionsunterricht:
-kein Religionsunterricht im schulichen Rahmen
-eine nicht konfessionsgebundene religiöse Bildung die Grundkenntnisse über die wichtigsten Religionen zum Inhalt hat
-konfessionneller Religionsunterricht der einer bestimmten Religion gilt, wo aber das Recht besteht sich abzumelden. Ein Problem mit den Muslimen gibt es nur für dieses letzte Modell.

Die Mitgliedstaaten der EU haben in der Frage des islamischen Religionsunterrichts verschiedene Wege beschritten: in Spanien zum Beispiel können die Eltern zu Beginn jedes Schuljahres beantragen dass ihren Kindern islamischer Religionsunterricht erteilt wird. Der Antrag wird an die zuständigen islamischen Gemeinden weitergeleitet welche Lehrkräfte vorschlagen müssen die über die vom Bildungsministerium geforderten Qualifikationen verfügen. Werden mindestens 10 Kinder überwiesen übernimmt des Staat die Kosten.

Was jetzt die muslimischen Schule in den Mitgliedstaaten der EU betrifft so dürften diese keine besonderen Probleme auswerfen. Sie können unter des Voraussetzung eröffnet werden dass sie die innerstaatlichen Rechtsvorschriften für Privatschulen einhalten, dies ergibt sich aus dem artikel 2 des Zusatzprotokolles nr 1 des Europäischen Menschenrechtskonvention, es gibt jedoch keine Verpflichtung für den Staat diese Schulen finanziell zu unterstützen, so bestehen in Grossbrittanien etwa 60 muslimische Schulen von denen aber nur 4 staatliche Fördermittel erhalten.

Abschliessend kann man sagen dass das europäische Rechtssystem im Rahmen der Beziehungen zwischen Staat und Religion über die erforderlichen Instrumente zur Bewältigung und Lösung der Probleme des Zusammenlebens mit den Muslimen verfügt, wir müssen uns nur mehr Anstrengen.

2. Organisationsformen, Bildung und intellektuelle Führung

Innerhalb des Islams existieren zahlreiche unterschiedliche Denkströhmungen welche sich mit Organisationen verbinden die aus der alten und neueren Geschichte des Islams hervorgehen. In den meissten Fällen führten die Aktivitäten der Mitglieder solcher Organisationen zum Entstehen einer Kette von Moscheen und Gebetsräumen in Europa.

Den Autoren dieser Studie nach bedarf es einen wichtigen Schrittes damit die Integration des Islams in Europa erfolgreich verlaufen soll: Muslime sollten Hochschuleinrichtungen gründen weil die grösste Herausvorderung der Zukunft voraussichtlich darin bestehen wird, eine intellektuelle Elite hervorzubringen, die zu einem autonomen und originären Geistesschaffen in der Lage ist. Die harmonische Entwicklung des Islams in Europa hängt also nicht nur von einer organisatorischen Entwicklung ab sondern vielmehr vom Entstehen einer interlektuellen Dynamik, von soziokulturellen Leistungen und Interaktionen.

Die muslimischen Gemeinschaften müssen aber auch in der Lage sein intellektuelle und normative Darlegungen von europäischen Gesichtspunkten ausgehend zu vertreten. Das Problem ist hier dass der europäische Raum zum jetztigen Zeitpunkt kaum entsprechend ausgebildete Fèhrungskräfte hervorbringt. Hinzu kommt dass der europäische Islam nach wie vor von der Dynamik des Weltislam beeinflusst wird selbst wenn diese von Akteuren vorangetrieben wird die in Europa geboren wurden. Ebenfalls zu bedenken ist die Rückkehr von Einwandern der zweiten Generation, die in islamischen Ländern Islamwissenschaft studiert haben weil ein solches Studium in Europa nicht angeboten wird. Auch sie kehren zurück mit islamischen Lehren im Gepäck die sich nicht immer ohne Probleme in den Kontext ihres Lebensumfeldes einfügen. In solchen Fällen wird der Weltislam nicht nur importiert sondern weitergeführt von Akteuren die in Europa geboren wurden. Daher ist die Enrichtung von Hochschuleneinrichtungen in Europa eine des wichtigsten Prioritäten!

3. Handelungsperspektiven

Eines ist klar, eine Dynamik der Veränderung muss in Gang gesetzt werden! Dabei sind vor allem folgende Aspekte wichtig:

• Berücksichtigung der muslimischen Dimension bei sämtlichen Überlegungen zur europäischen Identität.
• Berücksichtigung des religiösen Elements in den internationalen Beziehungen (südliches Mittelmeer, Balkan, Türkei aber auch in Asien und Afrika wo der Faktor Islam an Bedeutung gewinnt).

• Herstellung eines Gleichgewichts zwischen zwischen den muslimichen Gläubigen und den Gläubigen anderer Religionen. Zu beachten ist dass die gläubigen Muslime – heute zumeist europäische Bürger im vollen Wortsinn – den Anhängern der anderen Religionen gleichgestellt werden.
• Sehr vorsichtige und umsichtige Förderung des Entwicklung eines toleranten und offenen Islam.
• Förderung intensiver Debatten, bei denen auch Themen nicht ausgespart werden die die Menschen verärgern könnten.

Die EU kann und soll hier eine „Steuerungsposition“ einnehmen: Förderung des Meinungsaustauschs und Rückbesinnung auf den Interkulturalismus. Die EU soll helfen bei der Vorbereitung von Projekten wie zum Beispiel der Erforschung des Islam in Europa und darüber hinaus, diese wissenschaftliche Arbeit muss kontinuierlich gestaltet und auf europäischer Ebene besser koordiniert werden.

Ein Reflexionsprozess muss in die Wege geleitet werden, muslimiche und nichtmuslimische Intellektuelle sollen über folgende Fragen diskutieren:
• Religiöse Symbole
• Meinungsfreiheit und Kritik (z.B. der Karikaturenstreit)
• Die Opferung von Tieren
• Der Fastenmonat Ramadan
• Der Festekalender (es gibt in der Welt pluralistisch geprägte Länder (in Asien und Afrika) die den allgemeinen Festkalender so gestaltet haben dass verschiedene Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden).
• Der Bau von Moscheen.