“Knackpunkt Statut”

Am Donnerstag hat die OECD ihren Bericht über die Adern vorgelegt. Arbeitsminister Francis Biltgen will die Empfehlungen zum Teil bis 2009 umsetzen, stellt die Arbeitslosenpolitik insgesamt aber nicht zur Debatte.

d’Wort: Herr Biltgen, die OECD hat in ihrem Audit vor allem die unzureichenden Finanzmittel der Adern moniert. Hat Sie das überrascht? 

François Biltgen:
Überrascht hat mich die Feststellung nicht wirklich. Mein dumpfes Gefühl wurde bestätigt. Wenn die OECD kritisiert, dass Luxemburg nur 0,07 Prozent seines Bruttoinlandprodukts für das Arbeitsamt aufbringt, muss man diese Zahlen etwas relativieren. Ein BIP-Vergleich ist hierzulande immer etwas heikel, weil das BIP unaufhörlich wächst, die anderen Parameter aber nicht im gleichen Maß zulegen. Doch auch wenn man dies berücksichtigt, bleibt es eine Tatsache, dass die Adern unterfinanziert ist. Dies gilt umso mehr, weil sie ein sehr weit gefasstes Aufgabengebiet hat, weiter als dies in den meisten andern Ländern der Fall ist. 

Was mich allerdings überrascht hat, ist dass der finanzielle Aspekt nun so sehr in den Vordergrund geraten ist. Das war nicht die Hauptzielsetzung. Ziel war vielmehr eine fundierte Analyse der luxemburgischen Arbeitsmarktpolitik und der Funktionsweise der Adern. Die Politik an sich stand dabei aber nie zur Debatte. Die OECD sollte nur Empfehlungen ausarbeiten, wie wir die Politik besser umsetzen können. 

Mit der Frage des Geldes ist unmittelbar auch die Personalfrage verknüpft. Auch hier sieht die OECD Handlungsbedarf. 

François Biltgen:
Die OECD sagt zweierlei: Einerseits fehlt es der Adern an Personal. Auf der anderen Seite unterstreicht sie aber auch, dass das Arbeitsamt in die Lage versetzt werden muss, sein Personal auf andere Art und Weise anzuwerben und dass das Personal besser geschult werden muss. Dies gilt insbesondre für die Vermittler. Allerdings will ich in diesem Kontext anmerken, dass der Personalbestand der Adern in der Vergangenheit bereits aufgestockt wurde. Erst kürzlich wurden im Zusammenhang mit dem 5611-Gesetz zehn neue Vermittler eingestellt. Leider sind aber, unter anderem auch auf Grund des stetig wachsenden und ständigen Arbeitsdrucks, einige in andere Behörden übergewechselt. Es ist halt ein schwieriger Job, für den man bestimmte soziale Fähigkeiten mitbringen muss, wie z. B. im Umgang mit Menschen. Das liegt nicht jedem. Die Examen beim Staat geben aber nun einmal keine Auskunft über diese Dinge, da kommt es nur auf die Noten an. Außerdem handelt es sich meistens um Berufsanfänger, die den Arbeitsmarkt kaum kennen. Die Vermittler machen, dank interner Fortbildung bei der Adern eine aufopferungsvolle und gute Arbeit. Sinnvoller wäre es aber, wenn wir Mitarbeiter einstellen könnten, die bereits bestimmte Vorkenntnisse auf diesem Gebiet mitbringen, so wie dies bei den Beratern der Fall ist, die auf privatrechtlicher Basis eingestellt werden.

d’Wort: Die Studie wurde in den Jahren 2005/2006 durchgeführt. Inwiefern wurde das 5611-Gesetz von den OECD-Experten berücksichtigt? 

François Biltgen: Wir haben uns in der Zwischenzeit immer wieder ausgetauscht. Die Experten kannten den Gesetzestext. Übrigens hebt die OECD klar hervor, dass das Gesetz in die richtige Richtung geht. Außerdem sind einige Ideen der OECD, wie etwa die "Convention d’activation", bei der Umsetzung des Gesetzes berücksichtigt worden. Die OECD kritisiert ja die Bestimmungen der Zuweisung als wenig effektiv und als zu streng, wenngleich die Adern hier immer differenziert vorgegangen ist. Mit den im 5611 vorgesehenen Konventionen fahren wir konsequent auf diesem Weg fort. Statt einer einfachen "assignation" wird ein konkretes Profil erarbeitet, das es ermöglichen soll, eine Arbeitsstelle zu finden, die die Wünsche und Fähigkeiten des Erwerbslosen respektiert.
In ihrem Bericht fordert die OECD außerdem zusätzliche Fortbildungsmöglichkeiten. Zwischenzeitlich haben wir bereits die gesetzliche Basis geschaffen, die eine bessere und gezieltere Weiterbildung ermöglicht. So können wir nun beispielsweise in Ausnahmefällen auch Kurse im Ausland anbieten. 

Auch hinsichtlich des Personalmangels kommt es durch das 5611-Gesetz bereits zu einer gewissen Entlastung. Der "guichet unique" und der "service d’accompagnement personnalise des demandeurs d’emploi" (SAPDE) nehmen den Vermittlern einen Teil der Arbeit ab. Eine bessere Vernetzung zwischen den einzelnen Abteilungen tut ein Übriges. Nichtsdestotrotz brauchen wir zusätzliche Vermittler.

d’Wort: Welche der OECD-Empfehlungen ist am schwierigsten umzusetzen?

François Biltgen: Die Finanzfrage scheint mir noch am einfachsten zu lösen, weil wir hier angesichts des Beschäftigungsfonds weniger Einschränkungen unterworfen sind. Wesentlich schwieriger wird es beim künftigen Statut und bei der Mission der Adern. In diesem Punkt wird es sicherlich noch kontroverse Debatten geben. Die einen werden sagen, der Arbeitsminister geht nicht weit genug, die anderen werden mir vorwerfen, ich würde den öffentlichen Dienst untergraben. Das will ich ganz eindeutig nicht. Die Adern wird nicht privatisiert. Dies hat die OECD übrigens auch nicht vorgeschlagen, sie rät nur zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit privaten Vermittlungsfirmen. Über das Statut an sich kann man diskutieren. Allerdings muss die Adern aus dem engen Verwaltungskorsett des öffentlichen Dienstes herausgelöst werden. Das erscheint mir das wichtigste Ziel. Ein Arbeitsamt kann nicht funktionieren wie ein Ministerium, es muss flexibler sein. Außerdem sollte man den Sozialpartnern eine größere Verantwortung übertragen. Wenn man beispielsweise für das Statut eines "etablissement public" optieren würde, könnte ich mir vorstellen, dass neben dem Staat auch die Sozialpartner im Verwaltungsrat vertreten wären.

d’Wort: Die OECD ist nicht ganz unumstritten … 

François Biltgen: In der Tat wird der OECD oft Wirtschaftsliberalismus vorgeworfen. Ein Teil der Sozialpartner hätte die Studie lieber bei einem anderen Institut in Auftrag gegeben. Allerdings hat der nun vorliegende Bericht den Vorteil, dass er die Situation in Luxemburg mit der Situation in den anderen Ländern vergleicht. Wir können uns nun gegenüber dem Ausland positionieren. Außerdem müssen wir ja nicht alle Vorschläge und Empfehlungen der OECD in die Praxis umsetzen. 

INTERVIEW: DANI SCHUMACHER

Quelle: d’Wort, 29.09.2007