Den CSV-Fraktiounssekretär Frank Engel “zu Gast im Land” (20/04/2007)
Im 21. Jahrhundert…
…dürfte ein modernes Land eigentlich keine Verfassung aus dem 19. Jahrhundert mehr haben. Deswegen ist es gut, dass an einer konstitutionellen Modernisierung des Landes gearbeitet wird. Hoffentlich wird bei dieser Übung kein Bogen um Artikel 21 unserer Verfassung gemacht, der schlicht abgeschafft gehört.
« Le mariage civil devra toujours précéder la bénédiction nuptiale. » So etwas klingt harmlos, kaum jemand hat sich je in politischen Auslassungen mit der Bestimmung beschäftigt, und die gesammelten Kräfte des luxemburgischen Fortschritts sind bis jetzt nicht dadurch aufgefallen, dass sie sich an diesem Artikelchen hätten vergreifen wollen. Wenn man ihn abschaffen würde, wäre allerdings eine größere gesellschaftspolitische Reform in die Wege geleitet.
Artikel 21 gibt es aus einem sehr simplen Grund. Als unsere Verfassung geschrieben wurde, war es in der Gesellschaft allein die Kirche, die über ein Personenregister verfügte. Der Staat besaß so etwas nicht. Dieser Umstand war allerdings im 19. Jahrhundert höchst problematisch: die Schaffung moderner Armeen und die Praxis der staatlichen Einziehung und Mobilisierung setzten voraus, dass der Staat auch wusste, wer eingezogen werden konnte – und dafür brauchte er ein Personenregister. Artikel 21 der Verfassung war eines jener Mittel, mit denen der damalige Staat sich Zugang zu unabdingbaren Informationen über seine Bürger verschaffte.
Im Übrigen – auch darauf ist noch kein Vertreter des “Fortschritts” gekommen – ist Artikel 21 konträr zum Prinzip der Trennung von Kirche und Staat. Die Ehe ist ein Sakrament. Sakramente empfängt jemand, der glaubt, der kirchlich leben will. Wieso soll dieser jemand als Bedingung des Empfanges eines bestimmten Sakraments zuvor einen zivilen Vertrag eingehen müssen? Man verlangt doch auch von Kommunionskindern und Konfirmanden nicht, dass sie selbst oder ihre Eltern in ihrem Namen vor Empfang des Sakraments einen zivilen Vertrag abschließen!
Wenn Artikel 21 aus der Verfassung gestrichen würde, stünde es den Menschen in Luxemburg frei, sich zivil, kirchlich, oder auf beide Arten zu trauen – egal, in welcher Reihenfolge. Die zivile Ehe wäre dann definitiv wieder das, was sie eigentlich ist: ein Vertrag zur Regelung der patrimonialen Verhältnisse zwischen Eheleuten, der überhaupt nichts Institutionelles hat – schließlich kann er jederzeit aufgelöst werden. Man könnte gleichgeschlechtlichen Paaren ohne weiteres erlauben, den zivilen Ehevertrag abzuschließen, wenn er nicht so intim mit dem kirchlichen Sakrament verbunden wäre.
Schließlich könnte man für die Dauer der Ehe – idealerweise also bis zum Tod eines der Partner, weniger idealerweise eben bis zur Scheidung – die Fiktion einer Gesellschaft zwischen Ehepartnern dazu nutzen, dass jener Ehepartner, der nicht “arbeitet”, sozialversichert bleibt. Das “Splitting” würde so auf rechtlich einwandfreie Art Realität.
Schade eigentlich, dass noch keiner darauf gekommen ist, Artikel 21 der Verfassung abzuschaffen. Das wäre echte Gesellschaftspolitik…
Frank Engel