Den CSV-Fraktiounssekretär Frank Engel “zu Gast im Land” (26/8/2005)
Die Feststellung, dass unser Land Strukturreformen braucht, ist zum Allgemeinplatz geworden. Dies ist angesichts der Reformträgheit, die weite Teile der luxemburgischen Gesellschaft prägt, eigentlich eine bemerkenswerte Angelegenheit – die denn auch sofort nuanciert werden muss.
Die politischen und gesellschaftlichen Akteure haben in der Tat sehr verschiedenartige Auffassungen, was den Inhalt von Strukturreformen anbelangt. Für die einen darf es eine kleine Revolution sein – nach dem Motto “Es wird Zeit, die Strukturen unseres Landes endlich vom 19. in das 21. Jahrhundert zu transportieren” – für andere würde es eigentlich ausreichen, wenn drei Gemeinden freiwillig fusionieren, und zwei neue Bahnhöfe gebaut werden. Viele Meinungen und Überzeugungen zum Thema situieren sich zwischen diesen beiden Extremen.
Das Parlament hat einen Spezialausschuss ins Leben gerufen, der sich mit der territorialen Neuordnung des Landes befassen soll – und zwar bis Sommer 2006, denn dann läuft die Frist ab, die der Kommission von der Abgeordnetenkammer eingeräumt wurde. Die große Frage ist nun, auf was für ein Reformmodell der Sonderausschuss sich wird einigen können. Läuft es auf eine grundlegende Neuauslegung der kommunalen, regionalen und staatlichen Strukturen hinaus, oder eher auf ein Reförmchen, das nirgendwo aneckt, weil es nichts Greifbares beinhaltet?
Der Aufschrei, der quer durch unsere kommunale Landschaft zu hören war, nachdem die Hauptstadt eine Senkung ihres kommunalen Hebesatzes der Gewerbesteuer beschlossen hatte – übrigens eine zutiefst autonome Entscheidung einer ebenso autonomen Gemeinde – sollte uns die Augen gegenüber der tristen luxemburgischen Gemeindewirklichkeit geöffnet haben. Dutzende von Gemeinden hierzulande sind am Ende – in allen Hinsichten. Ihre Haushalte sind seit Jahren hoffnungslos überdehnt, ihre ureigenen obligatorischen Aufgaben können sie nur noch durch Syndikate wahrnehmen, die bald genauso zahlreich sein werden, wie die Gemeinden selbst – und ihre paar Hundert Einwohner reichen für ein Herumreißen des Ruders nicht aus. Diese Gemeinden haben in der heutigen Zeit keine Daseinsberechtigung mehr. Sie gehören fusioniert, genauso, wie eine Vielzahl von etwas größeren Kommunen, die dennoch wirtschaftlich, landesplanerisch und vorsorgepolitisch nicht wirklich autonom sind. Anfang nächsten Jahres wird Luxemburg noch 116 Gemeinden haben – 40 müssten für ein Land unserer Größenordnung eigentlich ausreichen.
Sollte es zu einer groß angelegten Fusionswelle kommen – das wird übrigens nur per Gesetz realisierbar sein – dann werden sich aus der völlig veränderten Gemeindelandschaft neue strukturelle Herausforderungen ergeben. Hauptamtliche Bürgermeister, die nicht mehr Abgeordnete sein dürfen, Regionen, in denen der Staat planerisch und infrastrukturell zusammen mit den neuen Gemeinden wirken kann, ein Wahlmodus, der für eine Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer sorgt, die der neuen territorialen Wirklichkeit des Landes Rechnung trägt – all dies wird dann in Angriff zu nehmen sein.
Alles, was sich aus einer konsequent durchdachten und verwirklichten Umgestaltung unserer Gemeindelandschaft ergibt, lässt sich wohl in neun oder zehn Monaten nicht im großen Konsens zu Papier bringen. Doch es fragt sich, ob ein solcher Konsens überhaupt Sinn macht. Schließlich könnte es unendlich viel ergiebiger sein, dem Volk einen “Masterplan” zu den visierten Strukturreformen vorzulegen, der nicht notgedrungen das Einverständnis aller parlamentarischen Parteien hätte. So wäre immerhin geklärt, wer was will – und wer, wieder einmal, nicht. Wie auch immer es ausgeht: wenn wir Strukturreformen ernst meinen, dann müssen sie jetzt in Angriff genommen werden. Zumindest indem sich die Parteien deutlich zu jenem territorialen Modell bekennen, das sie sich für das Luxemburg der Zukunft wünschen.
Frank Engel
d’Lëtzebuerger Land, 26.August 2005