De Fraktiounssekretär Frank Engel mengt a sengem Artikel am Lëtzebuerger Land vum 20.Mee daat d’Verfassungsgéigner u sech nëmmen Géigner vun de schon bestoenden EU-Verträg sinn.
Europa, die Verfassung und die Verträge
Die Kampagne für das Referendum über die Europäische Verfassung läuft, in gut anderthalb Monaten begeben sich die Luxemburger zur ersten Volksbefragung seit 1937 an die Urnen. In zehn Tagen werden wir wissen, wie die Franzosen abgestimmt haben, und am Abend des 1. Juni wird auch das niederländische Abstimmungsresultat vorliegen. Hierzulande wird noch bis zum 10. Juli um Stimmen gekämpft und geworben. Dann wird das Volk sprechen.
Man könnte meinen, die Luxemburger wären seit Jahrzehnten ausreichend proeuropäisch eingestellt, um sich am 10. Juli massiv für die europäische Verfassung und damit für das Fortschreiten der europäischen Einigung auf einer neuen qualitativen Ebene auszusprechen. Doch es scheint, als ob auch im Großherzogtum die Verfassungsbegeisterung bei den Wählern nicht jenes Ausmaß erreichte, das bei der übergroßen Mehrheit der politisch Verantwortlichen festgestellt werden kann. Es ist überaus schwierig, die Gründe für die weit verbreitete Skepsis gegenüber der Verfassung auszumachen. Dennoch haben die öffentlichen Anhörungen im Parlament, bei denen die Verfassungsgegner erwartungsgemäß die Oberhand behielten, eines bewiesen: die Gegner der Verfassung sind im Grunde nicht Gegner der Verfassung. Sie sind Gegner der aktuellen europäischen Vertragslandschaft.
Die Europäische Verfassung besteht aus vier Teilen und 448 Artikeln, neben den Protokollen und Erklärungen, die zur Verfassung gehören und ihre Auslegung vereinfachen. Von den 448 Artikeln sind lediglich 60 im eigentlichen Sinne neu, und zwar die 60 des ersten Teils, die weitgehend vom Europäischen Konvent ausgearbeitet wurden und verfassungsrechtlicher Natur sind. Die Artikel 61 bis 114 werden von der europäischen Grundrechtecharta dargestellt, die in die Verfassung integriert worden ist. Und über diese ersten 114 Artikel der Verfassung wir nur selten gestritten. Der Streit zwischen Befürwortern des verfassten Europa und seine Widersachern dreht sich fast ausschließlich um die Bestimmungen des dritten Teils der Verfassung, und der ist eigentlich überhaupt nicht neu: es handelt sich dabei um den “Vertragsacquis”, also um den Inhalt der bereits heute gültigen europäischen Verträge, der in die Verfassung eingebettet worden ist. Die europäischen Politiken, die Konkurrenzregeln, die wirtschaftliche Ausrichtung der aktuellen Europäischen Union, dies sind die Themen, die im Vorfeld der verschiedenen nationalen Referenden über die europäische Verfassung umstritten sind. Nicht das Prinzip der Verfassung, nicht die Logik der Verfassung, nicht die verfassungsmäßigen Ziele der Union und schon gar nicht die Grundrechte der Europäer.
Demnach sieht es so aus, als ob die “Verfassungsgegner” im wesentlichen Vertragsgegner seien. Mit einer Ablehnung der Verfassung durch die Luxemburger am 10. Juli würden sie also genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie sich erhoffen. Wenn nämlich die Verfassung nicht in Kraft treten kann, gelten weiterhin die europäischen Verträge – jene Verträge, deren politische, wirtschaftliche und soziale Ausrichtung von den “Verfassungsgegnern” bekämpft wird.
Die Europäische Verfassung ist der beste Garant für eine sozialere, menschlichere, umweltgerechtere Europäische Union. Sie stellt die Erweiterung auf sichere Füße, festigt die Institutionen und verstärkt die Rolle Europas in der Welt. Sie gibt den Europäern mehr Rechte und auf ihrer Grundlage wird die europäische Demokratie ausgebaut. Wer den Frieden, den Wohlstand und den sozialen Fortschritt auf unserem Kontinent dauerhaft sichern will, muss für die Europäische Verfassung sein. Sie ist mehr als die bestehenden Verträge, sie ist besser als die bestehenden Verträge, sie ist europäischer als die bestehenden Verträge.
Diese Europäische Verfassung ist es wert, dass wir ihr am 10. Juli unsere Zustimmung geben.
Frank Engel