Die Zahl der Konkurse kann nur dann dratsisch verhindert werden, wenn die Haltung gegenüber Betrieben in Schwierigkeiten ändert – Tatsachen und Vorschläge
Die Zahl der Konkurse in Luxemburg hat besorgniserrende Dimensionen erreicht. Weit über 700 Konkurse in den Jahren 2000 und 2001, nur knapp weniger 2002, fordern die Politik dazu heraus, neue Rahmenbedingungen für Betriebe in Schwierigkeiten zu schaffen. Denn die hohe Zahl der Insolvenzen ist keine absolute Fatalität.
Die Statistiken lassen keinen Unterschied zwischen Briefkastenfirmen und solchen Betrieben erkennen, deren reale wirtschaftliche Tätigkeit in ersten Schwierigkeiten ist, jedoch nicht notgedrungen zum definitiven Scheitern verurteilt sein muss. Hier liegt denn auch der erste Ansatzpunkt für eine Neufassung der Konkursgesetzgebung. Zukünftig muss gewährleistet sein, dass Scheinfirmen schnell und unkompliziert liquidiert werden können, während Betriebe in Schwierigkeiten aufgefangen und saniert werden sollen – soweit dies eben möglich ist.
Die rechtliche Konzeption eines Konkurses ist noch immer jene, die vor hundert oder zweihundert Jahren galt : wer einen Betrieb nicht rentabel führen kann, und irgendwann Konkurs anmelden muss, wird als Betrüger an der Gesellschaft angesehen. Diese Auffassung entspricht nicht mehr den wirtschaftlichen Realitäten unserer Zeit.
Es muss darum gehen, die Schwierigkeiten, in die ein Betrieb geraten ist, frühzeitig zu erkennen, und diese nach Möglichkeit auszubügeln. Das wird nicht immer funktionieren – bei Briefkastenfirmen braucht es das sowieso nicht. Jene Betriebe, die zeitweilig finanziell in Bedrängnis geraten, müssen im Rahmen einer Sanierungsprozedur erfasst werden. Die Steuerverwaltungen und die soziale Sicherheit sollten eine solche Prozedur auslösen können, da sie im Regelfall die ersten sind, die das Ausbleiben von geschuldeten Zahlungen durch einen Betrieb bemerken. Dies sollte dazu führen, dass eine Beobachtungsphase eingeläutet wird, während der ein Betrieb von offizieller Seite jene Hilfestellungen in seiner Tätigkeit erhält, die er braucht, um eine Sanierung planen und angehen zu können. Erscheint es möglich, einen Betrieb zu retten, so wird auf einen Konkurs verzichtet. Im gegenteiligen Fall trägt die Schaffung eines Früherkennungsmechanismus doch dazu bei, dass die Schulden eines Betriebes, der nicht mehr zu retten ist, sich in Grenzen halten.
Jeder Konkurs birgt zumindest potentiell eine Beschäftigungskomponente. Zum Erhalt von Arbeitsplätzen und der Lebensgestaltungsperspektiven von Unternehmern und Angestellten ist die Abwendung der grösstmöglichen Zahl von Konkursen eine absolute Notwendigkeit. Hierzu gehört auch eine hohe Zahlungsmoral des Staates und eine schnelle Abwicklung jener Prozeduren, die dazu dienen, den Betrieben geschuldetes Geld zukommen zu lassen – dies gilt insbesondere für die Mehrwertsteuer. Hierzu gehört jedoch vor allem ein Umdenken in bezug auf wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Betriebes. Selbständigkeit und Betriebsgründergeist sind in unserer Zeit äusserst anstrebenswerte Ziele. An der Politik ist es, jene Mechanismen zu schaffen, die unter Wahrung der Freiheit von Gewerbe und Industrie Betriebsgründer begleiten und unterstützen, wenn es einmal eng wird – damit es möglichst oft danach weitergehen kann !
Patrick Santer