Marcel Glesener: Das Abgeordnetenmandat als verlängerter Arm des Gewerkschafters
Sein Herz schlägt nach wie vor für die Gewerkschaft. Das Metier des Gewerkschafters kennt Marcel Glesener von der Pike auf: Vom einfachen Delegierten in der Personaldelegation bis hin zum Präsidenten reicht sein Werdegang.
Das sozialpolitische Engagement wurde ihm schon in die Wiege gelegt. Sein Vater, der 1938 bei einem Grubenunglück ums Leben kam, hatte sich bereits der gewerkschaftlichen Arbeit verschrieben. Im Alter von nur 15 Jahren engagiert sich der junge Marcel Glesener in der katholischen Arbeiterjugend JOC: “In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg habe ich die ganzen sozialen Fragen hautnah zuhause miterlebt”, erinnert sich der CSV-Politiker.
Nach seiner Lehre als Maschinenschlosser arbeitet er bei Arbed-Belval. 1958 tritt er in den LCGB ein und wird Mitglied im Hauptausschuss von Arbed-Belval. 1962 wird er wegen der Teilnahme an einem Streik vom Dienst suspendiert. 1968 avanciert er zum hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär, 1974 erfolgt die Ernennung zum Generalsekretär, 1980 wird er schließlich zum Präsidenten des christlichen Gewerkschaftsbundes gewählt. Bis 1996 steht er an der Spitze des LCGB.
Sein Entschluss, in die Politik zu gehen, fiel im Zusammenhang mit der Stahlkrise: “Damals stellten sich eine Menge arbeits- und sozialrechtlicher Fragen. Luxemburg befand sich an einem Wendepunkt und ich gelangte zur Überzeugung, dass ich in der Politik mehr erreichen könnte.”
1989 tritt Marcel Glesener erstmals bei den Parlamentswahlen an und wird prompt gewählt. Sein politisches Mandat sieht er als Weiterführung seines gewerkschaftlichen Engagements. Sein politisches Eintreten basiert auf der Erkenntnis, dass es nicht ausreicht, nur Forderungen zu stellen: “Die Umsetzung der gesellschaftspolitischen Vorstellungen, die man als Gewerkschafter hat, geschieht nun einmal auf der politischen Bühne”, gibt Glesener zu bedenken.
Sieben Jahre lang, bis 1996, kämpft er an zwei Fronten: Auf der einen Seite steht er weiterhin dem LCGB als Präsident vor, und auf der anderen Seite verteidigt er die gewerkschaftlichen Interessen auf Krautmarkt. In der Abgeordnetenkammer habe sich ihm allerdings eine andere Sicht der Dinge aufgezwungen, gibt der Sozialpolitiker zu. “Die gewerkschaftlichen Forderungen sind nur eine Seite der Medaille. Die Umsetzung auf dem politischen Parkett eine andere. Das erforderte erst einmal einen Lernprozess”, so Marcel Glesener rückblickend. Er habe lernen müssen, tragfähige Kompromisse zu schließen. Das war für den überzeugten Gewerkschafter nicht immer einfach. Auch habe er durch seine Arbeit im Parlament die “andere Seite” zunehmend besser verstanden: “Man betrachtet die Dinge nicht mehr so einseitig. Man lernt sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und sie zu akzeptieren.” Man werde konzilianter, gibt Marcel Glesener rückblickend zu. Apropos Kompromiss: Aus der Stahlkrise ging ja auch die Tripartite hervor, das Luxemburger Modell war geboren. Für Marcel Glesener ist die Tripartite nach wie vor das beste Mittel zum Krisenmanagement.
In seiner nunmehr 18-jährigen Laufbahn als Abgeordneter hat Marcel Glesener viel erreicht. Vor allem die Absicherung des Mindestlohns lag ihm am Herzen. Das Pan-Gesetz aus dem Jahr 1999 ist untrennbar mit dem Namen Glesener verbunden. Weitere Etappen auf seinem Weg waren die Pflegeversicherung und die Reform der Kollektivvertragsgesetzgebung. Nicht unzufrieden stellt er außerdem fest, dass viele Vorschläge aus dem Bericht der Spezialkommission Immigration, deren Präsident er war, bei der derzeitigen Debatte wiederauftauchen.
Sowohl als Gewerkschafter als auch als Politiker galt aber sein besonderes Augenmerk der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten: “In vielen Zwischenetappen wurden seit den 70er-Jahren die Unterschiede im Arbeits- und Sozialrecht zwischen den beiden Statuten ausgeglichen; die jetzige Einigung in der Debatte um das Einheitsstatut ist eigentlich nur der Abschluss einer ,Jahrhundertreform’, die sich über mehrere Jahrzehnte hingezogen hat”, kommentiert Glesener die rezente Entwicklung. Dass das Einheitsstatut, für das er so lange gekämpft hat, nun endlich Wirklichkeit werden soll, stimmt den engagierten Sozialpolitiker sichtlich zufrieden. Einziger Wermutstropfen sind die langen Übergangsfristen: “Leider dauert es noch bis 2014, bis die Arbeiter endgültig gleichgestellt sind.”
Doch auch nachdem sein langgehegter Traum endlich Wirklichkeit wurde, mangelt es nicht an politischen Baustellen, stellt Marcel Glesener fest. Vor allem die Reform des Arbeitsamts will er jetzt vorantreiben. Dass dies eine “harte Nuss” werden wird, dessen ist er sich bewusst. Aber für den ehemaligen Gewerkschafter stellt die Arbeitslosigkeit eine der größten Herausforderungen an die Gesellschaft dar. Und ein weiteres Projekt liegt ihm am Herzen: Als Berichterstatter setzt er sich derzeit intensiv mit der Reform der Gewerbeinspektion auseinander.
Quelle: d’Wort, 10. August 2007, DANI SCHUMACHER