Im Gespräch mit dem “Wort” äußert sich der CSV-Abgeordnete Patrick Santer zu den Schwerpunkten seines Abschlussberichtes zum Thema innere Sicherheit sowie den größten Problemen, die es im Kampf gegen die Kriminalität zu bewältigen gelte.
Herr Santer, im Hinblick auf die Orientierungsdebatte hat der Justizausschuss eine Vielzahl von Meinungen eingeholt. Was hat Sie dabei besonders überrascht oder beeindruckt?
Um ehrlich zu sein, waren uns die meisten Schwachstellen bereits im Vorfeld bekannt. Überrascht hat uns lediglich das Ausmaß einiger Probleme. Ein Beispiel: Die Tatsache, dass einige Polizeidienststellen nur mit drei oder vier Beamten besetzt sind und bereits um 17 Uhr schließen, wirft natürlich Fragen auf. Wobei ich hinzufügen möchte, dass der Justizminister bereits die erforderlichen Schritte in die Wege geleitet hat, um Abhilfe zu schaffen.
Mit mehr Kompetenzen für die “agents municipaux”, mit privaten Sicherheitsfirmen und der Kameraüberwachung?
Eigentlich sind private Wachdienste nicht zu repressiven Maßnahmen im Kampf gegen die Kriminalität an öffentlichen Orten befugt. Wirksamer könnte sich eine bessere Koordinierung zwischen Polizei und Gemeinden erweisen. Das Gleiche gilt für die Kompetenzen der “agents municipaux”. Gesteht man ihnen neue Zuständigkeitsbereiche zu, so darf daraus keine Parallel- oder Gemeindepolizei entstehen. Und auch das Abschreckungspotenzial der Videokameras hält sich in Grenzen, da sich die Kriminalität in unüberwachte Gegenden zu verlagern droht.
Gleichgewicht bewahren zwischen Verbrechensbekämpfung und individuellen Grundrechten
Wie kann es dennoch gelingen, gegen das sehr subjektive Unsicherheitsbefinden vorzugehen?
Durch mehr Polizeipräsenz vor Ort. Was aber nicht heißen soll, dass hinter jedem Baum ein Sicherheitsbeamter stehen soll. Der totale Überwachungsstaat kann ausdrücklich nicht unser Ziel sein. Auch angesichts von Bedrohungen wie dem internationalen Terrorismus müssen wir einen kühlen Kopf und das Gleichgewicht bewahren zwischen Verbrechensbekämpfung und den individuellen Grundrechten. Diese dürfen nicht eingeschränkt werden, nur weil es die Terrorgefahr gibt. Ich sage nur: Guantánamo.
Wofür der Justizminister ein gewisses Verständnis gezeigt hat.
Wer die Kriminalität bekämpfen will, muss sich an Regeln halten. Auch Beschuldigte und verurteilte Straftäter haben Rechte, die ein Rechtsstaat achten muss. Wir sollten nicht in ein Rechtsverständnis des 19. Jahrhunderts zurückfallen und Kriminelle in extraterritoriale Strafkolonien verbannen.
Apropos Terrorismus: Über dessen Bekämpfung sowie den Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität steht in Ihrem Abschlussbericht kaum etwas. Wurden die eigentlichen Probleme ausgeklammert?
Unsere Aufgabe bestand nicht darin, eine Diskussion über die Rechtmäßigkeit unserer Anti-Terror-Gesetze anzufangen oder generell den Inhalt unserer Strafgesetze zu untersuchen. Uns ging es vielmehr darum, den Rahmen und die Prozeduren der Verbrechensbekämpfung zu überprüfen.
Über alternative Ahndungsmöglichkeiten nachdenken
Wobei auffällt, dass Sie eher zur Mäßigung denn zur Strenge anregen. Zum Beispiel was die Anzahl der Gesetze mit strafrechtlichen Bestimmungen angeht.
In der Tat verabschiedet der Gesetzgeber zu viele Verordnungen mit strafrechtlichen Folgen, auch wenn die öffentliche Ruhe kaum gestört wurde. Dadurch entsteht die Gefahr, dass wegen der Vielzahl von Strafandrohungen deren Wirkung verpufft und sich ein Gefühl von Straffreiheit verbreitet, das ja eigentlich nicht erst entstehen sollte. Deswegen sollte der Gesetzgeber über alternative Ahndungsmöglichkeiten nachdenken wie etwa administrative Strafen.
Die Vielzahl von Strafverfahren verstärkt unweigerlich die Überbelegung der Justizvollzugsanstalt Schrassig. Bis ein zweites Gefängnis steht, wird noch einige Zeit vergehen. Wie kann man in der Zwischenzeit Abhilfe schaffen?
Zum Beispiel durch die Verlagerung der minderjährigen Häftlinge nach Dreiborn, den Bau des “Centre de rétention” für abgelehnte Asylbewerber und Illegale oder die elektronische Fußfessel. Und auch der Rahmenbeschluss der EU-Justizminister über die Überstellung von nicht gebietsansässigen Häftlingen in ihr Heimatland verspricht Entlastung. Immerhin wären 112 Schrassig-Insassen davon betroffen.
Die Empfehlungen Ihres Berichts sollen nicht in ein Gesetzesprojekt münden. Wie wollen Sie dennoch für deren Umsetzung sorgen?
Es ist ja nicht so, dass mit der Orientierungsdebatte die Diskussion um die innere Sicherheit abgeschlossen wäre. Gesetzentwürfe werden auch in Zukunft eingebracht werden. Und dabei werden wir schon darauf achten, dass der Minister unsere Prioritäten berücksichtigt.
Quelle: Wort, 4. Juli 2007, Joelle Merges