Gerechtigkeit, Solidarität und Chancengleichheit

75 Jahre Caritas, Familienministerin Marie-Josée Jacobs: “Caritas bedeutet eine menschliche Grundhaltung und ein gesellschaftliches Aktionsprogramm”

Für mich ist Caritas weitaus mehr als der Name eines großen Trägervereins. Caritas bedeutet eine menschliche Grundhaltung und ein gesellschaftliches Aktionsprogramm, dem sich viele Menschen – vor allem aber auch alle echten Christen – verpflichtet wissen.

Caritas steht für die Erkenntnis, dass auch und sogar vor allem in unseren hoch entwickelten und reichen Gesellschaften Menschen auf der Strecke bleiben und ausgesondert werden. Caritas hat Augen und Ohren für Kinder und Jugendliche, die leiden, für Frauen und Männer, die am Leben zerbrechen, für Flüchtlinge, für Behinderte, die ihren Platz nicht finden, für Alte und Pflegebedürftige, die resignieren. Caritas hat ein Herz für die ungezählten Armen, Kranken, Hungernden und Gefolterten in fernen Ländern. Luxemburg ist keine einsame Insel der Glückseligen.

Caritas lehnt die atavistische Haltung, Not und Leiden seien vor allem selbstverschuldet, kategorisch ab. Sie entspricht weder den Ergebnissen der Sozialforschung, noch der Grundhaltung, die Jesus Christus bezeugt und fordert. Wer es mit Caritas ernst meint, zollt den Armen hohen Respekt, setzt sich offen mit ihnen und ihrer Lage auseinander, tut alles, um die Würde und das Recht auf Selbstbestimmung der Betroffenen zu achten.

Caritas heißt handeln: Anwaltschaft übernehmen, Unrecht anprangern, Arbeit beschaffen, Wohnraum erschließen, Gesetze erwirken, Mittel beschaffen, weiterbilden, beraten, trösten, da sein, mitmachen lassen … Selbstverständlich brauchen Menschen in Not kompetente Sozialarbeiter. Doch geht es nicht an, unser Engagement ausschließlich an Sozialtechniker zu delegieren. Wir alle bleiben selber gefordert; sonst steuern wir vorbei am hohen Ziel der sozialen Integration und Partizipation. Gleichermaßen verwirklicht sich Caritas authentisch nur dort, wo nicht nur für, sondern vor allem auch mit den Menschen in Not Aktionen zustande kommen. Viele Vereinigungen unseres Landes stehen für ähnliche Ideale und Aktionsprorgramme wie die Luxemburger Caritas. Sie alle verdienen unsere Anerkennung und unsere Unterstützung. Heute möchte ich vor allem, den vielen Frauen und Männern danken, die sich im Rahmen der großen Caritas-Familie großzügig engagieren. Sie geben in Luxemburg der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Chancengleichheit ein freundliches Gesicht, feste Arme und warme Hände.

Marie-Josée Jacobs,
Ministerin für Familie, Integration und Chancengleichheit

Quelle: Wort, 14. Juni 2007