Lebenslanges Lernen am Beispiel der Erwachsenenlehre

Marc Spautz, CSV-Abgeordneter und LCGB-Generalsekretär über die Reform der Erwachsenenlehre

Unserer Wirtschaft geht es gut, die Wachstumsprognosen wurden nach oben korrigiert und unser Arbeitsmarkt sucht händeringend qualifizierte Arbeitskräfte. Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl derer, die sich auf dem Luxemburger Arbeitsamt als arbeitsuchend einschreiben. Mit diesem Paradox muss die Luxemburger Gesellschaft schon seit einiger Zeit leben, und wie es scheint ist demnächst auch keine wesentliche Änderung in Sicht.

In der Diskussion über die Gesetzesvorlage 5611, die sich unter anderem ja auch mit der Arbeitsmarktpolitik befasst, wurde viel über die Qualifizierung der Arbeitssuchenden geredet. Ein wesentliches Element dieser Diskussion stellt der “apprentissage pour adultes” dar. Und da aus technischen Gründen Änderungen in diesem Feld nicht in die oben genannte Gesetzesvorlage integriert werden konnten, ist dies die Gelegenheit einige grundlegende Überlegungen anzuführen.

Als 1999 mit dem sogenannten PAN-Gesetz die Erwachsenenlehre eingeführt wurde, geschah dies auch unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens. Es sollte die Möglichkeiten geschaffen werden, Arbeitnehmern, die aus welchen Gründen auch immer ihre Ausbildung abgebrochen hatten oder überhaupt keine begonnen hatten, nun eine Qualifizierung zu ermöglichen.

Dabei wurde das Mindestalter auf 18 Jahre festgesetzt und die Bestimmung nicht mehr in der Schule gewesen zu sein auf 1 Jahr. Im Laufe der Zeit, in der nun diese Erwachsenlehre besteht, wurde ersichtlich, dass diese Maßnahme erfolgreich ist. So wurden im ersten Jahr der Einführung 80 Lehrverträge abgeschlossen, seit nun zwei Jahren sind es pro Jahr ungefähr 450 Verträge. Dies heißt nicht nur, dass viele Arbeitnehmer persönlich die Möglichkeit wahrnehmen sich zu qualifizieren, sondern auch, dass im Gegenzug dem Luxemburger Arbeitsmarkt mehr qualifizierte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen.

Jedoch wurde aber auch im Laufe der letzten Jahre festgestellt, dass die Zugangsbestimmungen zur Erwachsenlehre einer Überprüfung bedürfen. Tatsache ist, dass mehr als das Doppelte an Anträgen zur Zulassung einer Erwachsenenlehre vorliegt, als nachher Verträge abgeschlossen werden. Haupthindernis zum Abschluss eines Lehrvertrages ist das Nichtbeherrschen der deutschen oder der französischen Sprache.

Hier ist vor allem das Erziehungsministerium gefordert, aber auch die Sozialpartner, die im Rahmen der Ausbildung eine gemeinsame Verantwortung haben. Alle müssen sich der Realität der Zusammensetzung der Luxemburger Gesellschaft stellen und müssen ihren Teil zu den notwendigen Änderungen beitragen. Und da in unserem Land immer mehr Einwohner überwiegend oder fast ausschließlich nur noch französisch sprechen, müssen auch unsere Ausbildungswege angepasst werden, respektive müssen verstärkt Sprachkurse in der einen und anderen Sprache angeboten werden. Und vor allem hier herrscht akuter Mangel an kostengünstigen Angeboten!

Des Weiteren muss auch die Bestimmung, ein Jahr nicht mehr im Schulsystem integriert gewesen zu sein, überdacht werden. Eine ganze Reihe von Jugendlichen hat nämlich ganz bewusst ihre Ausbildung abgebrochen, hat während eines Jahres gearbeitet oder auch nicht, und hat dann nach Ablauf dieser Karenzzeit eine Erwachsenenausbildung begonnen. Um diesen in meinen Augen nicht gewollten Effekt zu unterbinden, muss die Karenzzeit erhöht werden. Es ist ja auch nicht fair gegenüber all jenen, die über den “normalen” Weg ihre Ausbildung machen. Die einen erhalten ihre Lehrlingsentschädigung, die anderen, die das System und seine Lücken gut kennen, den Mindestlohn.

Eine staatliche Maßnahme hin zu mehr Qualifizierung kann nicht Tür und Tor öffnen für die Möglichkeit des bewussten Abbrechens der schulischen Ausbildung. Dies war nicht gewollt und die festgestellten Missbräuche müssen unterbunden werden.

Es ist deshalb wünschenswert, dass die Zulassungsbestimmungen zur Erwachsenlehre schnell geändert werden, dies vor allem auch damit ein Jeder sich rechtzeitig auf die neuen Bedingungen einstellen kann.

Lebenslanges Lernen ist eine Notwendigkeit und dies im Interesse des Einzelnen aber auch der Allgemeinheit.

Marc SPAUTZ
LCGB-Generalsekretär, CSV-Abgeordneter

Quelle: Soziale Fortschrëtt, Februar 2007

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