Gewerkschaftlicher Druck darf nicht nachlassen

Leitartikel von Georges Bach im Transport N°2

GBach.jpgSeit nunmehr 15 Jahren rollt die Liberalisierungswelle im Schienenverkehr durch die Europäische Union. Viele Entscheidungsträger sind von dieser Idee angetan, erlaubt in ihren Augen doch nur ein komplett freier Zugang zum Netz und freie Marktentfaltung der einzelnen Unternehmen ein Aufschwung des Schienenverkehrs in Europa. So wurden nach und nach einzelne Schritte Richtung Liberalisierung realisiert, u.a. die strikte Trennung von Netz und Bahnbetrieb sowie ab dem 1. Januar 2007 die komplette Liberalisierung des Schienengüterverkehrs.

Als Gewerkschaften stehen wir bekanntlich dieser Idee mehr als skeptisch gegenüber. Statt ” Open access” im wilden Konkurrenzkampf bevorzugen wir nach wie vor Kooperationen unter den einzelnen Bahnen. Auch dieses System, welches über Jahrzehnte hinweg funktioniert hat, kann reformiert werden um den neuesten Marktanforderungen gerecht zu werden.

Hiervon betroffen ist auch die CFL Cargo. Auch dieses Unternehmen wird sich der Konkurrenz stellen müssen. Wie dabei die Zukunft aussehen wird lässt sich zur Zeit schwer einschätzen. Vielversprechende Ansätze sind jedenfalls zu erkennen.

Als SYPROLUX werden wir natürlich diese Entwicklung aufmerksam verfolgen und positiv mitgestalten. Wir werden allerdings auch unserer Rolle gerecht werden und die Interessen des Personals verteidigen, Missstände anprangern und Zugeständnisse erwirken. Ein erster Schritt werden die Kollektivvertragsverhandlungen sein, die demnächst anlaufen.

Ein weiterer Schritt Richtung Liberalisierung wurde vergangene Woche eingeleitet. Das Europäische Parlament in Strassburg stimmte in zweiter Lesung einer Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs zu, die somit im Jahre 2010 ( Luxemburg 2012) in Kraft treten wird. Wie wichtig dabei politische Einflussnahme ist, wurde deutlich am Beispiel “Öffnung der Nationalen Eisenbahnmärkte”. Nicht zuletzt auf gewerkschaftlichen Druck hin konnte sich diese Idee nämlich nicht durchsetzen.

Auch wenn wir die Liberalisierung nicht verhindern konnten, so zeigt sich gleich an mehreren Beispielen, dass gewerkschaftliche Gegenwehr dennoch ihre Früchte trägt. So konnte u.a. im Sozialdialog eine Direktive über die Einsatzbedingungen im grenzüberschreitenden Verkehr erstellt werden. Auch wurde letzte Woche eine Richtlinie angenommen die darauf abzielt, Mindestanforderungen für die Ausbildung der Lokführer festzulegen. In diese Richtlinie einbezogen wurde des Weiteren auf unseren Druck hin das Bordpersonal. Auch für sie werden damit Standards betreffend Eignung, Ausbildung und Kompetenzen gestellt.

Gewerkschaftlichen Druck werden wir allerdings auch weiterhin ausüben auf die politischen Entscheidungsträger hinsichtlich einer technischen und reglementarischen Harmonisierung in Europa. Allein eine Marktöffnung zu propagieren und mehr Flexibilität, größere Polyvalenz und eine Erhöhung der Produktivität der Beschäftigten zu fordern kann nicht das Allheilmittel sein. Dringend erforderlich sind Ausbau der Infrastrukturen, Vereinheitlichung der Vorschriften und Reglemente sowie Harmonisierung der technischen Installationen. Nur eine entsprechend angepasste Produktion kann grenzüberschreitende Leistungen effizient und wirtschaftlich gestalten.

Allein am Beispiel “Zulassung des Materials” sieht man, dass man von einem einheitlichen Europa weit entfernt ist. Bevor Fuhrmaterial grenzüberschreitend eingesetzt werden kann, müssen nicht nur kostenintensive Speziallösungen für die jeweils national unterschiedlichen Stromsysteme, Zugsicherungstechniken, Betriebsverfahren und Infrastrukturanpassungen technisch integriert werden, sondern auch in jedem Land mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand die jeweilige Zulassung erwirkt werden. Will man jedoch am steigenden Verkehrsaufkommen aktiv teilnehmen müssen schnellstens bürokratischen Hürden abgebaut und eine weitgehende Harmonisierung der behördlichen Anforderungen hinsichtlich der Fahrzeuge und eine gegenseitige Anerkennung von Gutachten Voraussetzung werden. Nicht die Personalkosten sind demnach das eigentliche Problem sondern ein gemeinsames Zusammenarbeiten von Hersteller, Bahnunternehmen, Infrastrukturbetreiber und insbesondere der Behörden betreffend den Zulassungsaufwand können viel zur Wirtschaftlichkeit des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs beitragen.