„Es darf zu keinem Stillstand kommen“

Fernand Boden im “Wort” Sommerinterview Dienstältester Minister will Lage am Wohnungsmarkt entschärfen Ausarbeitung eines neues Agrargesetzes, Vorbereitung des nächsten Fünfjahresplanes für die Tourismusbranche, administrative Schlankheitskur für Handel und Handwerk, Begradigung der Schieflage am Wohnungsmarkt: Über mangelnde Beschäftigung braucht sich Fernand Boden, mit Abstand dienstältestes Mitglied der Juncker/Asselborn-Mannschaft, nicht zu beklagen.

“Es darf zu keinem Stillstand kommen”
Fernand Boden im “Wort” Sommerinterview
Dienstältester Minister will Lage am Wohnungsmarkt entschärfen
Ausarbeitung eines neues Agrargesetzes, Vorbereitung des nächsten Fünfjahresplanes für die Tourismusbranche, administrative Schlankheitskur für Handel und Handwerk, Begradigung der Schieflage am Wohnungsmarkt: Über mangelnde Beschäftigung braucht sich Fernand Boden, mit Abstand dienstältestes Mitglied der Juncker/Asselborn-Mannschaft, nicht zu beklagen.


Ohne Zweifel haben die hohen Temperaturen und die damit einhergehende Trockenheit den Kulturen und deren Ertrag zugesetzt. Wir haben auch bereits erste Maßnahmen ergriffen und bei der EU-Kommission beantragt, dass die still gelegten Flächen zu Futterzwecken genutzt werden dürfen. Diesem Gesuch wurde stattgegeben.

Inwieweit kam das Juli-Hoch dem hiesigen Fremdenverkehr zugute?
Ersten Schätzungen zufolge profitierten vor allem die Campingplätze. Das Wetter allein ist aber nicht ausschlaggebend für eine gute oder schlechte Tourismussaison.

Sondern?
Es kommt ganz klar auf die Attraktivität und die Qualität des Angebots an. Da haben wir in jüngster Vergangenheit beachtliche Fortschritte gemacht, ob beim Kongress- oder beim Kulturtourismus. Auch in puncto Kurzferien haben wir die Zeichen der Zeit erkannt. Tourismus ist nichts Statisches. Es bedarf kontinuierlicher Anstrengungen und Investitionen. Dem werden wir im nächsten Fünfjahresplan ab 2008 natürlich Rechnung tragen, die Regionalisierung und Professionalisierung fördern. Wie es gehen kann, zeigt die Moselgegend. Dort hat sich zuletzt viel getan.

Das Centre mosellan in Ehnen lässt aber auf sich warten …
… weil die Regierung finanzpolitische Prioritäten setzen musste. Die Vorarbeiten werden fortgeführt, so dass das Projekt mittelfristig realisiert werden kann. Hier können wir schließlich zwei Trümpfe miteinander ausspielen, Fremdenverkehr und Weinbau.

Stichwort Weinbaupolitik!
Stichwort Weinbau. Welche Risiken birgt die europäische Weinmarktreform für die luxemburgische Mosel?
Wir müssen darauf bedacht sein, dass die Anstrengungen der letzten Jahre, beispielsweise beim Crémant oder in der Kellerwirtschaft, nicht untergraben werden. Das kann nur gelingen, wenn wir dafür sorgen, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird. Also müssen wir qualitätsorientiert erzeugen und vermarkten.

Wozu auch die “Schengen-Charta” beitragen soll?
Die Idee, mit dem über die Grenzen hinaus bekannten Namen “Schengen” Moselweine zu vermarkten, ist nicht abwegig. Ehe es aber soweit ist, müssen strenge Kriterien definiert werden, die ein solcher Spitzenwein, der zum Markenzeichen der Mosel avancieren soll, erfüllen muss. Dazu zählt meines Erachtens ein sehr begrenztes Anbaugebiet, um den außergewöhnlichen Charakter zu unterstreichen.

Ein Dauerbrenner an der Mosel sind die Flurneuordnungen. Was bewirkt das jüngst im Ministerrat verabschiedete Impaktstudien-Reglement?
Wir erhalten nun die gesetzliche Grundlage, um die ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte eines Remembrement darzustellen. Die Verordnung ist ein gutes Beispiel, wie es Umwelt und Landwirtschaft mittlerweile verstehen, miteinander umzugehen. Mir scheint aber klar und logisch, dass im Fall einer Flächenzusammenlegung ökonomische Argumente den Ausschlag geben sollen. Zu hoffen bleibt auch, dass sich mit der neuen Regelung die Prozeduren verkürzen.

Landwirtschaft, Wohnungsbau, …
Diese Opposition wird hochgespielt. Rein inhaltlich gesehen hat die Landwirtschaft doch längst das Prinzip der Nachhaltigkeit verinnerlicht. Nehmen Sie die Landschaftspflegeprämie, wo sich über 90 Prozent der Bauern an die daran gebundenen Verpflichtungen halten. Da bietet sich kaum noch eine Angriffsfläche. Und was die Art der Arbeit anbelangt, hat sich auf beiden Seiten die Erkenntnis durchgesetzt, dass man im Dialog mehr erreichen kann, als wenn man auf Konfrontationskurs geht. Bedauerlich bleibt nur, dass diese Annäherung regelmäßig durch einzelne extreme Ansichten in Frage gestellt wird. Da wundere ich mich dann schon, wieso diese Alleingänge ohne Folgen bleiben.
Sie sprechen das Miteinander von Landwirtschafts- und Umweltministerium an. Gibt es diese Hassliebe, wie sie des Öfteren in der Öffentlichkeit dargestellt wird, wirklich?

Ein anderes Feld, wo der Ministerrat vor der Sommerpause tätig wurde, ist der Wohnungsbau. Was darf vom Pakt zwischen Gemeinden und Staat erwartet werden?
Erst einmal will ich vorausschicken, dass die Regierung in der Vergangenheit eine sehr engagierte Wohnungsbaupolitik praktiziert hat. Seit 1992 haben wir 50 000 Haushalten die Mehrwertsteuer zurückerstattet und 13 800 Haushalten wurde in den vergangenen sechs Jahren eine Bauprämie zugestanden. Im subventionierten Wohnungsbau sieht das achte Bauprogramm 10 800 Wohnungen vor.

Aber …
… trotz all dieser Maßnahmen ist es nicht gelungen, die Preisspirale beim Bauland zu brechen. Mit dem Wohnungsbaupakt wollen wir die Gemeinden ins Boot bekommen. Auch die kommunale Ebene muss ihre Verantwortung in dieser Frage übernehmen. Im Übrigen bin ich angenehm überrascht von ersten Reaktionen aus den Gemeinden.

Bleibt der Weg vom Papier in die Praxis. Wann gibt es erste Ergebnisse?
Wir sollten kurzfristig keine Wunderdinge erwarten. Mittelfristig soll das Maßnahmenpaket aber dazu führen, dass die Zahl der jährlichen Neubauten von heute 2 500 auf 3 000 ansteigt. Sorgen bereitet mir derzeit die Tatache, dass viele Gemeinden dabei sind, ihre Bebauungspläne an die Gesetzgebung aus 2004 anzupassen und die weitere Baulanderschließung davon abhängt. Ich hoffe, dass hier nicht zu viel Zeit verloren geht.

Gefahr des Stillstandes!
Sehen Sie die Gefahr des Stillstandes?
Es darf keinen Stillstand geben. Gewiss, gemäß dem Prinzip des vernetzten Denkens und Handelns müssen wir uns im Rahmen der IVL-Leitlinien und des 2003 verabschiedeten plan directeur bewegen. Ich erinnere daran, dass das IVL für eine Baudichte von 25 Wohneinheiten je Hektar plädiert. Wir müssen aber bestrebt sein, konkrete Projekte parallel zur Definition von Rahmenbedingungen voranzutreiben.

Was dann ja auch beim sektoriellen Plan für Gewerbegebiete gilt?
Auf jeden Fall. Denn wir benötigen Platz, wo sich Firmen, insbesondere Klein- und Mittelbetriebe, ansiedeln können. Quasi täglich gehen neue Anfragen im Mittelstandsministerium ein. Da können wir doch nicht die Hände in den Schoß legen und die Leute mit dem Verweis auf die Ausarbeitung des plan sectoriel vertrösten.

A propos Mittelstand. Wie steht es um die bürokratische Schlankheitskur?
Ein Bericht soll im Herbst vorliegen. Dieser soll dann als Grundlage für ein umfassendes Aktionsprogramm dienen. In unserem Vorhaben müssen wir zweigleisig vorgehen. Einerseits bestehende Regelungen auf ihren Sinn und Zweck prüfen. Andererseits dafür sorgen, dass künftige Bestimmungen nicht mit einer neuerlichen Mehrbelastung der Betriebe einhergehen. Ziel muss sein, dass die Unternehmer Kosten und Zeit einsparen.

Stichwort Großregion!
Luxemburg soll, so der Premierminister, zur Einkaufsadresse Nummer eins in der Großregion werden. Wie soll das mit Blick auf das Handelsgewerbe geschehen?
Wie beim Tourismus ist es auch im Geschäftsleben eine Frage der Attraktivität. Diese Herausforderung muss die Branche annehmen. Nach der Aufhebung des Moratoriums, das seinerzeit berechtigt war, dürfen sich zum Beispiel wieder Großgeschäfte in Luxemburg ansiedeln. Ohne hier vorgreifen zu wollen, kann ich heute schon sagen, dass sich einige interessante Ideen in Ausarbeitung befinden.

Das Interview führte Journalist Marc Schlammes, veröffentlicht am 7. August 2006

Dem Tourismusminister kann das hochsommerliche Wetter der vergangenen Wochen recht sein. Als Landwirtschaftsminister hat Ihnen die anhaltende Trockenheit bestimmt Kopfzerbrechen bereitet?