Gesunde Staatsfinanzen, Erfolgreiche Tripartite-verhandlungen, eine sinkende Kriminalitätsrate. Minister Luc Frieden ist zuversichtlich
Luc Frieden auf csv.lu
Budgetminister Luc Frieden ist zuversichtlich – die Staatsfinanzen sind gesund und die Tripartite hat die Weichen gestellt, um den Haushalt mittelfristig zu konsolidieren. Justiz- und Polizeiminister Luc Frieden ist ebenfalls zufrieden – die Kriminalitätsrate sinkt kontinuierlich. Dennoch bleibt genug zu tun. Um zu entspannen, um auf neue Ideen zu kommen, zieht es den Minister im Sommer in die Schweiz. Ein Wort Gespräch
Wort: Sommerpause. Werden Sie Zeit haben, sich zu entspannen?
Luc Frieden: Das glaube ich schon. Vor allem werde ich mir Zeit für die Familie nehmen. Energie schöpfen. Im Urlaub komme ich übrigens immer auf neue Ideen.
Das Budget für dieses Jahr soll streng ausgeführt werden. Das Parlament verlangte, das Sparpotenzial voll auszunutzen. Können Sie die Erwartungen der Abgeordneten erfüllen?
Wir geben uns Mühe. Das Sparpotenzial im Haushalt 2006 ist aber sehr begrenzt. Wir waren bei der Aufstellung der Vorlage vorsichtig und haben nicht übertrieben. Alle Fachminister sind gefordert. Ich bin ja auf den guten Willen der Kollegen angewiesen. Jeder muss wissen, dass nicht alles, was wünschenswert sein kann, auch finanziell tragbar ist. Bis Ende Juni haben wir weniger ausgegeben, als wir an Einnahmen verbuchen konnten. Aber das ist erst die Hälfte des Budgetjahres. Es ist noch zu früh, um aus dieser Entwicklung Schlüsse zu ziehen.
Finanzpolitik mit einem Ziel: Stabilität
Der Staat gab in den letzten Jahren mehr aus, als er an Steuern einnahm. Teile der Opposition werfen Ihnen vor, eine falsche Finanzpolitik zu verfolgen.
Also, unsere Finanzpolitik hat ein Ziel: Stabilität. Die Defizite der vergangenen Jahre waren politisch gewollt, um hohe Infrastrukturausgaben zu ermöglichen. Die Investitionen waren durch unsere Reserven gedeckt. Damit kein Missverständnis entsteht: Unsere Staatsfinanzen sind gesund. Wir haben Reserven und eine niedrige Staatsschuld. Die mittelfristigen Probleme wollen wir durch die in der Tripartite ausgehandelten Maßnahmen in den Griff kriegen. Bis 2009 soll der Haushalt wieder im Gleichgewicht sein.
Für die Liberalen sind die Maßnahmen von CSV und LSAP eher eine Abzocke der Bürger…
Die Index-Modulationen bringen den Betrieben und dem Staat erhebliche Einsparungen. Wir mussten unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Die zeitliche Verschiebung der automatischen Lohnanpassung war ein Schritt in diese Richtung. Das ist kein brutaler Weg, sondern ein Weg der Vernunft. Ich bin ziemlich sicher, dass die Menschen diese Politik nachvollziehen können.
Auf die Anhebung der Solidaritätssteuer soll nun verzichtet werden. Ist es leichtfertig, den kurzfristigen Gewinn aus dem Tausch von Arcelor-Anteilen gleich wieder auszugeben?
Wir werden durch diesen Tausch 400 Millionen Euro einnehmen. Davon werden wir rund 100 Millionen für die Aussetzung der angekündigten Erhöhung der Solidaritätssteuer ausgeben. Wir haben immer gesagt, dass wir gegen eine Erhöhung der Steuerlast von Privatpersonen und Betrieben sind. Nicht zuletzt angesichts der angekündigten Steuersenkungen in Deutschland. Es wäre einfach, den Staatshaushalt durch Steuererhöhungen zu konsolidieren. Leicht, aber falsch. Auf der Ausgabenseite kürzer treten, ist wesentlich anstrengender.
Finanzpolitik nicht auf der Grundlage von Momentaufnahmen gestalten
Für das erste Trimester dieses Jahres errechnete das Statec ein Wirtschaftswachstum von 7,3 Prozent. Wie wollen Sie bei diesen Aussichten den Bürgern vermitteln, dass man kürzer treten muss?
Ich freue mich natürlich über gute Wachstumsaussichten. Aber eine vorsichtige Finanzpolitik kann sich nicht auf Momentaufnahmen verlassen. Wir hatten in den letzten Jahren ein ziemliches Auf und Ab beim Wirtschaftswachstum. Stürzten von neun Prozent auf ein Prozent. Das Wachstum ist weiterhin auf die guten Resultate des Finanzsektors zurückzuführen. Das zeigt, dass unsere Politik ihre Früchte trägt. Wir haben gezielt dafür gesorgt, dass sich neue Aktivitäten auf dem Finanzplatz entwickeln konnten. Die Politik muss günstige Rahmenbedingungen schaffen: Eine klare Gesetzgebung, eine verlässliche Steuerpolitik und eine offensive Vermarktung des Standorts Luxemburg.
Wie kündigt sich das Budget für 2007 an?
Das Gesamtdefizit wird unter 1,5 Prozent liegen. Die Ausgaben werden nicht über fünf Prozent steigen. Die Steuern für Privatpersonen und Körperschaften sowie die Mehrwertsteuer werden nicht erhöht. Anfang September stehen die politischen Gespräche mit den Fachministern an, um das Budget 2007 vorzubereiten.
Die LSAP will eine neue Form der Budgetaufstellung. Wie jetzt in Frankreich praktiziert, fordern die Sozialisten eine ergebnisorientierte Haushaltspolitik. Wie stehen Sie dazu?
Ehrlich gesagt, ich habe bis jetzt keine Zeit gefunden, um mich eigehend damit zu beschäftigen. Das französische Verfahren ist erst ein Jahr alt. Ich würde es also vorziehen, eine detaillierte Analyse abzuwarten, statt dieses Modell gleich zu kopieren. Unser jetziges System verschafft uns im Übrigen einen guten Überblick über Einnahmen und Ausgaben des Staates.
Denken Sie mittel- oder langfristig an einen Abschied aus dem für die Staatskasse lukrativen Tanktourismus?
Ich mag die Bezeichnung Tanktourismus nicht besonders. Immerhin ist es nicht illegal, den Treibstoff billiger zu verkaufen als im Ausland. Wir haben bereits eine Anpassung der Preise vorgenommen, um unsere Kioto-Verpflichtungen wahrnehmen zu können. Fakt ist, dass wir diese wichtige Einnahmequelle nicht von heute auf morgen abschaffen können. Das wäre absolut unverantwortlich. Wenn wir die Benzinpreise erhöhen würden, würden wir dadurch ja keinen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die Menschen müssten trotzdem tanken. Wir werden die Besteuerung der Treibstoffe also nicht substanziell ändern.
Steht die ökologische Steuerreform noch auf der Tagesordnung von Schwarz-Rot?
Ich kann mir keine allgemeine ökologische Steuerpolitik vorstellen. Aber man kann ökologische Elemente einfließen lassen. Das haben wir bereits getan. Beim Benzin, den Kraftfahrzeugen und dem Wasser. Ich will nicht ausschließen, dass wir nicht auch noch in anderen Bereichen versuchen werden, die Menschen mittels Steuern zu einem umweltbewussteren Handeln zu verleiten.
Unsere Pflicht getan
Sie haben viel Zeit mit der Übernahmeschlacht zwischen Arcelor und Mittal verbracht. Hat die Regierung eine Doppelstrategie verfolgt, obwohl dies immer verneint wurde?
Der Regierung kam es darauf an, dass der effektive Firmensitz des Stahlkonzerns im Großherzogtum bleibt, die Regierung in den Entscheidungsorganen weiter vertreten ist, die zugesagten Investitionen getätigt werden und es durch die Übernahme zu keinem Stellenabbau kommen würde. Ich habe daher mit Aditya Mittal über diese Punkte in langen Gesprächen verhandelt. Ein brillanter und sympathischer junger Mann, der zuhören kann und lernfähig ist. So kamen wir Monat für Monat weiter. Die Regierung wollte die Interessen des Landes wahren. Ich glaube, das ist uns ziemlich gut gelungen. Wir verfolgten keine Doppelstrategie, sondern taten unsere Pflicht.
Sie trafen mehrmals mit der Mittal -Spitze zusammen? Im Ausland? In Absprache mit Arcelor?
Die Gespräche fanden regelmäßig statt. Immer im Ausland. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, Details über die Verhandlungsführung preizugeben. Wir konnten natürlich über dieses Vorgehen nicht öffentlich reden. Das mag zur allgemeinen Überraschung am Ende beigetragen haben. Wichtig ist, das wir unser Ziel erreicht haben. Der weltgrößte Stahlkonzern wird seinen Sitz in Luxemburg haben.
Das OPA-Gesetz war keine Schützenhilfe für Arcelor?
Übernahmen gehören zum Wirtschaftsleben. Wir hätten ein Gesetz vorlegen können, das eine OPA unmöglich gemacht hätte. Das wollten wir aber nicht. Wir können unser Land nicht vor der Weltwirtschaft abschotten. Unsere Vorlage war Pro-Arcelor und Pro-Mittal, wenn Sie so wollen.
Der Gesetzentwurf über die doppelte Staatsbürgerschaft sollte noch vor der Sommerpause vorliegen. Wann ist es nun soweit?
Es gibt noch größere Meinungsverschiedenheiten zwischen den politischen Parteien. Wir nahmen auch zur Kenntnis, dass das Parlament die Einbürgerungen nicht mehr selber vornehmen will. Das werden wir noch in unsere Vorlage einarbeiten. Wir werden im Kabinett die Prinzipien noch in diesem Monat festhalten. Im Herbst werde ich den Entwurf im Parlament einbringen.
Kriminalität konsequent bekämpfen
Ihr Motto lautet: Keine Freiheit ohne Sicherheit. Aber Sicherheit ohne Freiheit geht doch auch nicht. Oder?
Sicher. Freiheit und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn ich in Angst lebe, habe ich nichts von meinen Grundrechten. Es ist eine noble Aufgabe für die Sicherheit der Bürger zu sorgen. Wir haben die Kriminalität konsequent bekämpft. Am Anfang meiner Amtszeit gab es in Schrassig 350 Häftlinge, heute sind es über 700. Die Kriminalitätsquote sank kontinuierlich.
Haben Sie bereits einen Standort für eine neue Strafanstalt gefunden?
Wir haben verschiedene Grundstücke ins Auge gefasst, müssen uns aber noch mit den zuständigen Stellen beraten.
Wir brauchen Räumlichkeiten, um 400 Untersuchungshäftlinge unterbringen zu können. Eine Entscheidung soll noch in diesem Jahr getroffen werden.
Sie gelten als Amerika-Kenner und haben gute Beziehungen zur Bush-Regierung. Was halten Sie vom Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba?
In den ersten Monaten nach den Anschlägen des 11. September 2001 konnte man diese Einrichtung noch nachvollziehen. Diese außergewöhnlichen Umstände sind aber heute nicht mehr gegeben. Europa sollte allerdings Guantanamo nicht nur anprangern, sondern helfen nach einer Lösung zu suchen. Ich stelle fest, dass die amerikanischen Kollegen auch nicht länger gewillt sind, diese Situation beizubehalten.
Quelle: Wort, 26. Juli 2006, Laurent Zeimet