Wohnungsbaupakt: Vorkaufsrecht der Gemeinden um größere Grundstücke erstehen zu können, die in Entwicklungs- und Baulandsreservezonen liegen
Premier Juncker hatte Fehlentwicklungen in der Wohnungsbaupolitik bereits im Oktober eingeräumt. Nun will die Regierung einen Pakt mit den Gemeinden schließen und eine neue Offensive starten. Bauen und Wohnen soll im Großherzogtum wieder erschwinglich werden.
Am 12. Oktober 2005 erklärte Premierminister Jean-Claude Juncker im Parlament bei seiner Rede über die politischen Prioritäten der Regierung, dass er mit einem gewissen Unbehagen über die Wohnungsbaupolitik spreche.
Seit 1991 habe er als Staats- und Finanzminister alles unternommen, um Wohnen in Luxemburg für jeden erschwinglich zu machen. “Ich bin bei diesem Versuch gescheitert”, musste Juncker eingestehen. Es sei ein großer persönlicher Misserfolg, dass er in der Wohnungsfrage “versagt” habe, so ein selbstkritischer Regierungschef im Oktober. Anfang Mai in seiner Rede zur Lage der Nation kündigte Juncker dann neue Initiativen an, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. Obwohl die Anzahl der Baugenehmigungen von 2 956 im Jahr 2002 auf 4 662 im Jahr 2005 gestiegen sei, bestehe weiterhin Grund zur Sorge.
Anstrengungen im Bereich des Wohnungsbau tragen erste Früchte
Die “enormen Anstrengungen” tragen erste Früchte, heißt es in einem Arbeitspapier der Regierung. Seit 2004 sei eine Stabilisierung der Preise zu beobachten. Die Mietpreise würden gar sinken. Doch es bleibt das Problem, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot. Die ungleiche Verteilung der Bevölkerung im Großherzogtum verstärke das Problem. 38 Prozent der Einwohner leben in der Südregion. In der Stadt Luxemburg wohnen heute nur noch 16,8 Prozent der Gesamtbevölkerung, 1961 waren es noch 28,3 Prozent.
Die hohen Grundstückspreise machen das Bauen teuer. Die großzügigen Bauhilfen des Staates konnten diese Entwicklung nicht wirksam bremsen.
Die Regierung will einen Wohnungsbaupakt mit den Gemeinden schließen. Bei Baulanderschließung und Wohnungsbauförderung sollen beide Partner eine gemeinsame Verantwortung tragen.
Mehr Geld für mehr Einwohner
Kommunen sollen eine “substanzielle finanzielle Unterstützung” erhalten, wenn sie sich bereit erklären, mit dem Staat einen “Wohnungsbauentwicklungsplan” zu erstellen. Diese Pläne sollen ermöglichen, die Einwohnerzahl innerhalb von zehn Jahren um mehr als 15 Prozent ansteigen zu lassen und sicherstellen, dass die Gemeinden die Baulanderschließung schnell und preisgünstig in die Wege leiten können. Als Kapitalhilfe für die willigen Kommunen stellte Juncker 4 500 Euro für jeden zusätzlichen Einwohner in Aussicht. Für die sogenannten IVL-Gemeinden, deren Entwicklung als prioritär angesehen wird, werden zusätzliche staatliche Beihilfen in Aussicht gestellt, sollten sie bereit sein, größere zusammenhängende Areale zu erschließen und dichter bebauen zu lassen.
Bei einer Besiedlung von mehr als einem Hektar sollen zehn Prozent der Fläche zum Bau von preisgünstigen Wohnungen vorbehalten werden. Der Fonds de logement habe sein Bauprogramm verdoppelt, so Juncker. Er hofft, dass sich die Gemeinden durch dieses Aktionsprogramm angespornt fühlen. Den Kommunen will der Staat mit diesen finanziellen Anreizen die Angst vor den Folgekosten von Neuerschließungen nehmen.
Die Regierung setzt auf das Instrument Bail emphytéotique. Über diesen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 99 Jahren sollen Staat und Gemeinden Bauland zur Verfügung stellen.
Die CSV/LSAP-Koalition will auch hier noch einmal in die Tasche greifen und den Kommunen 50 Prozent der Anschaffungskosten solcher Grundstücke zurückerstatten. Der Bail emphytéotique sei wohl das wirksamste Mittel, um die Baupreise wirksam sinken zu lassen, glaubt der Premierminister. Das Gesetz über den Pachtvertrag von 1824 soll daher überarbeitet werden.
Vorkaufsrecht der Gemeinden
Die Gemeinden sollen auch ein Vorkaufsrecht erhalten, um größere Grundstücke erstehen zu können, die in Entwicklungs- und Baulandsreservezonen liegen. Der Verkauf von Immobilien an die öffentliche Hand soll durch Steuerbefreiungen begünstigt werden.
Seit langem wird überlegt, der Baulandspekulation den Kampf anzusagen. Juncker erinnerte daran, dass die Gemeinden ein Baugebot auf potenziellem Bauland vorschreiben können. Doch kaum ein Schöffenrat wagt diesen Schritt, da die damit verbundene Enteignungsprozedur abschreckt. Die aktuelle Rechtssprechung des Verfassungsgerichts mache Enteignungen aus Gründen der Gemeinnützigkeit nahezu unmöglich.
Artikel 16 der Verfassung über das Recht auf Eigentum erfordert eine volle Entschädigung bevor die Grundstücke enteignet werden. Dies hat allerdings zur Folge, dass Enteignungen nicht mehr in einem vernünftigen Zeitrahmen durchgeführt werden können. Artikel 16 der Verfassung soll nun abgeändert werden. Als ein weiteres Mittel gegen Spekulation soll den Gemeinden ermöglicht werden, das “übertriebene” Zurückhalten von Bauland finanziell zu bestrafen.
Bereits im März 2003 hielt die Abgeordnetenkammer eine Orientierungsdebatte über die Wohnungsbaupolitik ab. Norbert Haupert (CSV) hatte einen 100 Seiten schweren Bericht zusammengetragen. Wie wollte Haupert die bereits angespannte Lage 2003 entschärfen? “Den Preisdruck auf dem Baugelände reduzieren. Durch die Schaffung einer Grundstücksreserve könnten Staat und Gemeinden das Angebot steigern und demzufolge auf die Preise einwirken. Dann muss (…) im Bereich des sozialen Wohnungsbaus agiert und schließlich die Mietgesetzgebung angepasst werden.” (LW, 4. März 2003)
Die Reform der Mietgesetzgebung ist immer noch auf dem Instanzenweg und Premier Jean-Claude Juncker möchte nun, dass der Gesetzentwurf so schnell wie möglich im Parlament zur Abstimmung gebracht wird. Die Neuerungen sollen Investitionen in Mietwohnungen wieder interessanter machen. Und das Angebot an Mietwohnungen steigern.
Juncker sieht in diesem Maßnahmekatalog sein letztes Aufgebot. Sollten Staat und Gemeinden ein weiteres Mal scheitern, wüsste er auch nicht mehr weiter. Am Montag, dem 14. Mai wird Wohnungsbauminister Fernand Boden (CSV) Einzelheiten zum Programm der Regierung vorstellen, das zum Ziel haben soll, Grundstückspreise nachhaltig zu senken oder zumindest zu stabilisieren.
Quelle: Wort, 12. Mai 2006, Laurent Zeimet