Arbeitslosigkeit: Der weite Weg zur Trendwende

Neben der Sanierung der Staatsfinanzen und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bildet die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit den dritten Pfeiler des Reformpakets

Premierminister Jean-Claude Juncker bezeichnete in seiner Erklärung zur Lage der Nation den Kampf gegen die Erwerbslosigkeit als “kruziale Aufgabe des Staats und der Gesellschaft” und als erste Priorität der Politik.

Glaubt man dem Arbeitsminister, so lässt sich dieser Kampf nur langfristig gewinnen. “Eine kurzfristige Trendwende ist nicht machbar”, stellte François Biltgen im Gespräch mit dem “Wort” fest. Einfache Rezepte – etwa eine Lockerung des Arbeitsrechts, wie von der DP gefordert – helfen bei den Problemen am hiesigen Arbeitsmarkt wenig. Dazu zählt der Konkurrenzdruck des Arbeitskraftreservoirs Großregion, unter dem die benachteiligten Bevölkerungsschichten leiden. 52 Prozent der Arbeitssuchenden haben nicht mehr als die obligatorische Schulzeit absolviert. Nur 40 Prozent haben die einheimischen Schulen besucht, da zwei Drittel der Erwerbslosen nicht-luxemburgischer Herkunft sind.

Überprüfung der Beschäftigungsmassnahmen für Jugendliche

Damit das Arbeitsamt in erster Linie die Erwerbssuchenden mit den besten Beschäftigungsaussichten betreuen kann, will François Biltgen die Adem entlasten. So sollen etwa die total arbeitsunfähigen Behinderten nicht länger erfasst werden.

Um die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen zu bekämpfen, will François Biltgen die für sie vorgesehenen Beschäftigungsmaßnahmen einer Überprüfung unterziehen, da nach deren Auslaufen keine Chance auf eine feste Einstellung besteht. In ihrer jetzigen Form seien die CAT-Programme beim Staat und den Gemeinden eher kontraproduktiv, bedauerte der Arbeitsminister: In der falschen Hoffnung auf eine feste Anstellung würden viele Jugendlichen die Arbeitssuche vernachlässigen. Biltgen strebt eine Straffung der CAT-Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst an. Das Entgeld soll auf 80 Prozent des sozialen Mindestlohns beschränkt werden, während acht Wochenarbeitsstunden für Weiterbildungszwecke oder zur Stellensuche vorgesehen sind.

Seine Hoffnungen setzt Minister Biltgen auf die Betriebspraktika (stages d’insertion entreprise), die eine Erfolgsquote von über 75 Prozent haben. Jugendliche werden vom Arbeitsamt während 12 Monaten einem Betrieb zugestellt, der diese ausbilden und prüfen kann und nur die Hälfte der Basisentschädigung (80 Prozent des Mindestlohnes) selbst finanzieren muss.

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Eigenanstrengungen der Beschäftigungssuchenden

Gegen die schwarzen Schafe unter den Arbeitslosen gerichtet sind die strengeren Regeln, die François Biltgen bei der Vergabe des Arbeitslosengeldes durchsetzen will. Jeder Arbeitslosengeldempfänger soll auch Eigenanstrengungen vorweisen müssen. Die Sanktionsmöglichkeiten der Adem wie auch die Rechte der Arbeitnehmer sollen im Gesetz verankert werden. Zwar bleibt die Höhe der Erwerbslosenentschädigung unverändert. Erworgen wird aber, das Einkommen des Lebenspartners bei der Berechnung miteinzubeziehen. Über die Kritik der Gewerkschaften an diesen Plänen zeigte sich der Arbeitsminister erstaunt: Diese Berechnung bestand nämlich seit Jahren, ohne dass deren Abschaffung von Gewerkschaftsseite gefordert wurde. Die getrennte Erhebung des Arbeitslosengeldes trat erst vor vier Jahren in Kraft. Bei eventueller Wiedereinführung dieser Berechnung sollen Härtefallregelungen einfließen.

Ein besonderes Anliegen sind dem Beschäftigungsminister die schwer vermittelbaren Erwerbssuchenden, die zu schwach sind, um eine feste Anstellung auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Ihnen sollen die Beschäftigungsinitiativen eine dauerhafte Anstellung bieten können. Eine Bankrotterklärung des ersten Arbeitsmarkts, wie es etwa die DP bemängeln könnte, sieht François Biltgen in dieser Vorgehensweise nicht: “Der Unterschied zwischen einem liberalen und einem christlich-sozialen Politiker besteht darin, dass ich die Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern jedem einzelnen eine Chance verschaffen will, auch denen die es aus eigener Kraft nicht schaffen”. Er ziehe es vor, Arbeitssuchenden eine Beschäftigung zu verschaffen statt sie mit Sozialleistungen abzuspeisen, was ihrem Selbstwertgefühl schade.

“Maintien dans l’emploi”

Eine wesentliche Neuerung des Tripartite-Beschlusses stellen die Maßnahmen zum Beschäftigungserhalt (maintien dans l’emploi) dar. Bei betrieblichen Schwierigkeiten will das Arbeitsministerium nicht erst eingeschaltet werden, “wenn das Kind im Brunnen liegt”, erklärt François Biltgen. Seine Behörde will im Vorfeld agieren, um Stellenabbau weitgehend zu vermeiden. Besonders kleinen und mittleren Unternehmen bietet Biltgen daher Betriebsprüfungen an, mit denen mögliche Krisen frühzeitig unterbunden werden sollen. Solche frühzeitige Hilfestellungen können den Betrieben helfen, neue Lösungen zu finden. Außerdem soll jeder Betrieb mit mehr als 15 Mitarbeitern jede Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen dem Konjunkturkomitee mitteilen. Wenn mehrere Mitarbeiter aus wirtschaftlichen Gründen entlassen werden, sollen die Sozialpartner einen “plan de maintien dans l’emploi” ausarbeiten.

Noch sind die Pläne des Arbeitsministers nicht unter Dach und Fach. Am 23. Mai trifft sich der ständige Beschäftigungsausschuss, um über das Paket zu beraten. Danach will Biltgen die Gesetzesvorlagen im Parlament einreichen.

Quelle: Wort, 12. Mai 2006 (jm)